„Ich bleibe hier“, sagte Gus Brannhard, „wir werden ja sehen, ob wir aus diesen Leuten noch mehr herausbekommen.“
„Warum rufst du nicht im Hotel an und erzählst Gerd und Ben, was passiert ist?“ fragte Jack. „Gerd hat hier gearbeitet. Vielleicht kann er uns bei der Suche helfen.“
„Gute Idee. Sagen Sie unseren Leuten, sie sollen bei Mallory vorbeifahren und ihn mitbringen.“ Fane wandte sich Jimenez zu. „Kommen Sie jetzt, zeigen Sie uns, wo Sie diese Fuzzys hatten und wie sie entkommen sind.“
„Sie sagten, einer von ihnen sei aus seinem Käfig ausgebrochen und hätte dann die anderen freigelassen“, sagte Jack zu Jimenez, als sie mit dem Lift hinunterfuhren. „Wissen Sie, welcher es war?“
Jimenez schüttelte den Kopf. „Wir haben sie einfach aus den Säcken geholt und in die Käfige gesteckt.“
Wahrscheinlich war es Little Fuzzy gewesen; er war immer das Gehirn der Familie gewesen. Unter seiner Führung hatten sie vielleicht eine Chance. Die Schwierigkeit war nur, daß das ganze Haus von Gefahren wimmelte, die Fuzzys sich gar nicht vorstellen konnten — Strahlung und Gifte und elektrische Drähte und derlei Dinge.
Jimenez führte sie einen engen Gang hinunter, an dessen Ende eine Tür offenstand. In dem kleinen Raum dahinter herrschte ein bläulichweißes Licht von einer Nachtlampe; hinter der Tür stand ein Drehstuhl. Jimenez deutete darauf.
„Auf den müssen sie gestiegen sein, um die Klinke niederzudrücken und die Tür zu öffnen“, sagte er.
Es war eine Klinke wie an den Türen im Camp. Sie hatten gelernt, damit umzugehen. Fane drückte die Klinke versuchsweise nieder.
„Nicht besonders streng“, sagte er. „Sind Ihre kleinen Burschen stark genug, um sie aufzubekommen?“
Jack probierte es und nickte dann. „Klar, und klug genug auch. Selbst Baby Fuzzy hätte das geschafft.“
Fane nickte befriedigt. „Gut, dann wollen wir jetzt sehen, was sie mit den Käfigen angestellt haben.“
Die Käfige befanden sich in einem Raum hinter Jimenez' Büro. Auch dieser Raum besaß ein Türschloß mit einer Klinke, und die Fuzzys hatten einen der Käfige herübergeschleppt und sich daraufgestellt, um die Tür zu öffnen. Die Käfige selbst waren etwa drei Fuß breit und fünf Fuß lang und hatten Sperrholzböden, hölzerne Rahmen und ein viertelzölliges Netz an den Seiten und oben. Die Oberseiten besaßen Scharniere und waren mit Haspen, durchgesteckten Bolzen und aufgeschraubten Muttern befestigt. Die Muttern waren bei fünf Käfigen aufgeschraubt, während der sechste Käfig von innen heraus aufgebrochen war. Bei diesem war das Netz an einer Ecke vom Rahmen gelöst und in einem Dreieck zurückgebogen. Die so entstandene Öffnung war groß genug, um einen Fuzzy hindurchzulassen.
„Ich verstehe das nicht“, sagte Jimenez. „Dieser Draht sieht gerade aus, als wäre er abgeschnitten worden.“
„Das war er auch. Marshal, ich würde an Ihrer Stelle jemand die Hosen strammziehen. Ihre Leute sind bei der Durchsuchung von Gefangenen nicht besonders sorgfältig. Einer der Fuzzys hatte ein Messer.“ Jack erinnerte sich daran, wie Little Fuzzy und Ko-Ko in den Betten herumgewühlt hatten und erzählte von den kleinen Messern aus Federstahl, die er angefertigt hatte. „Ich nehme an, er hat es an sich genommen und sich dann eingerollt, daß es so aussah, als hätte er Angst, als sie ihn in den Sack steckten.“
„Und dann abgewartet, bis er ganz sicher war, daß niemand ihn entdecken würde“, sagte der Marshal. „Dieser Draht ist weich genug, daß man ihn leicht durchschneiden kann.“ Er wandte sich Jimenez zu. „Eigentlich sollten Sie froh sein, daß ich nicht zum Geschworenen, bestimmt werden kann. Warum geben Sie denn nicht auf und lassen Kellogg ein Gnadengesuch stellen?“
Das Zimmer im Hotel Mallory war überfüllt, als Jack Holloway mit Gerd van Riebeek zurückkam; das dort herrschende Stimmengewirr war beträchtlich, und die Ventilatoren mühten sich redlich ab, um den Tabakrauch hinauszupumpen. Gus Brannhard, Ben Rainsford und Baby Fuzzy hielten eine Pressekonferenz ab.
