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Das Gewächshaus sah noch genauso aus, wie sie es in Erinnerung hatte; nur der Himmel über dem Glasdach schimmerte dieses Mal saphirblau. Der reine, frische Duft der Blüten sorgte dafür, dass sie einen klaren Kopf bekam. Sie holte tief Luft und bahnte sich ihren Weg durch das dichte Blatt- und Astwerk.

Jace saß auf der Marmorbank in der Mitte des Gewächshauses. Er hatte den Kopf gesenkt und drehte einen Gegenstand in den Händen. Als sie unter einem Ast hindurchtauchte, schaute er auf und schloss die Finger rasch darum. »Clary.« Er klang überrascht. »Was machst du denn hier?«

»Ich wollte dich sehen«, sagte sie. »Ich wollte wissen, wie’s dir geht.«

»Mir geht’s gut.« Er trug eine Jeans und ein weißes T-Shirt und seine Verletzungen waren kaum noch zu sehen. Natürlich, dachte Clary – die wahren Verletzungen lagen tief in seinem Inneren, verborgen vor den Blicken aller Außenstehenden.

»Was ist das?«, fragte sie und zeigte auf seine zusammengeballte Faust.

Langsam öffnete er die Hand und ein scharfkantiges Stück Silber kam zum Vorschein, das an den Rändern blau und grün schimmerte. »Eine Scherbe des Portals.«

Clary setzte sich neben ihn auf die Bank. »Kannst du irgendwas darin erkennen?«

Er drehte das Bruchstück, ließ das Licht wie Wasser darüberströmen. »Teile des Himmels. Bäume, einen Weg … Ich versuche schon die ganze Zeit, die Scherbe so anzuwinkeln, dass ich unser Haus sehen kann … meinen Vater.«

»Valentin«, verbesserte sie ihn. »Warum willst du ihn sehen?«

»Ich dachte, ich könnte vielleicht erkennen, was er mit dem Kelch der Engel anstellt«, erklärte er zögernd. »Wo er sich befindet.«

»Jace, das ist nicht mehr unsere Aufgabe. Nicht unser Problem. Jetzt, wo der Rat endlich weiß, was passiert ist, und die Lightwoods schon auf dem Weg hierher sind, sollen sie sich darum kümmern.«

In diesem Moment sah er ihr gerade ins Gesicht und Clary fragte sich, wie es sein konnte, dass sie einander so wenig ähnelten, obwohl sie angeblich Bruder und Schwester waren. Hätte sie nicht wenigstens seine langen dunklen Wimpern haben können oder seine hohen Wangenknochen? Irgendwie war das nicht fair.

»Als ich durch das Portal schaute und Idris sah, wusste ich genau, was Valentin vorhatte … dass er versuchte, meinen Willen zu brechen. Aber es war mir egal – ich sehnte mich trotzdem mehr danach, nach Hause zurückzukehren, als ich es mir je hätte vorstellen können.«

Clary schüttelte den Kopf. »Ich versteh nicht, was an Idris so toll sein soll. Es ist doch nur ein Ort. Aber die Art und Weise, wie du und Hodge davon redet …« Sie verstummte.

Erneut schloss er die Hand um die Spiegelscherbe. »In Idris war ich glücklich. Es ist der einzige Ort, an dem ich jemals richtig glücklich gewesen bin.«

Clary pflückte einen Zweig von einem Strauch neben ihr und begann, die Blätter einzeln abzuzupfen. »Hodge hat dir leidgetan, richtig? Deswegen hast du Alec und Isabelle auch nicht erzählt, was er getan hat.«

Jace zuckte die Achseln.

»Irgendwann werden sie es herausfinden«, meinte Clary leise.

»Ich weiß. Aber dann bin ich wenigstens nicht derjenige, der es ihnen gesagt hat.«

»Jace …« Die Oberfläche des Teichs war übersät mit grünen Blättern. »Wie kannst du dort glücklich gewesen sein? Ich weiß, was du geglaubt hast, aber Valentin war ein schrecklicher Vater. Er hat deinen Lieblingsfalken getötet, dich belogen … und ich weiß, dass er dich geschlagen hat. Versuch gar nicht erst, es zu leugnen.«

Ein kleines Lächeln huschte über Jace’ Gesicht. »Nur jeden zweiten Donnerstag.«

»Also wie konntest du dann glücklich sein?«

»Idris war der einzige Ort, an dem ich wusste, wer ich war, wo ich hingehörte. Das mag blöd klingen, aber …« Er zuckte die Achseln. »Ich töte Dämonen, weil es das ist, was ich gut kann, und weil man mich darin unterrichtet hat. Aber das bin nicht ich. Und ich war als Dämonentöter auch nur deshalb so gut, weil ich nach dem Tod meines Vaters nichts mehr zu verlieren hatte. Es gab keine Konsequenzen mehr zu bedenken. Niemanden, der um mich trauern würde. Niemanden, der in meinem Leben eine Rolle spielte.« Sein Gesicht wirkte wie versteinert. »Doch das hat sich jetzt geändert«, fügte er hinzu.

