Es war furchtbar — und nur deshalb erträglich, weil das Wesen absolut unbeweglich verharrte.
Tom zählte stumm bis zehn, dann schob er sich rückwärts auf den Schutthaufen.
Die Aufmerksamkeit des Wesens blieb auf ihn gerichtet, aber mehr nicht.
Joyce sah ihn an. Er spürte am Griff ihrer Hand, dass sie schreckliche Angst hatte, aber immer noch relativ besonnen war. »Geh langsam zurück«, flüsterte er. »Wenn das Ding sich bewegt, bleib sofort stehen.«
Er zweifelte nicht an der unermesslichen Kraft des Wesens. Er spürte sie um sich herum, spürte die Hitzestrahlung auf seiner Haut.
Joyce nickte angespannt, und sie begannen, den Schutthaufen hinauf und aus dem Tunnel zu klettern. Es wurde Tom bewusst, dass dies die instinktive Reaktion auf ein gefährliches großes Tier und in diesem Fall zweifellos nicht angemessen war. Er starrte auf die Augenflecken der Kreatur und wusste — völlig ohne Worte —, dass ihr Interesse an ihnen zwar eingehend, aber nur vorübergehender Natur war; dass das Wesen sie jederzeit töten konnte, wenn es den Wunsch dazu hatte, dass es nur noch keine Entscheidung getroffen hatte. Dies war keine zufällige Unentschlossenheit eines Tiers, sondern etwas durchaus Gewolltes, Persönliches. Die Reaktion auf eine Entscheidung, ein Urteil, das gefällt worden war.
Während er in die bleiche Leere starrte, fühlte er sich nackt und klein.
Sie hatten fast die einladende Dunkelheit des Kellers erreicht, als das Wesen verschwand.
Später diskutierte er mit Joyce über die Art und Weise, wie das Wesen verschwunden war. Tom blieb dabei, dass es ganz einfach schlagartig weg gewesen war. Joyce hingegen meinte, es habe sich in einer Weise zur Seite gedreht, die sie nicht beschreiben konnte. »Es bog um eine Ecke, die wir nicht sehen konnten.«
Sie waren sich jedoch darin einig, dass sein Verschwinden abrupt und genauso geräuschlos abgelaufen war wie sein Erscheinen.
Joyce rannte durch den dunklen Keller und zerrte Tom die Treppenstufen hinauf. Er spürte ihr Zittern. Das ist alles meine Schuld, dachte er.
Er ließ sie einen Moment warten, während er das Schließband wieder an der Holztür befestigte. Er suchte in seiner Tasche nach den drei Schrauben und der Geldmünze, um sie einzudrehen, schaffte es bei zweien und ließ die letzte zu Boden fallen. »Mein Gott, Tom!«, stöhnte Joyce. Aber sie hielt mit bebender Hand ein flackerndes Zündholz hoch, während er auf den Knien umherkroch. Die Schraube war unter die Kante der Tür gerollt, und für einen schrecklichen Augenblick dachte er, er müsse das Schließband noch einmal abmontieren, um die letzte Schraube zu retten, was in diesem finsteren, übel riechenden Keller voller Wer-weiß-was-für-schrecklicher-Monstren so gut wie unmöglich wäre, aber dann erwischte er den Kopf der Schraube mit einem Fingernagel und schaffte es, sie herauszuziehen.
Er ging dabei so vorsichtig vor, wie seine zitternden Hände es ihm erlaubten. Er wollte nicht, dass irgendjemand erfuhr, dass er hier gewesen war — obgleich das wahrscheinlich ein Ding der Unmöglichkeit war. Aber die Vorstellung von einem weiteren Hindernis zwischen sich und dem Tunnel, gleichgültig, wie unscheinbar, war beruhigend.
Er drehte die letzte Schraube fest und ließ die Geldmünze wieder in seine Tasche gleiten. Sie stiegen die Treppe zur Vorhalle hinauf. Diesmal ging Joyce voraus.
Er dachte an die obere Tür, die er mit einer Kreditkarte und Joyces Schlüssel geöffnet hatte. Ein entsetzlicher Gedanke: Wenn sie nun zugefallen war? Wenn der Riegel vorgeschnellt war und er sie kein zweites Mal öffnen konnte?
Dann sah er den Lichtstreifen aus der Halle, konnte erkennen, wie Joyce die Hand nach der Tür ausstreckte und sie öffnete. Und sie stolperten zusammen hindurch, standen schwankend im Licht und hielten einander fest.
12
Billys Nerven hatten sich etwas beruhigt, als er nach Hause zurückkam, und zwei Tage lang widerstand er seiner heftigen Gier nach der Rüstung.