„Oh, Mr. Holloway!“ rief jemand, als er eintrat. „Haben Sie sie schon gefunden?“
„Nein, wir haben das Wissenschaftscenter vom Boden bis zur Decke durchsucht. Wir wissen jetzt, daß sie ein paar Stockwerke tiefer gegangen sind, aber das ist alles. Ich glaube nicht, daß sie das Haus verlassen konnten, denn der einzige Ausgang in Straßenhöhe geht durch eine Halle, wo ein Portier Dienst hatte.“
„Aber ich gehe doch in der Annahme nicht fehl, daß Sie die Suche noch nicht aufgegeben haben?“
„Sprechen wir jetzt über den Sender? Nein, die habe ich allerdings nicht aufgegeben; ich bleibe hier in Mallorys Port, bis ich sie entweder finde oder davon überzeugt bin, daß sie sich nicht in der Stadt befinden. Und ich biete demjenigen, der einen oder alle zu mir zurückbringt, eine Belohnung von je zweitausend Sol.“
Victor Grego zog den Stopfen aus der Flasche.
„Mehr?“ fragte er Leslie Coombes.
„Ja, danke.“ Coombes hielt sein Glas hin, bis es gefüllt war. „Wie Sie sagen, Victor, Sie haben die Entscheidung getroffen, aber Sie haben es auf meinen Rat hin getan, und der Rat war schlecht.“
Victor Grego konnte dagegen — nicht einmal aus Höflichkeit — nichts einwenden. Er hoffte nur, daß der Schaden in Grenzen blieb. Jedenfalls versuchte Leslie nicht, jemand den Schwarzen Peter zuzustecken, und wenn man bedachte, wie ungeschickt O'Brien sich verhalten hatte, hätte man ihm das nicht einmal übelnehmen können.
„Ich bin von falschen Voraussetzungen ausgegangen“, sagte Coombes, als spräche er über irgendeinen Schulfall. „Ich hatte gedacht, daß O'Brien keine dieser Blankovollmachten benützen würde, und ich hatte ferner nicht geglaubt, daß Pendarvis öffentlich zugeben würde, daß er solche Vollmachten blanko unterzeichnete. Die Presse hat ihn dafür schwer kritisiert.“
„Dann ist O'Brien also erledigt?“ fragte Grego.
„Völlig. Pendarvis hat ihm die Alternative gestellt, zurückzutreten oder eine Anzeige wegen Amtsmißbrauchs über sich ergehen zu lassen.“
„Das Schlimmste von allem ist, daß Pendarvis jetzt gegen uns eingestellt ist. Ich weiß, daß er völlig objektiv urteilt, aber das ändert nichts daran, daß er im Unterbewußtsein gegen uns sein wird. Er hat für morgen nachmittag eine Konferenz mit Brannhard und mir einberufen. Ich weiß nicht, wie sie ausgehen wird.“
11.
Die beiden Anwälte hatten sich hastig erhoben, als Oberrichter Pendarvis eintrat; er nickte beiden höflich zu und setzte sich an seinen Tisch. Dann griff er nach der silbernen Zigarrenkiste und holte eine Panatella heraus. Gus Brannhard hob die Zigarre auf, die er beiseite gelegt hatte und machte ein paar Züge. Leslie Coombes holte eine Zigarette aus seinem Etui. Die beiden Anwälte sahen ihn an und warteten.
„Nun, meine Herren, Sie wissen, daß wir hier zwei Mordfälle haben und keine Anklagevertreter dafür“, begann Pendarvis.
„Aber warum denn, Euer Ehren?“ fragte Coombes.
„Beide Anzeigen sind doch alles andere als ernsthaft zu werten. Ein Mann hat ein wildes Tier getötet und der andere hat einen Mann getötet, der versuchte, ihn zu töten.“
„Nun, Euer Ehren, ich glaube nicht, daß meinen Mandanten juristisch oder moralisch irgendeine Schuld trifft“, sagte Brannhard. „Ich möchte, daß das durch einen Freispruch bestätigt wird.“ Er sah Coombes an. „Ich möchte annehmen, daß Mr. Coombes ebenso daran interessiert ist, daß sein Mandant von jeder Spur einer Mordanklage reingewaschen wird.“