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„Kriegshäuptling!“ Einer Frau gehörte diese Stimme, die zugleich melodisch und eisig klang. Sylvanas Windläufer, einstige Befehlshaberin der Windläufer der Hochelfen und nun die Anführerin der Verlassenen, erhob sich und blickte Garrosh aus hell leuchtenden Augen an. „Vielleicht schickt die Allianz wirklich keine Verstärkung. Zumindest nicht sofort. Stattdessen werden sie sich uns in den Östlichen Königreichen zuwenden und ihren Zorn an uns auslassen – an meinem Volk und den Sin’dorei.“

Beinahe flehend blickte sie zu Lor’themar hinüber, doch das Gesicht des Blutelfenführers blieb regungslos. „Varian wird gegen meine Grenzen ziehen und uns vernichten.“ Die Bemerkung galt zwar Garrosh, aber Sylvanas’ Augen blieben weiter auf Lor’themar gerichtet. Baine fühlte mit ihr; sie hoffte auf die Unterstützung von jemandem, der sie ihr nach allen Regeln der Vernunft eigentlich auch geben sollte, doch sie erhielt keine.

„Kriegshäuptling? Dürfte ich kurz mit Euch sprechen?“ Das war Etrigg, der sich mit all dem Respekt, den er seinem Herren schuldete, an Garrosh wandte.

„Ich kenne deine Meinung bereits, mein Berater“, brummte der Orc.

„Aber wir nicht“, rief Baine. „Etrigg war ein Freund meines Vaters und einer von Thralls Ratgebern. Er kennt die Allianz besser als die meisten von uns. Gewiss werdet Ihr nichts dagegen haben, wenn wir hören, was solch ein weiser Ältester zu sagen hat, oder?“

Der Blick, den ihm Garrosh daraufhin zuwarf, hätte selbst Steine zum Schmelzen gebracht. Der Taure hielt ihm jedoch mit gespielter Ruhe stand. Schließlich nickte der Häuptling Etrigg dann aber doch zu. „Sag, was du zu sagen hast!“, befahl er barsch.

„Es ist wahr, dass die Horde schon viel getan hat, um sich von dem Kataklysmus zu erholen“, begann der alte Orc. „Und das alles unter Eurer Herrschaft, Kriegshäuptling Garrosh. Ihr habt recht. Dieser Titel steht Euch rechtmäßig zu, und es ist an Euch, die Entscheidungen zu treffen. Aber ebenso tragt Ihr auch die Verantwortung. Denkt bitte eine Sekunde über die Konsequenzen nach, die diese Entscheidung haben würde!“

„Die Nachtelfen wären endlich fort, die Allianz hätte Angst, uns anzugreifen, und Kalimdor würde wieder der Horde gehören. Das wären die Konsequenzen, Ältester.“ Garrosh sprach das Wort ohne jeden Respekt aus. Tatsächlich klang es aus seinem Mund geradezu verächtlich. Baine fiel auf, dass zwei oder drei Orcs ob seines Tonfalls die Brauen zusammenzogen, bevor sie neugierig Etriggs Worten lauschten.

Der Berater schüttelte den Kopf. „Nein“, entgegnete er. „Das ist es, was Ihr hofft. Ihr hofft, Euch diesen Kontinent zu eigen machen zu können. Und vielleicht wird es Euch auch gelingen. Aber Ihr würdet dadurch einen Krieg beginnen, der Armeen in allen Ecken der Welt betreffen würde. Horde und Allianz würden sich in einem Konflikt gegenüberstehen, der Jahre andauern und unsere Ressourcen aufzehren würde. Ist denn der Preis, den wir gezahlt haben, nicht schon hoch genug?“ Die Orcs, die so aufmerksam gelauscht hatten, nickten nun. Einen von ihnen erkannte Baine als einen Ladenbesitzer hier aus Orgrimmar. Ein anderer, der zustimmend den Kopf neigte, war überraschenderweise eine der Wachen, wenn auch kein Mitglied der Kor’kron-Elite.

„Preis?“, echote eine leicht schrille Stimme. „Ich habe nicht gehört, dass Kriegshäuptling Garrosh einen Preis erwähnt hat, Etrigg, mein Freund.“ Natürlich war es Handelsprinz Gallywig. Die Spitze seines Zylinders war alles, was man von ihm sehen konnte, aber die wogte lebhaft auf und ab, während er seine Rede schwang. „Ich höre nur eines aus seinen Worten heraus: Profit für uns alle. Warum nicht expandieren und die Ressourcen unserer Feinde übernehmen, während wir sie von unserem Land vertreiben? Selbst ein Krieg kann ein gutes Geschäft sein, wenn man es nur richtig anstellt!“

Baine hatte genug. Wie dieser gierige, selbstgefällige Goblin leichtfertig Scherze über das Blut von Helden und Feinden machte, das nur der Profite wegen vergossen werden sollte, dies zwang ihn, sein besonnenes Schweigen zu brechen.

