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Kate glitt vom Sattel zu Boden. Der Ritter bellte einen Befehl, und ein Mann mit einer Fahne mit diagonalen roten und weißen Streifen kam herbeigelaufen. Er untersuchte Kates Kopfverletzung, reinigte sie, stillte die Blutung und verband sie mit Leinenstreifen.

Unterdessen stieg der Ritter ab, schnürte seinen Helm auf und nahm ihn ab. Er war ein großer, kräftiger Mann, außergewöhnlich gutaussehend und schneidig, mit dunklen, welligen Haaren, einem vollen, sinnlichen Mund und einem Funkeln in den Augen, das seine Belustigung über die Torheiten dieser Welt auszudrücken schien. Seine Haut war dunkel, er wirkte irgendwie spanisch.

Als Kate verbunden war, lächelte der Ritter und zeigte perfekte weiße Zähne. »Wenn Ihr mir die große Ehre erweisen wollt, mich zu begleiten.«

Er führte sie zurück zum Kloster und seiner Kirche. An der Seitentür der Kirche standen eine Gruppe Soldaten und ein Reiter, der das grünschwarze Banner des Arnaut de Cervole trug.

Als sie auf die Kirche zugingen, verbeugten sich die Soldaten vor dem

Ritter und sagten: »Mylord ... Mylord.«

Chris, der hinter Kate ging, stieß sie an. »Das ist er.«

»Wer?«

»Arnaut.«

»Dieser Ritter? Willst du mich auf den Arm nehmen?«

»Schau nur, wie die Soldaten sich verhalten.«

»Arnaut hat uns das Leben gerettet«, sagte Kate.

Chris war sich der Ironie des Ganzen durchaus bewußt. In modernen historischen Darstellungen über diese Zeit erschien Sir Oliver beinahe als Soldatenheiliger, während Cervole als schwarze Gestalt beschrieben wurde, als »einer der größten Bösewichter seiner Zeit«,

wie ein Historiker es nannte. Doch anscheinend war das genaue

Gegenteil der Fall. Oliver war ein verachtenswerter Schurke, und

Cervole das Musterbeispiel eines Ritters — dem sie nun ihr Leben verdankten.

Kate fragte: »Was ist mit Andre?« Chris schüttelte den Kopf. »Bist du sicher?«

»Ich glaube schon. Ich glaube, ich habe ihn im Fluß treiben sehen.« Kate sagte nichts.

Vor der Kirche von Sainte-Mere standen lange Schlangen von Männern mit auf den Rücken gefesselten Händen, die offensichtlich in das Gotteshaus gebracht werden sollten. Es waren vorwiegend Soldaten Olivers in Kastanienbraun und Grau und ein paar Bauern in derber Tracht. Chris schätzte, daß es etwa vierzig bis fünfzig an der Zahl waren. Die Männer starrten sie mürrisch an, als sie vorbeigingen. Einige waren verletzt, und alle wirkten sehr erschöpft. Ein Mann, ein Soldat in Kastanienbraun, sagte sarkastisch zu einem anderen: »Dort geht der Bastard von Narbonne. Er tut die Arbeit, die sogar Arnaut zu schmutzig ist.«

Chris versuchte noch, diese Bemerkung zu verstehen, als der gutaussehende Ritter wütend herumwirbelte. »Was sagst du?« rief er, packte den Mann bei den Haaren, riß ihm den Kopf hoch und schlitzte ihm mit seinem Dolch die Kehle auf. Blut spritzte dem

Mann über die Brust, doch er blieb aufrecht stehen und gab nur ein röchelndes Geräusch von sich.

»Das war deine letzte Beleidigung«, sagte der Ritter. Er stand da, lächelte den Mann an, sah zu, wie sein Blut aus ihm herausfloß und grinste, als die Augen des Mannes sich vor Entsetzen weiteten. Doch noch immer stand er. Für Chris schien es ewig zu dauern, doch es waren nur dreißig oder vierzig Sekunden. Der gutaussehende Ritter sah einfach nur schweigend zu, ohne sich zu rühren. Nicht eine Sekunde schwand das Lächeln aus seinem Gesicht.

Schließlich fiel der Mann auf die Knie, mit gesenktem Kopf, als würde er beten. Der Ritter schob dem Mann seelenruhig den Fuß unter das Kinn und trat zu. Der Mann kippte nach hinten. Sein To-desröcheln dauerte noch etwa eine Minute. Schließlich starb er. Der Ritter bückte sich, wischte seinen Dolch am Beinling des Toten ab und seinen blutigen Schuh an dessen Wams. Dann nickte er Chris und Kate zu.