Er sagte sich, dass er Zeit zum Nachdenken brauchte; dass er nichts gewinnen konnte, wenn er rein impulsiv handelte.
Die Wahrheit war, dass er vor der Rüstung genauso viel Angst hatte wie vor dem Missbrauch des Tunnels.
Er fürchtete sie genauso, wie er sich nach ihr sehnte.
Die Tage wurden länger, heißer und zunehmend greller. Seine Wohnung war nur sehr sparsam möbliert. Er besaß ein Sofa, ein Messingbett, einen Westinghouse-Fernseher und einen Wecker. Er ließ die Fenster offen, und eine warme Brise spielte mit den Säumen der Spitzenvorhänge. Den endlosen Nachmittag hindurch lauschte Billy dem Ticken der Uhr und dem Lärm des Verkehrs unten auf der Straße.
Er lauschte dem hohlen Klagen seines eigenen unerträglichen Hungers.
Er fürchtete sich vor seiner Rüstung, weil er sie brauchte.
Er würde niemals aufhören, sie zu brauchen… aber es gab eine Tatsache, über die Billy nicht gerne nachdachte: Die Rüstung wurde allmählich alt.
Billy pflegte sie, so gut er konnte. Er hielt die Rüstung sauber und trocken; er ließ regelmäßig die eingebauten Diagnoseprogramme laufen. Aber es gab keine Möglichkeit in dieser verschwenderischen, aber technisch primitiven Epoche, irgendwelche ernsthaften Schäden zu reparieren. Schon jetzt funktionierten einige der komplizierten Mechanismen nur noch sporadisch oder gar nicht mehr. Irgendwann würden die Hauptfunktionen der Rüstung gestört sein, trotz ihrer vielfältigen Sicherungen — und Billy wäre seinem bohrenden Hunger und seinem schrecklichen Bedürfnis ausgeliefert, ohne eine Möglichkeit, dieses Verlangen zu befriedigen oder zu beenden.
Um diese Katastrophe so weit wie möglich hinauszuschieben, hatte Billy sich beigebracht, die Rüstung zu schonen, sie nur ganz sparsam zu benutzen, und dann auch nur so oft, wie sein Körper danach verlangte.
Er widerstand gerade jetzt wieder dem Drang, denn er wollte nachdenken. Er begriff, dass es eine ganze Reihe von Möglichkeiten gab, diese Krise zu meistern. Es war offensichtlich, dass ein anderer Zeitreisender in die Stadt gelangt war. Aber der Zeitreisende konnte irgendjemand oder irgendetwas sein. Er oder es konnte sich für Billy interessieren oder nicht. Vielleicht kümmerte sich niemand um ihn. Vielleicht ließ dieser Eindringling ihn in Ruhe.
Die andere (und, wie Billy glaubte, wahrscheinlichere) Möglichkeit war die, dass der Zeitreisende alles über Billy und die Geheimnisse wusste, die er von der Frau mit dem Glasstück im Kopf erhalten hatte — dass der Zeitreisende ihn bestrafen oder töten wollte. Er hatte keinen Beweis dafür oder für das Gegenteil.
Der Eindringling hatte nicht versucht, seine Anwesenheit zu verbergen, und ein guter Jäger würde das doch auf jeden Fall tun, oder nicht? Es sei denn, der Jäger war so allmächtig, dass er das nicht nötig hatte.
Die Vorstellung erfüllte ihn mit Furcht.
Ich habe zwei Möglichkeiten, dachte Billy.
Weglaufen oder kämpfen.
Weglaufen war problematisch. Oh, er konnte sich in ein Flugzeug nach Los Angeles oder Miami oder London setzen.
Er wusste, wie man das machte. Er konnte sich sein Leben an einem anderen Ort einrichten… zumindest so lange, wie die Rüstung weiterhin funktionierte.
Aber er konnte nicht mit dem Wissen leben, dass sie ihn trotzdem finden könnten — die Zeitreisenden, die Tunnelbauer, die unbekannten anderen. Billy hatte nicht viel dafür übrig, seine restlichen Jahre als Jagdwild zu leben. Vorwiegend deshalb war er in New York geblieben: um den Tunnel im Auge zu behalten, um die Ausgänge zu kontrollieren.
Also musste er kämpfen.
Sicher, er wusste nicht, wer oder was der Eindringling war. Doch das war vermutlich nur eine vorübergehende Schwierigkeit. Ein großer Teil der kriminaltechnischen Funktionen seiner Rüstung war noch intakt. Billy ging davon aus, dass er eine ganze Menge in Erfahrung bringen könnte, wenn er den Tunnel auf Spuren untersuchte.