„Garrosh!“, rief er. „Es gibt keinen hier, der behaupten wird, dass ich die Horde nicht liebe. Und ebenso kann niemand bestreiten, dass ich Euren Titel ehre.“

Garrosh sagte nichts. Er hatte bestimmt nicht vergessen, dass er Baine seine Hilfe vorenthalten hatte, als sie dringend benötigt wurde, dennoch respektierte ihn der Taure nach wie vor als Kriegshäuptling. Davon abgesehen hatte Baine einmal sogar Garroshs Leben gerettet. Darum verbot er ihm nicht das Wort … zumindest noch nicht.

„Ich kenne diese Lady. Ihr nicht. Sie hat unermüdlich auf den Frieden hingearbeitet, weil sie wusste, dass wir keine Monster sind, sondern Personen – so wie jene Personen, die die Allianz bilden.“ Seine stechenden Augen glitten über die Menge hinweg, und jeder Hitzkopf, der versucht war, hochzufahren und zu protestieren, weil er Menschen, Nachtelfen, Zwerge, Draenei, Worgs und Gnome als „Personen“ bezeichnete, war schlau genug, sich auf die Zunge zu beißen, als er seinem Blick begegnete. „Sie hat mir in ihrem Haus Hilfe und Unterkunft gewährt. Sie stand mir bei, wenn nicht einmal Mitglieder der Horde dies getan hätten. Sie hat es nicht verdient, so verraten zu werden, und …“

„Baine Bluthuf!“, knurrte Garrosh, während er mit wenigen Schritten zum Oberhäuptling der Tauren hinüberstampfte. Baine überragte ihn zwar um ein ganzes Stück, doch davon ließ sich der Orc nicht einschüchtern. „Ich rate dir, hüte deine Zunge, falls du nicht das Schicksal deines Vaters teilen möchtest!“

„Ihr meint, durch Betrug zu sterben?“, schnappte Baine zurück.

Garrosh brüllte. Der Erzdruide Hamuul Runentotem trat im selben Augenblick vor wie Etrigg, und dann schob sich jemand zwischen Baine und Garrosh – der Schwarzfelsorc. Er berührte Baine nicht, aber der Taure konnte dennoch das Feuer des Hasses fühlen, das die paar Zentimeter zwischen ihnen erfüllte. Die Augen des Orcs blitzten, aber ihr eisiger Blick kühlte die Hitze seines Zornes nicht ab, sondern verstärkte sie sogar noch. Ein Schauder des Unbehagens rann durch Baines Körper. Wer war dieser Krieger?

„Malkorok“, zischte Garrosh. „Das reicht.“

Eine gefühlte Ewigkeit blieb der Orc reglos vor ihm stehen. Baine hatte keine große Lust zu einem Kampf – nicht hier, nicht jetzt. Garrosh oder seinen grauhäutigen Krieger anzugreifen, dessen einzige Aufgabe es offenbar war, ihn zu beschützen, das würde den Zorn des jungen Kriegshäuptlings nur weiter schüren, und dann wäre er der Stimme der Vernunft wahrscheinlich gar nicht mehr zugänglich. Schließlich stieß Malkorok den Atem in einem verächtlichen Zischen durch die Nase aus und tat, wie ihm geheißen.

Nun schob sich Garrosh nach vorn und reckte das Gesicht zu dem des Tauren hoch.

„Jetzt ist nicht mehr die Zeit für Frieden! Jetzt ist es Zeit für Krieg – für einen Krieg, der schon längst überfällig ist! Dein eigenes Volk leidet unter der Expansion der Allianz. Ohne provoziert worden zu sein, haben sie sich in eurem Land ausgebreitet. Falls jemand wünschen sollte, dass wir zumindest die Feste Nordwacht zerstören, wenn nicht noch mehr, dann solltet ihr Tauren es sein! Du sagst, Jaina Prachtmeer hat dir einmal geholfen. Heißt das, deine Loyalität gilt ihr und der Allianz, die deine Leute umgebracht hat … oder stehst du noch immer zu mir und der Horde?“

Baine atmete lange und tief ein und ließ die Luft dann durch seine Nüstern wieder entweichen. Anschließend beugte er seinen Kopf vor, sodass ihn nur noch zwei Zentimeter von Garrosh trennten. Er flüsterte so leise, dass nur der Orc es hören konnte: „Hätte ich mich gegen Euch und die Horde gestellt, dann hätte ich das schon lange vor dem heutigen Tage getan, Garrosh Höllschrei. Auch wenn Ihr sonst kein Wort glaubt, das ich sage – das könnt Ihr glauben.“