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Sie kamen in einem Obstgarten heraus, in dem die Bäume mit ihren leuchtend grünen Frühlingsblättern in ordentlichen Reihen standen. Zwischen den Bäumen hindurch kamen sie schließlich zur Klostermauer. Sie war vier Meter hoch, zu hoch, um darüber zu klettern. Aber sie kletterten auf die Bäume und von dort auf die Mauerkrone und sprangen auf der anderen Seite zu Boden. Direkt vor ihnen lag ein dichter Wald. Sie liefen darauf zu und tauchten wieder einmal in das dunkle Laubwerk ein.

Im ITC-Labor trat David Stern ein paar Schritte von dem Prototypen weg. Er sah sich das kleine, mit Klebeband umwickelte elektronische Bündel an, das er in den letzten fünf Stunden gebaut und getestet hatte. »Das war's«, sagte er. »Damit können wir ihnen eine Nachricht schicken.«

Es war inzwischen Nacht geworden; vor den Fenstern des Labors war es dunkel. »Wie spät ist es bei denen?« fragte er.

Gordon zählte es an den Fingern ab. »Sie sind um acht Uhr morgens angekommen. Inzwischen sind siebenundzwanzig Stunden vergangen.

Also ist es jetzt elf Uhr vormittags am nächsten Tag.«

»Okay. Das sollte okay sein.«

Stern hatte es geschafft, dieses elektronische Kommunikationsgerät zu bauen, obwohl Gordon stur darauf beharrt hatte, daß das unmöglich sei. Gordon hatte gesagt, man könne ihnen keine Nachricht schicken, weil man nicht wisse, wo die Maschine lande. Statistisch gesehen, war es mehr als wahrscheinlich, daß die Maschine an einem Ort landen würde, wo sie sich nicht befanden. Sie würden diese Nachricht deshalb nie sehen. Das zweite Problem war, daß man keine Möglichkeit hatte, herauszufinden, ob sie die Nachricht erhalten hatten oder nicht. Aber Stern hatte diese beiden Probleme auf höchst simple Art gelöst. Seine Vorrichtung bestand aus einem Sender-Empfänger-Ohrstöpsel, wie jene, die seine Freunde bereits trugen, und zwei kleinen Kassettenrecordern.

Der eine Recorder enthielt die Nachricht, die über den Ohr-

Stöpselsender ausgestrahlt wurde. Der zweite Recorder nahm jede Nachricht auf, die an den Ohrstöpselempfänger übermittelt wurde. Das ganze Ding war, wie Gordon es bewundernd nannte, ein Mul-tiversums -Anrufbeantworrer.

Stern sprach nun folgende Nachricht auf den ersten Recorder: »Hier ist David. Ihr seid jetzt siebenundzwanzig Stunden weg. Versucht nicht, früher als in fünf Stunden zurückzukommen. Erst dann sind wir wieder für euch bereit. Aber teilt uns mit, ob bei euch alles in Ordnung ist. Redet einfach, was ihr sagt, wird aufgenommen. Macht's gut und bis bald.«

Stern hörte die Nachricht noch einmal ab und sagte dann: »Okay, dann wollen wir's mal losschicken.«

Gordon drückte einige Knöpfe auf der Kontrollkonsole. Die Maschine begann zu summen und erstrahlte in blauem Licht.

Als Stern Stunden zuvor mit der Arbeit an diesem Gerät begonnen hatte,

war seine einzige Sorge die gewesen, daß seine Freunde wahrscheinlich gar nicht wußten, daß sie nicht zurückkehren konnten.

Er konnte sich gut vorstellen, daß sie in eine Notlage gerieten,

vielleicht von allen Seiten angegriffen wurden, und im letzten

Augenblick die Maschine riefen, weil sie ja annahmen, daß sie sofort zurückkehren konnten. Stern dachte deshalb, man sollte ihnen mitteilen,

daß sie, zumindest im Augenblick, nicht zurückkehren konnten.

Das war seine erste Sorge gewesen. Doch jetzt hatte er eine zweite,

noch viel größere Sorge. Die Luft in der Höhle war seit ungefähr sechzehn Stunden ausgetauscht. Jetzt befanden sich Arbeitstrupps in der

Höhle, die den Transitbereich wiederaufbauten. Auch die

Kontrollkabine war seit vielen Stunden wieder bemannt, die Monitore wurden beständig überwacht.

Aber es hatte noch keine Feldanomalien gegeben.

Was bedeutete, daß es noch keinen Rückkehrversuch gegeben hatte.

