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Oder, präziser ausgedrückt, dies war seine Heimat, wenn sie das war, was sie zu sein schien. Aber das mußte erst noch geprüft werden.

Er stand an der Ecke von Durant Road und Maplewood Avenue, am oberen Ende der Stadt. Direkt vor ihm lag das Einkaufszentrum. Weiter hinter begannen die gepflegten Vorstadtstraßen mit ihren Kastanien, Eichen, Ulmen und Walnußbäumen. Zu seiner Rechten, das war der Leseraum der Christlichen Wissenschaft. Links davon ging es zum Bahnhof.

»Wie steht es, Reisender?« fragte eine Stimme von seiner rechten Hüfte her.

Carmody blickte an sich herab und stellte fest, daß er ein handliches Transistorradio am Gürtel eingehakt trug. Dabei, wußte er sofort, konnte es sich nur um den Preis handeln.

»Du bist also wieder da!« stellte Carmody fest.

»Wieder da? Ich bin nie weggewesen.«

»Ich habe dich in der letzten Möglichkeitswelt nicht gesehen.«

»Das lag nur daran«, erklärte der Preis, »daß du dir nicht die Mühe gemacht hast, richtig nach mir zu suchen. Ich war in deiner Tasche, als ziemlich abgegriffener Dinar.«

»Wie soll ich denn auf sowas kommen?« wollte Carmody wissen.

»Alles, was du tun mußt, ist fragen«, antwortete der Preis. »Ich bin von Natur aus metamorphisch und selbst für mich selbst unvorhersagbar. Aber das weißt du ja. Muß ich denn jedesmal, wenn wir irgendwo zusammen hingehen, von selbst auf mich aufmerksam machen?«

»Es wäre ganz hilfreich«, sagte Carmody.

»Mein Stolz erlaubt mir ein so aufdringlich um Aufmerksamkeit heischendes Benehmen nicht«, erwiderte der Preis fest. »Ich antworte, wenn ich gerufen werde. Wenn ich nicht gerufen werde, gehe ich davon aus, daß meine Gegenwart nicht erwünscht ist. Es war ganz deutlich zu merken, daß du mich in der letzten Wirklichkeitswelt nicht gebraucht hast. Deshalb nahm ich die Gelegenheit wahr, in Slokols Restaurant mal wieder anständig essen zu gehen, anschließend war ich beim Friseur und dann auf ein paar Drinks in Varinells Sonnenschinken Bar, wo ich einen alten Freund traf, und von da -«

»Wie hast du das alles geschafft?« fragte Carmody dazwischen. »Ich war doch nicht länger als eine halbe Stunde in dieser komischen Welt.«

»Ich habe dir doch schon erzählt, daß wir eine unterschiedliche Dauerverteilung haben«, erklärte der Preis.

»Ja, doch, ich glaube, wir leben unterschiedlich schnell, wenn du das meinst . . . Aber wo sind diese Lokale?«

»Das würde eine ganze Weile dauern, um es vernünftig zu erklären«, meinte der Preis. »Um die Wahrheit zu sagen, es ist wesentlich einfacher dorthin zu gehen, als zu erklären, wie man dorthin kommt. Wie dem auch sei, für dich ist das dort nichts.«

»Warum?«

»Na . . . aus vielen Gründen. Aber, um nur einen zu nennen, dir würde das Essen da nicht gefallen - besonders das in der Sonnenschinken Bar.«

»Ich habe dich immerhin schon orithi essen sehen«, erinnerte Carmody den Preis.

»Ja, natürlich. Aber orithi sind eine seltene Köstlichkeit, die man nur wenige Male in seinem Leben vorgesetzt bekommt. In der Sonnenschinken Bar gibt es dagegen die Sorte Essen, von der wir Preise und verwandte Spezies uns außerhalb von Festtagen ernähren müssen.«

»Und was ist das?«

»Du wirst das, glaube ich, nicht wissen wollen«, warnte der Preis ihn.

