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Der steile Weg führt zur Mühle, doch die Anstrengung führt zu nichts.

Es war ein Nachmittag zu Beginn des Herbstes, wenn der Himmel eine verblichene kalte Wärme ausstrahlt und die Wolken das Licht in Decken aus Langsamkeit dämpfen.

Zwei Dinge nur gab mir das Schicksaclass="underline" ein paar Kontenbücher und die Gabe zu träumen.

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Der Traum ist das übelste aller Rauschmittel, denn er ist das natürlichste von allen. Er schleicht sich leichter in unsere Gewohnheiten als jede andere Droge, man kostet ihn wie ein verabreichtes Gift, ohne es zu wollen. Er tut nicht weh, macht weder bleich noch matt – doch die Seele, die sich seiner bedient, wird unheilbar krank, kommt ohne dieses Gift nicht mehr aus, da sie selbst, die Seele, es ist.

Wie ein Schauspiel im Nebel […]

Ich habe in meinen Träumen gelernt, die Fassaden […] des Alltäglichen mit Bildern zu krönen, das Gewöhnliche ungewöhnlich auszudrücken, das Einfache umständlich, tote Ecken und Möbel mit einer künstlichen Sonne zu vergolden und die dahinfließenden Sätze, in denen ich mich beschreibe, Musik werden zu lassen, wie um mich einzuwiegen.

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Nach einer schlecht geschlafenen Nacht kann uns niemand recht ausstehen. Der flüchtige Schlaf hat etwas von unserer Menschlichkeit mit sich genommen. Eine latente Gereiztheit scheint sogar in der uns umgebenden leblosen Luft zu liegen. Letztlich sind wir selbst es, die nicht mit uns einverstanden sind und zwischen uns die stille Schlacht der Diplomatie austragen.

Heute habe ich meine Füße und meine Erschöpfung durch die Straßen geschleppt. Meine Seele ist zu einem wirren Knäuel geschrumpft, und was ich bin und war, mein Ich, hat seinen Namen vergessen. Sollte es für mich ein Morgen geben, so weiß ich nur, daß ich nicht geschlafen habe, und das Durcheinander verschiedener Zeitspannen erlegt meiner inneren Rede tiefes Schweigen auf.

Ach, ihr großen Parkanlagen der anderen, ihr Gärten für so viele Benutzer, ihr wundervollen Alleen all derer, die nie Notiz von mir nehmen werden! Ich lebe dahin zwischen durchwachten Nächten wie einer, der es nie gewagt hat, überflüssig zu sein, und das, worüber ich nachdenke, schrickt mit einem abschließenden Traum aus dem Schlaf.

Ich bin ein verwaistes, klösterliches Haus, verschattet von scheu huschenden Gespenstern. Und stets bin ich im Zimmer nebenan, es sei denn, sie sind dort, und um mich her das große Rauschen der Bäume. Ich träume und finde; ich finde, weil ich träume. Meine Kindertage! Sogar ihr tragt eine Spielschürze!

Und bei alledem gehe ich durch die Straßen, schläfrig, ein vagabundierendes Blatt. Ein langsamer Wind hat mich vom Boden gefegt, und ich irre wie das Ende einer Dämmerung zwischen dem Geschehen in der Landschaft einher. Die Schwere meiner Augenlider geht über auf meine schlurfenden Füße. Ich möchte schlafen, weil ich gehe. Mein Mund ist geschlossen, als seien meine Lippen versiegelt. Mein Umherschweifen kommt einem Schiffbruch gleich.

Ja, ich habe nicht geschlafen, aber ich bin mir meiner gewisser, wenn ich weder geschlafen habe noch schlafe. Ich bin wirklich ich in dieser zufälligen und symbolischen Ewigkeit des halbseelischen Zustands, in dem ich mich täusche. Der eine oder andere Passant schaut mich an, als kenne er mich, aber scheint befremdet. Ich fühle, daß ich sie gleichfalls ansehe aus Augenhöhlen, die ich unter meinen Lidern spüre, aber ich will nichts wissen von der Welt.

Ich bin müde, so müde, todmüde.