Der Blattstängel war nun vollkommen kahl und Clary warf ihn beiseite. »Wieso?«

»Deinetwegen«, erwiderte er. »Wenn du nicht gewesen wärst, wäre ich mit meinem Vater durch das Portal gegangen. Wenn es dich nicht gäbe, würde ich ihm sogar jetzt noch folgen.«

Clary starrte auf den mit Blättern bedeckten Teich. Ihre Kehle brannte. »Ich dachte, ich würde dich verwirren.«

»Es ist schon so lange her, dass ich eine Familie hatte. Ich glaube, es war die Vorstellung, zu jemandem zu gehören, die mich so durcheinandergebracht hat«, meinte er schlicht. »Du hast mir das Gefühl gegeben, zu dir zu gehören.«

»Ich möchte, dass du mit mir kommst«, sagte Clary abrupt.

Er warf ihr einen Seitenblick zu und die Art und Weise, wie seine flachsblonden Haare ihm dabei in die Augen fielen, erfüllte sie mit einer unerträglichen Traurigkeit. »Wohin?«, fragte er.

»Ich hatte gehofft, du würdest mit mir ins Krankenhaus fahren.«

»Ich wusste es.« Er kniff die Augen zu engen Schlitzen zusammen. »Clary, diese Frau …«

»Sie ist auch deine Mutter, Jace.«

»Ja, ich weiß.« Er nickte. »Aber für mich ist sie eine vollkommen Fremde. Ich habe bisher immer nur einen Elternteil gehabt, meinen Vater, und der ist verschwunden. Auf eine Art, die schlimmer ist, als wenn er tot wäre.«

»Ich weiß. Und ich weiß, dass es keinen Zweck hat, dir zu erzählen, wie toll meine Mom ist … was für eine fantastische, großartige, wundervolle Frau sie ist und dass du dich glücklich schätzen könntest, sie zu kennen. Ich bitte dich auch nicht um deinetwillen, mich zu begleiten, sondern um meinetwillen. Ich glaube, wenn sie deine Stimme hört …«

»Was dann?«

»Dann wacht sie vielleicht aus dem Koma auf.« Sie sah ihn ruhig an.

Er hielt ihrem Blick stand und schließlich breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus – ein schiefes und leicht verschmitztes, aber aufrichtiges Lächeln. »Okay. Ich komm mit.« Er stand auf. »Du brauchst mir nicht aufzuzählen, welche positiven Eigenschaften deine Mutter hat«, fügte er hinzu. »Das weiß ich längst.«

»Ach ja?«

Jace zuckte leicht die Achseln. »Schließlich hat sie dich großgezogen, oder?« Er schaute zum Glasdach hinauf. »Die Sonne ist schon fast untergegangen.«

Clary erhob sich ebenfalls. »Wir brechen am besten sofort auf. Ich ruf uns ein Taxi«, fügte sie hinzu. »Luke hat mir Geld gegeben.«

»Nicht nötig«, erwiderte Jace mit einem breiten Grinsen. »Komm. Ich muss dir was zeigen.«

»Aber … wo hast du das denn her?«, fragte Clary und musterte das Motorrad, das am Rand des Dachs stand. Die Maschine leuchtete in einem glänzenden Giftgrün und besaß silberfarbene Felgen und züngelnde Flammen auf dem Tank.

»Magnus hat sich beschwert, nach der letzten Party habe irgendjemand eine Harley vor seinem Haus stehen gelassen«, erklärte Jace. »Ich konnte ihn davon überzeugen, sie mir zu geben.«

»Und du hast die Maschine hierher geflogen?« Clary starrte ihn an.

»Ja. Ich mausere mich zu einem verdammt guten Fahrer.« Er schwang ein Bein über die Sitzbank und bedeutete Clary, sich hinter ihn zu setzen. »Komm, ich werd’s dir zeigen.«

»Zumindest weißt du dieses Mal, wie das Ding funktioniert«, erwiderte sie und kletterte hinter ihn. »Aber wenn wir wieder auf einem Supermarktparkplatz notlanden, bring ich dich um.«

»Mach dich nicht lächerlich«, entgegnete Jace. »An der Upper East Side gibt’s keine Supermärkte.« Die Harley startete mit einem lauten Röhren, das sein Lachen übertönte. Erschrocken klammerte Clary sich an seinen Gürtel, als das Motorrad über das schräge Dach des Instituts schoss und sich in die Lüfte erhob.

Der Wind zerrte an Clarys Haaren, während sie höher und höher stiegen, über die Kathedrale und die Dächer der umliegenden Hochhäuser hinaus. Und dann sah sie es: Unter ihr lag die Stadt, wie eine achtlos geöffnete Schmuckschatulle, farbenprächtiger und aufregender, als sie jemals gedacht hätte – das smaragdgrüne Quadrat des Central Park, wo der Rat der Elben während der Mittsommernächte zusammentraf; die Lichter der Clubs und Bars, in denen die Vampire die Nacht durchtanzten; die Gassen von Chinatown, durch die die Werwölfe bei Nacht schlichen, zu erkennen nur an den Lichtreflexen der Straßenlaternen auf ihrem dichten Fell; die Hexenmeister mit ihren prachtvollen Fledermausflügeln und den geheimnisvollen Katzenaugen. Und als sie über den Fluss flogen, sah Clary mehrere silberschuppige Schwänze unter der Wasseroberfläche aufblitzen, gefolgt von schimmernden langen Haaren, und hörte das hohe, perlende Lachen der Meerjungfrauen.