»Ich will es wissen.«

»Ich weiß, daß du es wissen willst; aber wenn du es gehört hast, wirst du es nicht mehr wissen wollen.«

»Heraus damit«, beharrte Carmody. »Was ist dein normales Essen?«

»Na, gut, Mr. Naseweis«, sagte der Preis. »Aber vergiß nicht, du hast selbst darauf bestanden, es zu erfahren. Mein normales Essen bin ich selbst.«

»Was bist du?«

»Ich bin mein normales Essen. Ich sagte dir ja, das es dir nicht gefallen würde.«

»Du ißt dich selbst? Ich meine, du ißt deinen eigenen Körper?«

»Genau das.«

»Verdammt noch mal«, fluchte Carmody. »Abgesehen davon, daß sowas widerwärtig ist, kann es auch gar nicht möglich sein. Du kannst doch nicht von dir selbst leben!«

»Ich kann es, und ich tue es«, versicherte der Preis. »Und ich bin sogar sehr stolz darauf. Moralisch gesehen, ist das ein herausragendes Beispiel individueller Unabhängigkeit und Freiheit.«

»Aber es ist einfach nicht möglich«, sagte Carmody. »Es vergewaltigt alle Gesetze der Energieerhaltung, oder des Massenausgleichs, oder etwas in dieser Art. Ich bin absolut sicher, es vergewaltigt irgendein unumstößliches Naturgesetz.«

»Das stimmt schon, aber nur wenn man es unter speziellen Bedingungen betrachtet«, sagte der Preis. »Setzt man sich aber mit der Sache unter allgemeineren Aspekten und grundsätzlicher auseinander, kann man, denke ich, erkennen, daß diese Unmöglichkeit mehr eine scheinbare als eine reale ist.«

»Was, zum Teufel, soll das nun heißen?«

»Weiß ich nicht«, gestand der Preis. »So steht es in all unseren Schulbüchern. Niemand hat dazu je weitere Fragen gestellt.«

»Ich möchte die Sache jetzt mal ganz klargestellt haben«, erklärte Carmody entschieden. »Willst du behaupten, daß du tatsächlich und wörtlich Teile deines eigenen Fleisches ißt?«

»Ja«, sagte der Preis. »Genau das ist es, was ich meine. Auch wenn du es nicht nur auf mein Fleisch beschränken brauchst. Meine Leber ist ganz ausgezeichnet als Pastete, aber man kann sie auch einlegen und dann feingeschnitten zu frischem Salat mit ein wenig Gänseschmalz essen. Und meine Kotelettknochen ergeben eine passabele Suppe, wenn sie ausgekocht werden. Mein Schinken ist dagegen am besten, wenn er mindestens sechs Wochen mild geräuchert -«

»Genug!« stöhnte Carmody.

»Tut mir leid«, sagte der Preis.

»Aber erklär mir doch bitte nur eins: Wie kann dein Körper genug Nahrung für deinen Körper produzieren (das klingt lächerlich) während deines ganzen Lebens?«

»Na, ja«, meinte der Preis nachdenklich. »Ich bin gottseidank nicht sehr verfressen, weißt du.«

»Vielleicht habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt«, sagte Carmody. »Ich meine, wie kannst du deinen Körper ernähren, wenn du gleichzeitig den aufgenommenen Nährstoff für deinen eigenen Körper wieder verzehrst?«

»Ich fürchte, ich komme da nicht ganz mit«, gestand der Preis.

»Laß es mich noch mal versuchen. Ich meine folgendes: Wenn du dein eigenes Fleisch verzehrst -«

»Und das tue ich wirklich«, warf der Preis ein.

»Wenn du dein eigenes Fleisch verzehrst, und den darin enthaltenen Nährwert zur Ernährung dieses Fleisches benutzen mußt, also keinerlei Nährstoffe von außen zugeführt werden . . . Nein, Moment. Wenn du fünfzig Pfund wiegst -«

»Auf meiner Heimatwelt wiege ich tatsächlich genau fünfzig Pfund.«

»Ausgezeichnet! Also, dann. Wenn du fünfzig Pfund wiegst, und über den Zeitraum von, sagen wir mal, einem Jahr hinweg, von deinem eigenen Fleisch vierzig Pfund verkonsumierst, um dich damit zu ernähren, wieviel bleibt dir dann noch übrig?«

»Zehn Pfund«, fragte der Preis vorsichtig.

»Gottverdammt, kannst du denn nicht merken, worauf ich hinaus will? Du kannst dich einfach nicht selbst über längere Zeit von deiner eigenen Substanz ernähren, weil irgendwann keine mehr da ist.«

»Warum?«

»Das Gesetz des >Was weg ist, ist weg<«, verkündete Carmody, dem ein wenig schwindelte. »Am Ende ist einfach nichts mehr übrig von dir, wovon du dich ernähren könntest, und dann mußt du sterben.«

»Das ist mir wohl bewußt«, sagte der Preis. »Aber der Tod ist eine unausweichliche Tatsache, so unabwendbar und wirklich für die Selbstesser wie für die Fremdesser. Alles und jedes stirbt letztendlich, Carmody, gleichgültig wen oder was es ißt.«