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»Du nimmst mich auf den Arm!« brüllte Carmody. »Wenn du dich wirklich so ernähren würdest, wärst du in einer Woche tot!«

»Es gibt Insekten, deren Lebensspanne nicht mehr als einen Tag beträgt«, sagte der Preis ruhig. »Aber in Wirklichkeit sind wir Preise sogar recht langlebig, nach deinen Maßstäben jedenfalls. Vergiß nicht, je mehr wir von uns konsumiert haben, desto weniger bleibt übrig, daß wir ernähren müssen, und desto weniger zuessen brauchen wir dafür, wodurch wiederum der Vorrat länger reicht. Bei der Selbstverspeisung spielt die Zeit ebenfalls eine wichtige Rolle. Die meisten Preise verzehren ihre Zukunft, solange sie noch Kinder sind, dadurch bleibt ihr eigentlicher Körper unversehrt bis ins Mannesalter.«

»Wie verzehren sie ihre Zukunft?« staunte Carmody.

»Ich kann dir nicht erklären, wie sie das machen«, erklärte der Preis. »Wir Preise tun das eben, das ist alles. Ich, zum Beispiel habe meine Substanz der Zeit zwischen achtzig und zweiundneundzig verspeist - senile Jahre, bin ich sicher, von denen ich sowieso nichts mehr gehabt hätte. Wenn ich nun meinen weiteren Verzehr ein wenig rationiere, schaffe ich es, glaube ich, bequem bis in meine späten Siebziger.«

»Davon kriege ich Kopfschmerzen«, sagte Carmody. »Und schlecht wird mir von der ganzen Sache auch, da muß einem ja förmlich übel von werden.«

»Tatsächlich?« meinte der Preis etwas indigniert. »Du hast aber sehr dicke Nerven, dir davon schlecht werden zu lassen! Du blutgieriger Schlächter, wieviel ermordete Tiere hast du denn während deiner Lebenszeit hinuntergeschlungen? Wieviel schutzlose Äpfel hast du dir gegrabscht, wieviel wehrlose Salatköpfe hast du aus ihren Betten gerissen? Ich habe gelegentlich ein oder zwei orithi gegessen, das gebe ich zu; aber am Jüngsten Tag wirst du dich einer Herde von Hunderten gegenübersehen, die du verschlungen hast. Sie werden vor dir stehen, Carmody, Hunderte von braunäugigen Kühen, Tausende von schutzlosen Hennen, endlose Reihen von sanften kleinen Lämmern; ganz zu schweigen von den Wäldern vergewaltigter Obstbäume und ausgeplünderter Gärten. Ich werde für den orithi bezahlen, vielleicht auch für drei oder vier davon. Aber wie willst du jemals deine Schuld abtragen, an den jammernden Tiermäulern, den gequälten Augen, dem zerfetzten jungen Salat, alles hingeschlachtet für dein Fressen. Wie, Carmody, wie?«

»Sei still!« schrie Carmody.

»Oh, ganz wie du willst.«

»Ich esse, weil das ein Teil meiner Natur ist. Ich kann nicht anders. Mehr kann man dazu nicht sagen.«

»Wenn du meinst.«

»Ich meine das ganz verdammt! Hältst du jetzt den Mund und läßt mir die Ruhe, mich zu konzentrieren?«

»Ich werde kein einziges weiteres Wort sagen«, versprach der Preis, »außer dich zu fragen, worauf du dich denn konzentrieren willst.«

»Dieser Ort hier sieht wie meine Heimatstadt aus«, erklärte Carmody. »Ich versuche herauszubekommen, ob er es wirklich ist oder nicht.«

»Das kann doch eigentlich nicht so schwer sein«, meinte der Preis. »Ich will damit nur sagen, man kennt doch seine Heimatstadt wie seine Heimatstadt, oder nicht?«

»Nein. Ich habe sie mir nie sehr genau angesehen, als ich noch hier lebte, und ich habe nicht viel an sie gedacht, nachdem ich weggezogen bin.«

»Wenn du nicht herausfinden kannst, was dein zu Hause ist«, stellte der Preis fest, »dann kann niemand das. Ich hoffe, du bist dir darüber im klaren.«

»Ich bin«, sagte Carmody. Er begann langsam die Maplewood Avenue hinunterzugehen. Plötzlich kam ihm das furchtbare Gefühl, das jede Entscheidung, die er treffen würde, falsch sein könnte.

XXVII

Carmody sah sich um, während er ging, und während er sich umsah, beobachtete er scharf. Es schien alles nach dem Ort auszusehen, nachdem auszusehen es hätte scheinen müssen. Das Maplewood-Kino war am richtigen Platz. Heute lief >The Saga of Elephantine<, ein italienisch-französischer Abenteuerfilm unter der Regie von Jaques Marat, dem brillanten jungen Regisseur, der der Welt den hinreißenden Song of my Wounds gegeben hatte, und die bejubelte Komödie Paris Times Fourteen.

