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Wenn ich bei dir bin, sagte sie in Gedanken zu Wahram, während sie dort zusammen durchs All trieben, warteten, sich bei den Händen hielten – wenn ich bei dir bin, dann fühle ich mich etwas verängstigt; beurteilt; unzulänglich. Ich bin nicht die Sorte Mensch, die du magst, was ich als Angriff empfinde, weshalb ich mich umso mehr so verhalte, wie dieser Teil von mir ist. Obwohl ich auch will, dass du eine gute Meinung von mir hast. Aber dieses Bedürfnis empfinde ich als Ärgernis, und deshalb widersetze ich mich ihm innerlich. Warum sollte es mich kümmern? Dich kümmert es ja auch nicht.

Dabei kümmert es dich sehr wohl. Ich liebe dich, hast du gesagt. Und – das gestand Swan sich ein – sie wollte, dass er so empfand, wenn er mit ihr zusammen war. Genau so – war das Liebe, dieser Wunsch nach einem Gefühl, das unscharf blieb, selbst wenn man es verspürte? Betrachteten die Leute sie deshalb manchmal als eine Art von Wahnsinn? Die Worte bleiben sich gleich, sogar die Gefühle bleiben sich gleich, aber zwischen den Worten und den Gefühlen gibt es Abweichungen, die man nur schwer im Blick behalten kann. Der Wunsch zu kennen, gekannt zu werden, um seiner selbst willen geschätzt zu werden und nicht um dessentwillen, was man nach Meinung der Leute sein sollte … sondern vielmehr dafür, was man war … es fiel ihr schwer, nicht zu glauben, dass jemand, der sie liebte, einen großen Fehler beging. Weil sie sich selbst nämlich besser kannte als die anderen und deshalb wusste, dass sie ihr ihre Liebe irrtümlich schenkten. Und deshalb mussten sie wohl auf die eine oder andere Art dumm sein. Und trotzdem war es genau diese fehlgeleitete Liebe, die sie wollte. Jemand, der einen mehr wollte, als man selbst sich wollen würde. Jemand, der einen wollte, obwohl man man selbst war, jemand, der mehr Nachsicht mit einem hatte als man selbst. So war Alex gewesen. Und wenn man das erkennt, wenn man das spürt – wenn man sich über das gerechtfertigte Maß hinaus geliebt fühlt, aus einer Art Großmut heraus –, dann löst das gewisse andere Gefühle aus. Eine Art Abglanz. Ein Überfließen. Es stieß ein Gefühl an, das sich wie eine Erwiderung anfühlte. Gegenseitige Anerkennung. Einmal mehr im Spiegelkabinett. Man lasse einen Laserstrahl zwischen zwei Spiegeln hin und her springen, zwei Teile von etwas Größerem; nicht bloß ein Tier mit zwei Rücken (obwohl es das zweifellos auch war, und das war auch etwas wirklich Tolles, so ein Tier), sondern noch etwas anderes, eine Art … Paarung, wie von Pluto und Charon, mit einem Gravitationszentrum, das zwischen den beiden liegt. Nicht ein einziger Supra-Organismus, sondern zwei, die zusammen an etwas arbeiten, das nicht sie selbst sind. Ein Duett. Eine Harmonie.

Sie pfiff eine der anderen Beethoven-Melodien, die Wahram oft im Tunnel gepfiffen hatte; sie hatte nach wie vor Probleme damit, sie auseinanderzuhalten, aber sie wusste noch, dass es sich hierbei um das andere Dankeslied handelte, das nach dem großen Gewitter, als alle Geschöpfe wieder in die Sonne herauskamen. Eine einfache Melodie, wie ein Volkslied. Sie entschied sich dafür, weil es sich um eine der wenigen Melodien handelte, zu denen Wahram einen Diskant pfeifen konnte, eine Ausschmückung, von der er behauptete, sie wäre Teil des Originals gewesen. Also fiel Wahram mit ein. Es klang nicht so kraftvoll wie beim letzten Mal, obwohl er damals auch nicht besonders kraftvoll gepfiffen hatte. Schmerz zog sich wie ein Goldfaden durch die Töne. Wenn sie ehrlich war, war er kein besonders guter Musiker. Aber für die Stücke, die er wirklich mochte, hatte er ein gutes Gedächtnis. Und er mochte sie wirklich.

Sie legte richtig los und umspielte ihn trällernd, worauf er erleichtert auf die Hauptstimme umschwenkte. Vielleicht ging es bei einem Duett ja genau darum.

»Vielleicht liebe ich dich«, sagte sie. »Vielleicht ist es das, was ich die letzten paar Jahre lang verspürt habe. Vielleicht wusste ich bloß nicht, was es ist.«

»Vielleicht«, sagte er.

