Swan warf Wahram einen bitterbösen Blick zu und sagte zu Genette: »Es war Pauline, die uns rechtzeitig über den Angriff informiert hat, damit wir noch etwas dagegen unternehmen konnten. Und es war Wangs Qube, der ein neues Überwachungssystem eingerichtet hat, mit dessen Hilfe sich die Steinchen orten ließen. Dafür könntet ihr euch ruhig mal bedanken. Worauf ich hinauswill, ist Folgendes: Was auch immer die Venusianer mit ihren Qube-Leuten und ihren Intrigen vorhaben, es gibt andere Qubes, die eindeutig auf unserer Seite stehen. Mit denen müssen wir zusammenarbeiten!«
Genette pflichtete ihr bei. »Ich habe mich lange mit Wang und seinem Qube unterhalten, und du hast recht. Ich fürchte, es gibt auch bei den Qubes verschiedene Fraktionen.«
»Also müssen wir unsere Fraktion auf dem Laufenden halten!«
»Mag sein«, erwiderte Genette. »Allerdings ist die Frage, welche Qubes zu uns gehören, noch nicht beantwortet. Und in diesem Fall ist es umso besser, je weniger Leute Bescheid wissen. Also hör mal, Swan, ich werde mithilfe der Informationen von Kiran diese Interplan-Operation umsetzen wie geplant.«
»Und die wäre?«, fragte Swan unverblümt.
Genettes kleines Gesicht, so hübsch und eigenartig wie das eines Langurs, bedachte Swan mit einem strahlenden Lächeln. »Ich würde dir doch lieber erst davon erzählen, wenn wir bereits weiter fortgeschritten sind.«
Erneut warf Swan Wahram einen finsteren Blick zu. »Siehst du, was du angerichtet hast?«
Wahram zuckte mit den Schultern. »Der Plan verlangt absolute Geheimhaltung, wenn er funktionieren soll. Nicht mal ich kenne die Einzelheiten.«
»Ich sollte außerdem hinzufügen«, bemerkte Genette hastig, »dass mein Plan nicht ohne die Informationen von deinem jungen Freund hier möglich wäre. Insofern fügt sich erst jetzt alles ineinander. Bitte gestatte mir, den nächsten Schritt vertraulich zu behandeln. Wie Wahram schon sagte, nicht mal er, ganz zu schweigen von all den Leuten hier auf der Venus …« – Genette verneigte sich in Shukras Richtung – »… weiß etwas über unseren nächsten Schritt, und so muss es auch sein, wenn wir erfolgreich sein wollen.«
Ob es Genette nur darum ging, Wahram Rückendeckung zu geben, wusste Swan nicht. Sie war zu wütend, um ein Gefühl für die Feinheiten der gegenwärtigen Situation zu wahren. Ihre Urteilsfähigkeit ließ zu wünschen übrig. Genette sprach mittlerweile mit einem Kollegen, der das Zimmer betreten hatte, wandte sich dann wieder an die übrigen Anwesenden und sagte: »Wenn ihr mich entschuldigen würdet.«
»Das tue ich nicht«, antwortete Swan und stürmte aus dem Zimmer.
Wahram holte sie auf dem Korridor ein und passte sich ihrer Geschwindigkeit an. In seinem Rollstuhl konnte er mithalten, egal wie schnell sie lief.
»Swan, sei nicht wütend auf mich, ich musste Genette erzählen, was passiert ist. Wir müssen einander in dieser Sache vertrauen können; es handelt sich um eine heikle Operation, und früher oder später musste die ganze Sache ans Licht kommen.«
»Und jetzt ist sie es.«
»Ja, und bald wirst auch du über alles Bescheid wissen. Aber für ein Weilchen musst du uns vertrauen.«
»Uns?«
»Ich werde Genette unterstützen. Es sollte nicht besonders lange dauern. Es wäre schön, wenn du in der Zwischenzeit nach Terminator zurückkehren und mit deinen Leuten dort reden könntest, über die Lage auf dem Titan und über uns.«
»Glaubst du etwa, dass mich das alles noch interessiert?«
»Das will ich doch hoffen. Es ist wichtiger als deine verletzten Gefühle, wenn ich das sagen darf. Insbesondere, weil du eigentlich keinen Grund hast, verletzt zu sein. Ich glaube, es ist eine gute Sache, wenn man dich und Pauline als untrennbare Einheit auffasst, du etwa nicht? Das ist zutreffend, man könnte sagen, dass es dich besser beschreibt. Ihr seid etwas Neues. Insbesondere für mich, ließe sich hinzufügen.« Er streckte den Arm aus und griff ihre Hand, und dann betätigte er mit der anderen Hand die Bremse seines Rollstuhls, um sie zum Stehen zu bringen. Sie schlingerten, und Wahram hielt ihre Hand fest, obwohl sie daran zerrte. »Komm schon«, sagte er, »mal im Ernst. Warst du mit mir dort draußen im All oder nicht? Warst du in dem Tunnel oder nicht?«
Er verwendete ihre eigene Frage gegen sie; und natürlich erinnerte sie sich. »Ja, ja«, murrte Swan und schaute zu Boden.
