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»Mein altes Herz versinkt in Trauer, wenn ich nur daran denke.«

»Ich werde dich schrecklich vermissen, Lawrence.«

Firethorn betrachtete seine Frau, die neben ihm im Bett lag, und er erblickte die wollüstige junge Frau, die er vor all diesen Jahren umworben hatte. Die Zeit hatte tiefe Linien in ihr Gesicht gegraben, die Geburten waren unsanft mit ihrem Körper umgegangen, doch auf ihre Art war sie eine erstaunliche Person mit runden Formen, die wie in alten Zeiten locken und erregen konnten. Firethorn hatte die Liebe von einfachen Dienstmädchen entflammt und die Lüsternheit höfischer Schönheiten erregt, wenn er sich kopfüber in seine ehebrecherischen Abenteuer stürzte, doch er war immer wieder zu den reiferen Reizen seiner Frau zurückgekehrt und fragte sich in diesem seltenen Moment der Gewissensbisse, wie er sie eigentlich jemals hatte verlassen können.

Margery gab ihm Freuden, die über bloße Befriedigung hinausgingen; das war etwas, das es zu bewahren galt. Als sie jetzt in einer Haltung vollständiger Offenheit neben ihm lag, war sie so unwiderstehlich wie in ihrer Hochzeitsnacht, in der sie die Bettfedern bis zur Morgendämmerung in Bewegung gebracht hatten. Die Strahlen des Mondes, die durch das Fenster fielen, malten jetzt ein noch schöneres Bild von ihr.

Lawrence Firethorn zog sie an sich.

»Komm näher, meine Liebe. Wir brauchen einander.«

»Einen Moment, Sir«, sagte Margery, die die praktischen Dinge vorher erledigt haben wollte. »Wovon soll ich leben, wenn mein Ehemann abwesend ist?« 

»So tugendhaft, als ob er zu Hause wäre.«

»Ich sprach von Haushaltsgeld, Lawrence.«

»Ich werde für dich sorgen, mein Engel.«

»Wie denn?« drängte sie.

»Der Haushalt wird viel kleiner sein, wenn ich weg bin«, sagte er. »Ich nehme die Untermieter, Lehrlinge und so weiter mit mir. Dann bist du mit den Kindern und den Dienstboten allein.«

»Kinder und Dienstboten müssen essen, Sir.«

»Das werden sie auch. Jeden Tag, regelmäßig.«

»Also werde ich Geld bekommen?«

»Aber natürlich, Margery«, sagte er und streichelte ihre Schenkel im Vorgriff auf die gemeinsamen Freuden. »Ich gebe dir alles, was ich geben kann. Dessen kannst du sicher sein.«

»Und was ist, wenn das nicht reicht?«

»Sei sparsam, Frau, und alles wird gut sein.«

»Selbst Sparsamkeit hat ihren Preis.«

»Mach dir keine Sorgen, meine Süße.«

»Dann gib mir Sicherheit.«

»Das werde ich, das werde ich«, sagte er und ließ seine Hand zu ihrer vollen Brust wandern. »Während ich weg bin, werde ich dir Geld schicken. Und wenn das nicht reicht, nun, dann mußt du sonstwie Geld herbeischaffen.«

»Zeigt mir, wie ich das machen soll, Sir.«

»Verkauft meinen zweitbesten Mantel.«

Margery war gerührt. Sie wußte genau, wieviel ihm seine feinen Kleider bedeuteten, und daß er sich lieber einen Finger abhacken lassen würde, als sich davon zu trennen. Der Mantel, ein großartiges Kleidungsstück, war mit gelber, grüner, blauer und roter Seide verziert und mit Steifleinen gefüttert - ein Geschenk von Lord Westfield persönlich und dem Mantel irgendeines Adeligen durchaus ebenbürtig.

»Sprecht Ihr die Wahrheit, Lawrence? Darf ich den verkaufen?«

»Nur, wenn es aus Not geschieht.«

»Werdet Ihr mich deshalb auch nicht ausschimpfen?«

»Euer Wohlergehen muß wichtiger sein als meine Eitelkeit.«

»Das erfreut mich mehr, als ich Euch sagen kann.«

Das war der rechte Augenblick, sich den Preis zu sichern. Firethorn griff unter das Kissen, nahm den Ring, den er dort vorsorglich versteckt hatte, und schob ihn ihr symbolisch über den dritten Finger ihrer linken Hand. Der Rubin verzauberte sie.