Meinte er damit, dass ein Vielleicht nicht zählte, oder das ein Vielleicht besser war als nichts?

»Den langsamen Satz aus der Siebten«, sagte er. »Wenn es dir recht ist.« Und schon pfiff er eine weitere Melodie aus ihrer Zeit unter der Oberfläche des Merkur, eine, bei deren Variation sie viel Spaß gehabt hatte, weil sie so viel Möglichkeiten eröffnete. Manchmal hatten sie stundenlang musiziert, einen halben Tag und länger. Ehrwürdig, getragen, elegisch; ein bisschen wie Wahram selbst, der gemächlich seinen Verrichtungen nachging. Unterwegs. Jemand, auf den man sich verlassen konnte.

»Vielleicht«, wiederholte sie. »Es mag sein.«

Ganz wie früher stimmten sie ihren gemeinsamen Gesang an, wie damals, als sie im Schmelztiegel gewesen waren und alles davon abgehangen hatte, wie sie ihren Weg nach vorne fortsetzten. Wie jetzt, selbst jetzt, während sie im All schwebten und auf ihre Retter warteten, im Vertrauen darauf, dass sie eintreffen würden.

Begründetes Vertrauen; denn Pauline sagte: »Ein Schiff nähert sich.«

Ein weißer Punkt erblühte inmitten all der anderen, und innerhalb von Sekunden verwandelte er sich in eine weitere kleine Raumjacht, einen Hopper, der wie ein Traum dort vor ihnen im All hing, bizarr und zauberhaft.

»Ah, gut«, sagte Swan.

Jetzt waren auch sie beide Peter. Das durfte sie nicht vergessen. Nur durch diese Rettung ging es weiter. Als sie mit leichten Düsenstößen zu dem kleinen Schiff hinüberflogen, versuchte Swan festzuhalten, wie sich das angefühlt hatte – das Schweben, Andromeda, Wahrams Blick, ihr Duett. Es hätten auch ihre letzten Stunden sein können. Sie dachte erneut an Alex. Unsere Geschichten währen eine kleine Weile, einige Gene und Worte bleiben; und dann verschwinden wir. Es war schwer, das in Erinnerung zu behalten. Und als die Schleuse sich schloss und sie wieder drinnen waren, vergaß Swan es einmal mehr.

Kiran auf Eis

Noch während die Augen in der Kiste Kiran anstarrten, kam ihm in den Sinn, dass er sie wahrscheinlich nicht hätte sehen sollte, und ein Blick in Richtung des massigen Wachmanns machte ihm klar, dass dieser dasselbe dachte. Während der Wachmann die Kiste wieder verschloss, überlegte Kiran, was das wohl für ihn heißen würde, und bevor der Mann den Code fertig eingetippt hatte, war Kiran auf und davon und rannte den Weg zurück, den sie gekommen waren. Er bog bei der ersten Gelegenheit ab, rannte so schnell er konnte bis zur nächsten Abzweigung und bog erneut ab, wobei er einen kurzen Blick über die Schulter warf: Der Wachmann war nirgends zu sehen. Kiran lief etwas langsamer und überlegte, was er jetzt tun konnte. Den Zug zwischen Vinmara und Kleopatra würde man sicherlich im Auge behalten, und es gab nur diese eine Verbindung.

Ein Großteil der Stadtbevölkerung war noch immer draußen, um die Sonnenentfinsterung und das Ende der Regenfälle zu feiern. Und er wusste, wo sich von seiner gegenwärtigen Position aus das Tor befand. Kiran bog erneut ab und hielt nun darauf zu. Die Straßen der Muschelstadt waren beinahe leer. Vor ihm lag das Tor: Niemand aus seiner neuen Arbeitseinheit war zu sehen, und abgesehen von den üblichen Torwachen auch keine Wachleute. Als er an das Schott kam, gab er einem von ihnen seinen ursprünglichen Ausweis, dann betrat er die Schleuse und vergewisserte sich, dass mit seinem Anzug alles in Ordnung war.

Hinaus auf die verschneiten Hänge der Venus. Die Leute strömten von dem Hügel herab, von dessen Spitze aus man eine Aussicht auf die Bucht hatte. Er wandte den Blick ab, als er an ihnen vorbeikam, und ging in einem Bogen zur Westseite der Stadt. Sobald er hinter der Biegung verschwunden war, schlug er sich über den Hügel und gelangte außer Sichtweite von Vinmara. Anschließend ging er durch eine breite Abschwemmung in Richtung des weit entfernten Ozeans.