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»Ja, natürlich«, antwortete Genette. »Sie waren welche.«

»Tja, mir ist auf dem Weg hierher etwas Seltsames passiert. Ich habe mit einem Jugendlichen im Chateau Garden Bowls gespielt, und er hat … versucht, meine Aufmerksamkeit zu erregen, würde ich es wohl nennen, ohne dass er dabei viel gesagt hätte. Es betraf hauptsächlich die Art, wie wir gespielt haben, aber auch … es war wie der lange Blick, mit dem einen Wölfe manchmal ansehen. Das ist etwas, das Wölfe manchmal bei der Jagd machen. Für Beutetiere ist dieser Blick verstörend, und zwar so sehr, dass manche sich keine große Mühe mehr geben davonzukommen.«

Genette, der den Blick und die dazugehörige Technik kannte, nickte. »Und diese Person hatte den langen Blick.«

»So kam es mir vor, ja. Vielleicht war teilweise das der Grund dafür, dass es mir kalt den Rücken heruntergelaufen ist. Ich habe das schon bei Wölfen erlebt. Aus dem Augenwinkel sieht man genau, wie sehr sich dieser Blick von der Art und Weise unterscheidet, in der einen die Leute normalerweise anschauen. Ein Soziopath könnte Menschen so anschauen.«

»Eine Wolfsperson.«

»Tja, aber ich mag Wölfe.«

»Vielleicht jemand wie ein Qube«, schlug Genette vor. »Nicht wie die an Bord der Inneren Mongolei, aber auch nicht ganz menschlich.«

»Kann sein. Ich rede nur deshalb von dem langen Blick, weil ich versuche, mir einen Reim darauf zu machen. Es war nämlich verstörend. Und dann war da die Art, wie diese Person Bowls gespielt hat – als ob es wirklich darauf ankäme.«

Interessiert musterte Genette Swan. »Als ob es sich beim Bowls um das Werfen von Kugeln auf ein Ziel handelte?«

»Genau.«

»Das ist es doch auch, oder?«

Stirnrunzelnd schüttelte sie den Kopf.

Genette seufzte. »Wie dem auch sei, es sollte ziemlich einfach sein, bei Chateau Garden nach der Passagierliste zu fragen.«

»Das habe ich getan und mir alle Fotos angesehen. Die Person, mit der ich Bowls gespielt habe, war nicht dabei.«

»Hmm.« Genette überlegte. »Kannst du die Aufzeichnungen deines Qubes mit mir teilen?«

»Ja, natürlich.«

Swan beugte sich vom Ponton zum Cockpit herüber, und Genette schob sich ein Stück in den Wind hoch. Sie bat Pauline, die Fotos zu übermitteln, die sie bereits aufgerufen hatte. Genette blickte auf den kleinen Armbandmonitor von Passepartout.

»Da«, sagte Swan und zeigte auf eines der Fotos. »Das ist er. Und das ist der Blick, den ich meine.«

Genette betrachtete das Bild: ein androgynes Gesicht mit einem entschlossenen Ausdruck darauf. »Auf einem Foto kommt es nicht richtig rüber.«

»Was meinst du damit? Schau es dir doch mal an!«

»Tue ich, aber diese Person könnte ebenso gut über ein Rechenproblem nachdenken oder Verdauungsschwierigkeiten haben.«

»Nein! Es ist anders, wenn man es selbst gesehen hat. Ich glaube, du solltest versuchen, diesen Jemand aufzuspüren. Wenn du ihn findest, wirst du schon sehen. Und wenn nicht, dann wird die Sache langsam verdächtig, findest du nicht? Diese Person stand nicht auf der Passagierliste. Wenn du ihn nicht finden kannst, dann misst du diesem Gesichtsausdruck vielleicht mehr Bedeutung bei.«

»Mag sein«, erwiderte Genette. Es war die typische Hoffnung der Amateure auf einen plötzlichen Durchbruch in einem Fall, den es in der Wirklichkeit kaum jemals gab. Andererseits mochte es sich um eine Art Manöver seitens der Qubes handeln. Manche von jenen, die menschenähnliche Körper bewohnten, hatten sich in letzter Zeit derart seltsam verhalten, dass sich nur schwer beurteilen ließ, was sie tun würden und was nicht.

Die derzeitige Frage bestand darin, wie weit man Swan vertrauen konnte, angesichts des Umstands, dass ihr Qube sich praktisch nicht entfernen ließ und dass sie nur sehr wenig über ihn wussten. Nicht zum ersten Mal war Genette dankbar dafür, dass Passepartout sich in einem Armband befand und abgeschaltet oder falls nötig abgenommen werden konnte. Natürlich konnte man Swan darum bitten, Pauline abzuschalten, wie schon zuvor. Man konnte durchaus Geheimnisse vor Qubes bewahren, selbst wenn sie im eigenen Kopf steckten. Man musste sich nur darum kümmern. Und auf dem Titan würden die Alexandriner sich darum kümmern, dass niemand ihr Gespräch mithören konnte. Wenn sie Swan in ihre jüngsten Bemühungen einbeziehen wollten, war der Titan also eindeutig der nächste Schritt.