»Ist der für mich?«

»Für wen wohl sonst? Trag ihn, bis ich zurückkehre.«

»Nichts kann mich dazu bringen, ihn abzulegen.«

»Er ist ein Unterpfand meiner Bewunderung«, sagte er und schob ihre Schenkel mit sanfter Gewalt auseinander. »Laß ihn ein immerwährendes Erinnerungsstück der Liebe sein, die ich für dich empfinde. Ein wertvolles Juwel, zum Zeichen, daß du der größte Schatz meines Lebens bist. Ein immerwährender Tribut der Schönsten ihres Geschlechts.« Sie gab ihm einen Kuß, der ihn auflodern und allen gesunden Menschenverstand vergessen ließ. Seine Stimme war von verheerender Lässigkeit. »Und wenn das Schlimmste passiert, dann verkaufst du den Ring eben auch noch.«

Unter ihm explodierte ein Vulkan.

Das Bett knarrte heftig, aber nicht aus Wollust.

*

Bankside verabschiedete die scheidenden Thespisjünger auf liebenswertere Weise. Nicholas Bracewell setzte nächtliche Freuden nicht so leichtfertig aufs Spiel. Weil solche Ereignisse selten in seinem Leben waren, hatte er sich dazu erzogen, sie einfach zu genießen und jeden Gedanken an die Welt um ihn herum zu verbannen. Erst danach - als sie beide in träger Haltung Seite bei Seite auf dem Bett lagen - wandte er seine Gedanken der rauhen Wirklichkeit zu.

»Werdet Ihr in London bleiben, Anne?«

»Wenn die Pest nicht schlimmer wird.«

»Darauf deutet aber alles hin.«

»In diesem Fall besuche ich Verwandte auf dem Lande.«

»Ihre Cousinen in Dunstable?«

»Oder meinen Onkel in Bedford. Vielleicht sogar meinen Onkel in Nottingham. Ich besuche einen, zwei oder sogar alle drei, bevor ich hierbleibe und mir die Pest hole.«

»Meint Ihr vielleicht mich damit?«

»Ich bekomme Fieber, wenn Ihr in meiner Nähe seid, Nick.«

Anne Hendrik war eine der ungewöhnlicheren Bewohnerinnen von Bankside. In einer Gegend, die für ihre Bordelle, Spielhöllen, Bierschwemmen und ihr billiges Nachtleben berühmt war, besaß sie ein achtbares Haus und ein erfolgreiches Geschäft. Sie war geborene Engländerin, Witwe von Jakob Hendrik, einem gewissenhaften Holländer, der als gelernter Hutmacher nach London gekommen war, nur, um schon bald zu entdecken, daß die städtischen Zünfte alles dransetzten, um ihn und seine Landsleute von ihrer eifersüchtigen Vereinigung fernzuhalten. So war er gezwungen, sich mit seinem Geschäft außerhalb der Stadtgrenzen niederzulassen, machte Southwark zu seinem Zuhause und Anne zu seiner Frau.

In ihrer fünzehnjährigen, glücklichen Ehe hatten sie keine Kinder bekommen. Anne erbte ein schönes Haus, ein florierendes Geschäft und die Überzeugung ihres Gatten, daß Arbeit an sich Wert und Würde verlieh. Außerdem erbte sie Nicholas Bracewell.

»Welche Ortschaften werdet Ihr besuchen?« fragte sie.

»Die Einzelheiten müssen noch entschieden werden.«

»In welche Richtung reist Ihr?«

»Nach Norden, Anne.«

»Vielleicht kommt Ihr dann ja auch einmal nach Dunstable?«

»Oder nach Bedford, oder nach Nottingham. Oder wo Ihr sonst eventuell sein könntet. Wenn ich im selben Bezirk bin wie Ihr, werde ich eine Möglichkeit finden, Euch zu treffen.«

Anne küßte ihn zärtlich auf die Wange und kuschelte sich an ihn. Während der Zeit, in der er in ihrem Haus gewohnt hatte, war Nicholas mehr als ein Freund geworden. Nur gelegentlich teilten sie das Bett miteinander, doch waren ihre Leben dennoch eng miteinander verknüpft. Er fühlte sich zu der großen, anmutigen, attraktiven Frau hingezogen, die einen so erfrischenden Eindruck von Unabhängigkeit machte, und sie ließ sich von seinem Humor, seiner Klugheit und ruhigen Kraft faszinieren. Noch nie hatte sie jemanden getroffen, der trotz seiner vielen guten Eigenschaften so bescheiden war. Obwohl er bei der Theatergesellschaft nur angestellt war, hatte Nicholas sich unersetzlich gemacht und Pflichten und Aufgaben übernommen, die normalerweise nicht zur Arbeit eines Regisseurs gehörten.         

Anne, die sich für das Theater interessierte, nahm lebhaften Anteil an allen Vorgängen bei Westfield's Men und war über die wechselnde Mannschaft gut informiert. Sie hatte die letzte Vorstellung des »Beständigen Liebhabers« besucht und wollte jetzt wissen, wer aus dem Ensemble mitgehen würde.