»Klingt nach einem komischen Film«, meinte Carmody.

»Nichts für mich«, sagte der Preis.

Carmody blieb kurz vor Mervins Herrenausstattung stehen und sah ins Schaufenster. Er sah Mokassinschuhe, zweifarbige Lackslipper, Jacken mit Hahnenrittmuster, breite, grellgemusterte Krawatten und farbige Oberhemden.

Beim Zeitungskiosk daneben erspähte er den Colliers, daneben Liberty und gesondert ausgelegt Munsey's, Black Cat und The Spy. Die Morgenausgabe von The Sun war gerade herausgekommen.

»Na?« fragte der Preis. »Ist es das?«

»Ich bin noch dabei, es zu checken«, sagte Carmody. »Aber bis jetzt sieht alles ganz passend aus.«

Er überquerte die Straße und warf einen -Blick in Edgars Drugstore. Es hatte sich nichts verändert. An der Theke saß ein hübsches Mädchen und trank eine Limonade mit Strohhalm. Carmody erkannte sie auf Anhieb.

»Lana Turner! Hallo! Wie geht's dir?«

»Prima, Tom«, sagte Lana. »Lange nicht gesehen.«

»Ich bin mal auf der High School mit ihr gegangen«, erklärte Carmody dem Preis, als sie weitergingen. »Komisch, wie mir jetzt alles wieder einfällt.«

»Das scheint mir auch so«, meinte der Preis zweifelnd.

An der nächsten Kreuzung stand ein Polizist. Er regelte gerade den Verkehr, aber er fand Zeit, Carmody strahlend anzulächeln.

»Das ist But Lancaster«, sagte Carmody. »War unser bester Linksaußen im College, aber dann ist er plötzlich zur Polizei gegangen. Und guck mal dahinten, die Blonde. Das ist Jean Harlow. Sie war Kellnerin im Mapelwood Restaurant.« Er senkte die Stimme. »Die Jungs sagten immer, die ließe einen schnell ran.«

»Du scheinst eine Menge Leute hier zu kennen«, sagte der Preis.

»Natürlich, daß muß ich ja wohl! Ich bin hier aufgewachsen. Miß Harlow geht gerade in Pierres Friseursalon.«

»Kennst du Pierre auch?«

»Sicher. Er ist jetzt Friseur, aber während des Krieges hat er in Frankreich in der Resistance gekämpft. Wie war noch sein richtiger Name? Ach ja. Jean-Pierre Aumont! Er hat eines von unseren Mädchen hier geheiratet, Carol Lombard.«

»Interessant«, sagte der Preis sehr gelangweilt.

»Ja, für mich ist es wirklich interessant. Hier kommt noch ein Mann, den ich kenne . . . Guten Tag, Mr. Bürgermeister.«

»Guten Tag, Tom«, sagte der Mann, tippte an seinen Hut und ging weiter.

»Das war Frederic March,, unser Bürgermeister«, erklärte Carmody. »Er ist eine faszinierende Persönlichkeit! Beeindruk-kend! Ich kann mich noch immer an seine Debatte mit unserem örtlichen Radikalen erinnern, diesem Paul Muni. Junge, das war eine Sache.«

»Hmmm«, sagte der Preis. »Irgend etwas Merkwürdiges ist an dieser ganzen Sache hier, Carmody. Etwas Unheimliches, etwas, das nicht richtig ist. Fühlst du es nicht?«

»Nein, ich fühle es nicht«, erwiderte Carmody. »Ich sage dir, ich bin mit diesen Leuten aufgewachsen. Ich kenne sie besser als mich selbst. He, da drüben ist Paulette Goddard. Sie ist die Bibliothekassistentin. Hallo, Paulette!«

»He, Tom, wie geht's«, rief die Frau und lächelte ihn an.

»Mir gefällt das nicht«, sagte der Preis.

»Ich habe sie nie sehr gut gekannt«, erzählte Carmody. »Sie ging mit einem Jungen aus Millburn. Humphrey Bogart hieß der. Er hatte mal eine Schlägerei mit Lon Chaney, unserem Schulschläger. Ich kann mich noch so gut daran erinnern, weil ich damals gerade was mit June Havoc hatte, und deren beste Freundin war Myrna Loy, die wiederum Bogart gut kannte, weil -«

»Carmody!« unterbrach der Preis drängend. »Paß auf dich auf! Hast du jemals etwas von Pseudoakklimatisation gehört?«