»Tja, und jetzt sind wir also hier und haben es mit einer Situation zu tun, die Verschwiegenheit verlangt, und also musst du das, was ich gerade zu Genette gesagt habe, im Lichte höchster Notwendigkeit sehen. Insbesondere in Anbetracht meiner eigenen Gefühle für dich, die …« – er hielt inne, um die Hand von der Bremse seines Rollstuhls zu nehmen und sich auf die Brust zu schlagen – »… tief gehen. Sie sind wirr, aber tief gehend. Und darauf kommt es an. Das macht das Leben interessant. Ich habe mir also überlegt, dass wir heiraten sollten, in dem saturnianischen Hort, zu dem ich bereits gehöre. Das würde so viel mehr Probleme lösen als erzeugen, dass ich es wirklich für das Beste für uns beide halte. Auf jeden Fall für mich. Ich hoffe also, dass du bereit bist, mich zu heiraten, und das ist eigentlich so ziemlich alles.«
Swan riss ihre Hand los und hob sie, als wollte sie ihn schlagen. »Ich verstehe dich nicht!«
»Ich weiß. Damit habe ich auch so meine Probleme. Aber das ist nicht die Hauptsache. Es ist nur ein Teil. Wir würden das zu einem Teil unseres Projekts machen.«
»Ich weiß nicht …«, setzte Swan an und verstummte. Es gab so viel, was aus diesen Worten folgen konnte, dass sie nicht wusste, wie sie fortfahren sollte. Sie wusste überhaupt nichts! »Ich fliege sowieso zur Erde«, sagte sie störrisch. »Ich habe da ein Treffen mit dem Säugetierkomitee der Vereinten Nationen. Wir machen gewisse Fortschritte. Und außerdem will ich mit Zasha reden.«
»Das ist in Ordnung«, versicherte ihr Wahram. »Denk darüber nach. Ich muss jetzt zu Genette zurück; wir haben es wirklich mit einer dringenden Angelegenheit zu tun, und Kirans Bericht ist das Zünglein an der Waage, also lass uns das zu Ende bringen, und sobald ich kann, komme ich zu dir, wo immer du gerade bist.« Und nachdem er noch einmal gepeinigt die Hände über dem Herzen zusammengeschlagen hatte, machte er kehrt und fuhr den Korridor entlang zurück zu Genette.
Wahram und Genette
Als Wahram wiederkam, war Genette bereits drauf und dran, nach Vinmara abzureisen, und wollte keine Zeit verschwenden. »Komm schon«, und damit rannte der Inspektor los, flink wie ein Terrier. Als Wahram eilig hinterherfuhr, drehte Genette sich um und fragte, ob mit Swan alles in Ordnung sei. Ja, antwortete Wahram, alles wäre in Ordnung. Obwohl er sich da nicht so sicher war. Aber nun galt es, sich auf den Plan zu konzentrieren.
Mithilfe des Qubes Passepartout redete Genette während ihres Flugs nach Vinmara mit einigen Kollegen. Wahram deutete fragend auf das Armband.
Mit einem Kopfschütteln sagte Genette: »Es gibt Qubes, die für uns arbeiten, wie Swan ganz richtig festgestellt hat, und wahrscheinlich gehört ihrer zu diesen Qubes. Aber ich hatte noch keine Gelegenheit, Erkundigungen über ihn einzuholen, und vermutlich hattest du recht damit, sie aus dieser Sache herauszuhalten. Ihr Verhalten lässt sich nur schwer vorhersagen. Aber Wangs Qube und Passepartout haben wir derweil beide überprüft, und sie unterstützen uns gemäß ihren Anweisungen. Ich glaube also an sie«, sagte Genette betont und mit einem Stirnrunzeln in Richtung des Armbandqubes.
Wahram sagte: »Glaubst du, dass die Qubes langsam anfangen, als eine Gesellschaft für sich zu funktionieren, mit Gruppen und sogar mit Organisationen und Uneinigkeit?«
Genette warf die Arme empor. »Wie sollen wir das wissen? Möglich, dass sie nur unterschiedliche Anweisungen von verschiedenen Menschen bekommen und sich darum unterschiedlich verhalten. Wir hoffen einfach, dass wir den Hersteller dieser Qube-Menschen in Vinmara festnehmen können, dann erfahren wir vielleicht mehr.«