Gemeinsam mit ihm betraten sie die Kirche von Sainte-Mere. Dichter Rauch hing im Innenraum. Der Boden war nur eine weite, leere Fläche, Bänke oder Stuhlreihen würde es erst in zweihundert Jahren geben. Sie standen im hinteren Teil der Kirche, zusammen mit dem gutaussehenden Ritter, dem es nichts auszumachen schien zu warten. Auf einer Seite sahen sie mehrere Soldaten, die flüsternd die Köpfe zusammensteckten.

Ein einzelner Ritter in voller Rüstung kniete betend in der Mitte der Kirche.

Chris wandte sich wieder den anderen Rittern zu. Sie schienen sich mitten in einem hitzigen Disput zu befinden, ihr Flüstern klang sehr erregt. Aber er konnte sich nicht vorstellen, worum es ging. Während sie warteten, spürte Chris, daß ihm etwas auf die Schulter tropfte. Als er den Kopf hob, sah er direkt über sich einen Mann an einem Strick baumeln. Er drehte sich langsam um die eigene Achse, Urin lief ihm am Bein herab. Chris ging ein paar Schritte von der Wand weg und sah ein halbes Dutzend Leichen, die, mit auf den Rücken gefesselten Händen, an Stricken von der Empore hingen. Drei von ihnen trugen den rotbraunen Überwurf Olivers, zwei trugen Bauernkleidung und der letzte die weiße

Kutte eines Mönchs. Zwei Männer saßen auf dem Boden der Empore und sahen stumm und anscheinend ihrem Schicksal ergeben zu, wie weitere Stricke an den Balustern befestigt wurden.

Nun bekreuzigte sich der Betende und stand auf. Der gutaussehende

Ritter sagte: »Mylord Arnaut, hier sind die Gehilfen.«

»Äh? Was sagt Ihr da? Gehilfen?«

Der Ritter drehte sich um. Arnaut de Cervole war etwa fünf-unddreißig Jahre alt und drahtig, er hatte ein schmales, unangenehmes, verschlagenes Gesicht. Außerdem hatte er einen Tick: Seine Nase zuckte dauernd, was ihn aussehen ließ wie eine schnuppernde Ratte. Seine Rüstung war blutbespritzt. Er sah sie mit gelangweiltem, trägem Blick an. »Ihr sagt, sie sind Gehilfen, Raimondo?« »Ja, Mylord. Die Gehilfen von Magister Edwardus.« »Aha.« Arnaut ging um sie herum. »Warum sind sie naß?« »Wir haben sie aus dem Fluß gezogen, Mylord«, antwortete Raimondo. »Sie waren in der Mühle und konnten im letzten Augenblick entkommen.«

»Tatsächlich?« Arnaut war nun nicht mehr gelangweilt. Seine Augen blitzten interessiert. »Ich bitte Euch, sagt mir, wie habt Ihr die Mühle zerstört?«

Chris räusperte sich und sagte: »Mylord, das haben wir nicht.«

»Was?« Arnaut runzelte die Stirn. Dann sah er die anderen Ritter an.

»Was für eine Sprache ist das? Er ist nicht zu verstehen.«

»Mylord, es sind Iren, oder vielleicht Hebriden.«

»Oh? Dann sind sie keine Engländer. Das spricht zu ihren Gunsten.« Er umkreiste sie, starrte ihnen dann ins Gesicht. »Versteht Ihr mich?«

Chris sagte: »Ja, Mylord.« Das schien angekommen zu sein.

»Seid Ihr Engländer?«

»Nein, Mylord.«

»Fürwahr, Ihr seht auch nicht so aus. Ihr seht zu sanft und unkriegerisch aus.« Er musterte Kate. »Seine Haut ist so frisch wie die eines jungen Mädchens. Und der da...« Er drückte Chris' Bizeps. »Er ist ein Schreiber oder ein Gelehrter. Und auf keinen Fall Engländer.« Arnaut schüttelte den Kopf, seine Nase zuckte. »Denn die Engländer sind Wilde«, sagte er so laut, daß seine Stimme in der verräucherten Kirche widerhallte. »Stimmt Ihr mir zu?«

»Das tun wir, Mylord«, erwiderte Chris.

»Die Engländer kennen nichts anderes als endlose Unzufriedenheit und unaufhörlichen Streit. Immer ermorden sie ihre eigenen Könige; das ist ihr wilder Brauch. Unsere normannischen Brüder haben sie unterworfen und versucht, ihnen etwas Zivilisation beizubringen, aber das ist ihnen natürlich nicht gelungen. Das sächsische Blut ist Barbarenblut. Ihre größte Freude ist Zerstörung, Tod und Marter. Und da es ihnen nicht genügt, daß sie sich auf ihrer elenden Insel gegenseitig bekämpfen, fuhren sie ihre Armeen hierher, in dieses friedvolle und blühende Land, und bringen Elend und Verwüstung über ein einfaches Volk. Stimmt Ihr mir zu?« Kate nickte und verbeugte sich leicht.