Выбрать главу

»Hilfe!« schrie Carmody, als der Verdauungssaft begann seine Schuhsohlen aufzulösen. »Seetwright, Hilfe!«

»Hilf ihm, hilf ihm«, schluchzte der Preis. »Oder, falls das zu schwierig sein sollte, hilf mir! Hol mich hier raus, und ich werde Anzeigen in allen führenden Zeitungen aufgeben, Komitees gründen, Poster plakatieren lassen, alles, um dafür zu sorgen, daß Carmody nicht ungerächt bleibt. Und weiter will ich mich verpflichten . . .«

»Hör auf zu jammern«, sagte eine Stimme, die Carmody als die von Mr. Seethwright erkannte. »Das gehört sich nicht. Und was Sie angeht, Mr. Carmody, ich muß Sie doch bitten, in Zukunft etwas mehr acht zu geben, bevor Sie Ihrem Jäger ins offene Maul laufen. Mein Büro ist nicht auf dramatische Rettungsaktionen eingerichtet.«

»Aber Sie werden mich doch diesesmal retten, das machen Sie doch«, bettelte Carmody. »Mr. Seethwright, ja?«

»Es ist schon alles erledigt«, sagte Seethwright. Und als Carmody sich umblickte, bemerkte er, daß wirklich schon alles erledigt war.

XXV

Seethwright mußte irgend etwas bei der Transition falsch gemacht haben, denn nach einer kaum wahrnehmbaren Bewußtseinstrübung, fand sich Carmody auf dem Rücksitz eines Taxis wieder. Er befand sich in einer Stadt sehr wie New York, und er schien gerade mitten in einer Unterhaltung zu sein.

»Was ham'se jesagt?« fragte der Taxifahrer.

»Ich habe nicht das geringste gesagt«, antwortete Carmody.

»Oh. Ich dachte, Sie würden jerade etwas sajen, dachte ich. Na, wat ich saje is, das ich jerade jesagt hab, das dat da hinten dat Flammarion-Jebäude is.«

»Ich weiß«, sagte Carmody. »Ich habe am Bau mitgearbeitet.«

»Tatsache? Tollen Job ham' se da jehabt. Aber nu sin' se wohl fertij?«

»Ja«, sagte Carmody. Er nahm die Zigarette aus dem Mund und besah sie sich stirnrunzelnd. »Und mit dieser Marke bin ich auch fertig.« Er schüttelte den Kopf und warf die Zigarette aus dem Fenster. Diese Worte und Handlungen schienen einem Teil seines Bewußtseins völlig natürlich und angemessen (dem handelnden Bewußtsein). Aber ein anderer Teil (das reflektierende Bewußtsein) sah dem allen mit wachsendem Amüsement zu.

»Hätten 'se doch jleich sajen können«, sagte der Fahrer. »Hier, versuchen Sie doch mal eine von meinen.«

Carmody blickte auf die offene Packung in der Hand des Fahrers. »Sind das nicht die neuen Kools?«

»Die rauche ich immer«, verkündete der Taxifahrer. »Kools haben dieses leichte Aroma von Menthol und den niedrigen Teerwert.«

Carmody zog die Augenbrauen hoch, um Unglauben zu demonstrieren. Trotzdem nahm er das Päckchen entgegen, zog eine Zigarette heraus und steckte sie sich an. Der lächelnde Fahrer beobachtete ihn im Rückspiegel. Carmody inhalierte, blickte überrascht drein und angenehm berührt, atmete langsam den Rauch aus und lehnte sich entspannt zurück.

»Ja«, sagte Carmody. »Das ist eine Zigarette.«

Der Fahrer nickte zufrieden. »Wir Kools-Raucher erkennen uns am Geschmack. Kools, das ist es, was ein Mann heute braucht . . . so, da sin' mer. Dat Waldorf-Astoria!«

Carmody zahlte und stieg aus. Der Fahrer lehnte sich strahlend zurück und winkte. »He, Mister!« rief er. »Was wird aus meinen Kools?«

»Oh!« entschuldigte seih Carmody. Er gab die Packung zurück, und die beiden lächelten sich an. Dann fuhr das Taxi davon, und Carmody stand vor dem Waldorf-Astoria.

Er trug einen gefütterten Burberry-Mantel mit Steppnähten. Er wußte das so genau, weil er das Etikett lesen konnte, das sich statt wie üblich innen im Kragen außen am Ärmel angenäht befand und mindestens doppelt so groß wie normal war. Als er jetzt darauf achtete, bemerkte er, daß alle seine Etiketten außen angebracht und übergroß waren: jeder konnte sehen, daß er ein Van Heusen-Hemd trug, eine Countess-Mara-Kra-watte und einen Hart, Schaffner & Marx-Anzug. Seine Hände steckten in Hirschleder-Handschuhen von L. L. Bean bedeckt und der Borsalino auf seinem Kopf kam von Raimu of Milan. An seinem Handgelenk hing eine Automatik-Uhr (Audemars-Piccard) mit Wecker, Kalender und eingebautem Taschenrechner.