Und Stern hatte das Gefühl - natürlich würde es niemand direkt sagen,

vor allem Gordon nicht —, daß einige Leute bei ITC dachten, mehr als vierundzwanzig Stunden ohne Feldanomalie seien ein schlechtes

Zeichen. Er spürte, daß eine große Fraktion innerhalb der Firma glaubte, das Team sei bereits tot.

Stern ging es mit seiner Maschine also weniger darum, ob eine Nachricht geschickt werden konnte, als vielmehr darum, ob eine empfangen werden konnte. Denn das wäre ein Beweis, daß das Team noch am Leben war.

Stern hatte seine Vorrichtung mit einer auf einem Ratschenmechanismus beweglich gelagerten Antenne versehen, so daß sie unterschiedlich ausgerichtet werden konnte. Die Botschaft würde dreimal in drei verschiedene Richtungen ausgestrahlt werden, und das Team würde so drei Möglichkeiten zu einer Antwort bekommen. Danach würde die Maschine automatisch in die Gegenwart zurückkehren, so wie vor Jahren die Kamera. »Jetzt geht's los«, sagte Gordon. Unter Laserblitzen schrumpfte die Maschine.

Stern wartete ungeduldig und nervös. Nach zehn Minuten kehrte die Maschine zurück. Kalter Dampf zischte über den Boden, als er seine Vorrichtung aus der Maschine nahm, das Klebeband abriß und den Rückspulknopf drückte. Seine Nachricht wurde abgespielt. Es kam keine Antwort.

Die Nachricht wurde noch einmal abgespielt.

Wieder keine Antwort. Nur statisches Rauschen, aber sonst nichts.

Gordon starrte Stern mit ausdruckslosem Gesicht an. Stern sagte: »Es gibt viele denkbare Erklärungen ...«

»Natürlich, David, natürlich.«

Die Nachricht lief ein drittes Mal.

Stern hielt den Atem an.

Wieder statisches Rauschen, und dann, in der Stille des Labors, Kates

Stimme: »Habt ihr Jungs gerade was gehört?«

Marek: »Von was redest du?«

Chris: »Himmel, Kate, schalt deinen Ohrstöpsel aus.«

Kate: »Aber -«

Marek: »Schalt ihn aus.«

Wieder Rauschen. Keine Stimmen mehr.

Aber das Wesentliche war erreicht.

»Sie sind am Leben«, sagte Stern.

»Das sind sie auf jeden Fall, ja«, sagte Gordon. »Jetzt wollen wir doch mal sehen, wies unten im Transitbereich aussieht.« Doniger ging in seinem Büro auf und ab und probte seine Formulierungen, seine Gesten und Bewegungen. Er hatte einen Ruf als fesselnder, charismatischer Redner, aber Kramer wußte, daß nichts daran spontan war. Es war eher das Ergebnis langer Vorbereitung. Bewegungen, Formulierungen, Gesten — Doniger überließ nichts dem Zufall.

Früher hatte Kramer sich über sein Verhalten gewundert: Sein endloses obsessives Proben für jeden öffentlichen Auftritt schien merkwürdig bei einem Mann, dem es in den allermeisten Situationen ziemlich egal war, wie er auf andere wirkte. Schließlich erkannte sie jedoch, daß Doniger das Reden in der Öffentlichkeit genoß, weil es so unverhohlen manipulativ war. Er war überzeugt davon, daß er intelligenter war als jeder andere, und eine überzeugende Rede — »Die merken überhaupt nicht, was mit Ihnen passiert« — war für ihn nur eine weitere Möglichkeit, das zu beweisen.

Jetzt ging Doniger auf und ab und benutzte Kramer als Testpublikum. »Wir werden alle von der Vergangenheit beherrscht, auch wenn das niemandem bewußt ist. Niemand erkennt die Macht der Vergangenheit«, sagte er mit weit ausholender Handbewegung.

»Aber wenn man darüber nachdenkt, wird man begreifen, daß die Vergangenheit viel wichtiger ist als die Gegenwart. Die Gegenwart ist wie eine Koralleninsel, die über das Wasser hinausragt, aber aufgebaut ist aus Millionen toter Korallen unter der Oberfläche, die niemand sieht. Genauso ist unsere alltägliche Welt aufgebaut aus Abermillionen von Ereignissen und Entscheidungen der Vergangenheit. Was wir in der Gegenwart hinzufügen, ist trivial.

Ein Teenager ißt sein Frühstück und geht dann in einen Laden, um die neueste CD einer Band zu kaufen. Der Junge denkt, er lebt ausschließlich in seiner modernen Zeit. Aber wer definierte, was eine >Band< ist? Wer definierte >Laden<? Wer definierte >Teenager<? Oder >Frühstück<? Ganz zu schweigen vom gesamten sozialen Umfeld des Jungen - Familie, Schule, Bekleidung, Transport und Regierung.