Genette betrachtete sie nachdenklich. »Wir müssen mit Wahram und mit dem Rest der Gruppe darüber reden. Es gibt Dinge, die du wissen musst, aber am besten erfährst du sie auf dem Treffen dort.«

»In Ordnung«, sagte Swan. »Dann also los.«

Titan

Titan ist größer als Pluto, größer als Merkur. Er hat eine Stickstoffatmosphäre, wie die der Erde, aber zehnmal so dicht. Die Oberflächentemperatur liegt bei neunzig Grad Kelvin, aber es gibt ein Meer aus flüssigem Wasser tief unter der Oberfläche, das als potenzielles Wärmereservoir dient. An der Oberfläche ist alles Wasser sehr fest gefroren, die ganze Landschaft besteht aus diesem Wassereis – Gletscher, die sich in alle Richtungen bis zum Horizont erstrecken und aus denen hier und da Felsen herausragen wie Warzen und Karbunkel. Methan und Ethan spielen hier die Rolle, die Wasser auf der Erde hat – in der Stickstoffatmosphäre verwandeln sie sich in schwebenden Dampf, in Wolken, die in Flüsse und Seen abregnen und über das Eis fließen.

Das Sonnenlicht, das auf die Atmosphäre trifft, wirbelt einen gelben Qualm aus komplexen organischen Molekülen auf. Der Wasserstoff in diesem Dunst entweicht leicht ins All, aber solange er sich in der Luft des Titan befindet, reduziert er alle größeren organischen Moleküle wieder auf kleinere Bausteine; deshalb gibt es hier nicht viele komplexe organische Formen und auch kein einheimisches Leben. Nicht einmal im Wassermeer unter der Oberfläche, als hätte die korrodierende Atmosphäre eine Art Quarantäne verhängt.

Die Gletscheroberfläche ist an den meisten Stellen zerklüftet und an einigen wenigen glatt. Wenn man auf ihr steht, kann man den Saturn sehen, der von der messerscharfen Krümmung des nur von der Seite sichtbaren Rings in zwei Hälften zerteilt wird. Auch die helleren Sterne lassen sich erkennen. Der Dunst der Titanluft ist so dicht, dass man zwar recht gut hinausschauen kann, von außen aber nur eine gelbe Wolke sieht.

Keine Aufschlagkrater. Wenn sich welche bilden, dann deckte das Eis sie im Lauf der Jahrhunderte wieder zu. Es gibt nichts als ein kompliziertes, strudelndes Chaos aus gesplittertem Eis und Felsvorsprüngen, die das flüssige Methan zu Wasserscheiden geformt hat. Senken sind mit flüssigem Methan gefüllt: Der Ontario-See des Titan hat einen Durchmesser von dreihundert Kilometern und ist wie sein Gegenstück auf der Erde geformt.

Das Wetter ändert sich jahreszeitlich, während der Saturn von seinem sonnennächsten zum sonnenfernsten Punkt wandert. In der Regenzeit regnet es Methan.

Ursprünglich sind die Menschen wegen des Stickstoffs auf den Titan gekommen. Die Marsianer, unglücklich über den nach wie vor rätselhaften Stickstoffmangel auf ihrem Planeten, flogen mit den ersten Schiffen hinaus, die schnell genug waren, um solche Entfernungen zu überwinden. Natürlich hatten sie Roboter vorausgeschickt. Sie richteten eine Station ein, bauten ein System, um Stickstoff zu sammeln und einzufrieren und es anschließend in großen, unverpackten Blöcken systemabwärts zu schießen. Die Leute beschwerten sich darüber, dass diese Ausbeutung von niemandem autorisiert worden wäre, doch die Marsianer wiesen darauf hin, dass der Titan in ferner Vergangenheit eine Atmosphäre gehabt hatte, die um ein Vielfaches dichter gewesen war als die derzeitige, und dass der Stickstoff einfach ins All entwiche und niemand etwas davon hätte, wenn man ihn nicht abernte – und Titanen gab es nicht auf dem Titan. Das letztgenannte Argument war ausschlaggebend. Als es dann schließlich Titanen gab und als der Titan und der Rest der Saturn-Liga die marsianischen Stickstoffsammler ihres Systems verwiesen hatten, war die Atmosphäre des Titan bereits um die Hälfte reduziert. Der Mars war entsprechend stickstoffreicher, wobei ein Teil in den marsianischen Boden gewandert war und ein Teil in die Atmosphäre; der Stickstoff war einer der Faktoren, die das Marsianische Wunder ermöglichten. Und die Marsianer behaupteten, dass sie niemandem geschadet hätten; dass sie die Zukunftsaussichten des Titan sogar verbessert hätten, indem sie die Druckverhältnisse menschenfreundlicher gestaltet hätten.