Und schließlich umgab ihn der dezente Duft von Eichenmoos, dem Bau de Cologne für den erfolgreichen Mann aus dem Hause Abercrombie & Fitch.

Er erkannte, daß er beachtlich gut angezogen war, aber keinesfalls erstklassig. Man konnte sich damit sehen lassen, aber er erwartete mehr von sich selbst. Er hatte Ambitionen, er wollte nach oben, einer von den Männern werden, die Chivas Regal an anderen Tagen als an Weihnachten einschenken, Brooks Brothers-Hemden tragen und Onyx-After-Shave von Lentheric benutzen.

Aber für solche Artikel brauchte er eine A-AA-AAA-Konsu-mentenerlaubnis anstelle der mittelständischen B-BB-AAAA mit der ihn eine Geburt in der falschen Familie geschlagen hatte. Er brauchte diese Einstufung! Sie stand ihm zu! War er etwa nicht gut genug dafür? Warum, verdammt noch mal? Hatte er nicht in Stanford immer die besten Noten in Konsumtechnik bekommen? Sein Verbrauchsindex stand jetzt seit drei Jahren auf über 90%. In diesem Jahr hatte er schon drei neue Autos gekauft, und er hätte noch unzählige andere Beweise aufzählen können.

Warum hatte man ihn nicht höhergestuft?

War es möglich, daß sie ihn einfach übersehen hatten?

Carmody verbannte solche theoretischen Fragen schnell aus seinen Gedanken. Er hatte wichtigere Sorgen. Heute lag eine undankbare Aufgabe vor ihm. Was er in den nächsten Stunden zu tun hatte, konnte ihn sehr gut seinen Job kosten, was bedeuten würde, daß er sich in die öden Reihen der proletarischen Benutzer von Superdiskonts-Beste-Zweitwahl (SBZ) einreihen müßte.

Es war noch früh, aber er brauchte eine Stärkung für das, was vor ihm lag. Er ging in die Bar des Waldorf.

Dort wartete er, bis der Blick des Barkeepers auf ihn fiel. Bevor der Mann sprechen konnte, sagte Carmody schnelclass="underline" »He, mach's noch einmal, Sam.« Die Tatsache, daß der Mann nicht Sam hieß und es auch vorher nie für Carmody gemacht hatte, spielte dabei absolut keine Rolle.

»Das ist es, alter Freund«, sagte der Barkeeper lächelnd. »Ballantine hat den feinen obergärigen Schaum und den kernigen Geschmack.«

Carmody wußte, daß er die letzte Zeile eigentlich selbst hätte sagen müssen. Er hatte sich überraschen lassen. Nachdenklich trank er sein Bier.

»Hallo, Tom.«

Carmody drehte sich herum. Da saß Nate Steen aus Leonia, New Jersey, ein alter Freund und Nachbar, und trank eine Cola. »Das ist schon irre«, sagte Steen, »aber hast du es auch schon gemerkt? Man macht mal Pause mit Coke.«

Carmody saß da, ohne daß ihm die passende Zeile einfiel. Er stürzte sein Bier hinunter und rief zum Barkeeper: »He, Sam, machs noch einmal.« Das war eine armselige Fortsetzung, aber besser als gar nichts. »Was gibt's neues?« fragte er Steen.

»Meine Frau macht gerade Urlaub. Sie hat sich entschieden, den Flug zur Sonne zu buchen, das Paradies in vier Stunden mit American Airways.«

»Das ist großartig«, versicherte Carmody. »Ich habe Helen gerade nach Nassau geschickt; und wenn du denkst, die Bahamas sind ein Traum aus der Luft, wenn du landest wird er Wirklichkeit. Und weißt du, bevor sie abflog, da unterhielten wir uns noch und da sagte sie zu mir, warum sollte jemand, um alles in der Welt, in unserer Zeit der Hochgeschwindigkeit und des Jet-Sets eine Seereise nach Europa machen wollen, und da antwortete ich ihr . . .«

»Nette Idee«, unterbrach Steen ihn. Und er hatte das Recht ihn zu unterbrechen, denn der Holland-Amerika-Spot war für ein Bargespräch wirklich zu lang, so klassisch er auch sein mochte. »Also ich nun wieder, ich dachte, ein Mann gehört ins Marlboro-Country.«