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Als die Generation geboren wurde, der ich angehöre, fand sie eine Welt vor, die Leuten mit Herz und Hirn keine Stütze bot. Die zerstörerische Arbeit der vorangegangenen Generation hatte bewirkt, daß die Welt, in die wir hineingeboren wurden, uns keinerlei Sicherheit in religiöser Hinsicht, keinerlei Halt in moralischer Hinsicht und keinerlei Ruhe in politischer Hinsicht bieten konnte. Wir wurden in metaphysische Angst, in moralische Angst, in politische Unruhe hineingeboren. Trunken von äußerlichen Formeln, von den bloßen Verfahren der Vernunft und der Wissenschaft hatten die Generationen vor uns alle Fundamente des christlichen Glaubens unterhöhlt, weil ihre Bibelkritik, die von der Kritik an den Texten zur Kritik der Mythologie des Christentums übergegangen war, die Evangelien und die vorangegangene jüdische Hierographie auf eine ungewisse Ansammlung von Mythen, Legenden und bloßer Literatur reduziert hatte; ihre wissenschaftliche Kritik deckte Schritt um Schritt die Irrtümer und groben Naivitäten der ursprünglichen »Wissenschaft« der Evangelien auf; gleichzeitig riß die Diskussionsfreiheit, die alle metaphysischen Probleme zur Debatte stellte, die religiösen Probleme mit sich fort, soweit sie metaphysischer Natur waren. Trunken von einer ungewissen Sache, die sie »Positivismus« nannten, kritisierten diese Generationen die gesamte Moral, durchstöberten alle Lebensregeln, und von diesem Zusammenstoß der Lehrmeinungen blieb nur die Ungewißheit aller zurück und der Schmerz darüber, daß es keine Gewißheit gab. Eine solcherart in ihren Grundlagen erschütterte Gesellschaft konnte konsequenterweise auch in der Politik nur ein Opfer dieser Disziplinlosigkeit werden; und so erwachten wir für eine Welt, die gierig war nach gesellschaftlichen Neuerungen, mit Freude machte man sich an die Eroberung einer Freiheit, von der man nicht wußte, was sie war, und eines nie genau definierten Fortschritts.

Doch der grobschlächtige Kritizismus unserer Eltern machte es uns zwar unmöglich, Christen zu sein, glücklich aber waren wir darüber nicht; er ließ uns zwar an den überlieferten moralischen Formeln zweifeln, nicht aber gleichgültig sein gegen die Moral und die Regeln menschlichen Zusammenlebens; er ließ zwar das politische Problem in der Schwebe, nicht aber unseren Geist gleichgültig gegenüber einer Lösung dieses Problems. Unsere Eltern zerstörten unbekümmert, da sie einer Epoche angehörten, die noch Spuren einer soliden Vergangenheit aufwies. Sie zerstörten genau das, was der Gesellschaft jene Kraft verlieh, die ihnen erlaubte, sie zu zerstören, ohne die Risse am Gebäude zu bemerken. Wir haben die Zerstörung und ihre Resultate geerbt.

Im heutigen Leben gehört die Welt einzig den Dummen, den Selbstgefälligen und den Umtriebigen. Das Recht, zu leben und zu triumphieren, erwirbt man heute mehr oder minder mit den gleichen Mitteln, mit denen man die Einweisung in ein Irrenhaus erreicht: die Unfähigkeit zu denken, die Unmoral und die Übererregtheit.

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Die Herberge zur Vernunft

Auf halbem Wege zwischen Glaube und Kritik liegt die Herberge zur Vernunft. Die Vernunft ist der Glaube an etwas, das man ohne Glauben verstehen kann; doch bleibt es noch immer ein Glaube, denn verstehen setzt voraus, daß es etwas Verstehbares gibt.

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Metaphysische Theorien, die uns für einen Augenblick die Illusion vermitteln, wir hätten das Unerklärliche erklärt; moralische Theorien, die uns für eine Stunde mit der Überzeugung täuschen können, wir wüßten endlich, welche aller geschlossenen Türen zur Tugend führt; politische Theorien, die uns für einen Tag glauben machen, wir hätten ein Problem gelöst, obgleich es für kein Problem eine Lösung gibt, es sei denn in der Mathematik … Fassen wir also unsere Haltung dem Leben gegenüber in diesem bewußt fruchtlosen Handeln zusammen, in diesem Bemühen, das, wenn auch wenig erquicklich, uns doch zumindest davor bewahrt, die Gegenwart des Schmerzes wahrzunehmen.