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Das Gesicht mit einem Mal verkniffen, wandte Swan sich ab. Die letzten Übertragungen der in Terminator zurückgelassenen Kameras und KIs zeigten, wie die Stadt im Sonnenlicht entflammte – brannte, schmolz, explodierte, bis die Aufzeichnungsgeräte versagt hatten. Es war kein allumfassendes Inferno gewesen, sondern ein Flickenteppich von kleinen Bränden, die zu verschiedenen Zeitpunkten ausbrachen. Einige hitzeresistente KIs sendeten noch immer Daten und dokumentierten die Ereignisse, während die gesamte Umgebung sich auf mehrere Hundert Kelvin aufheizte. Die Bilder vermittelten einem ein deutliches Bild von der Einäscherung, obwohl es ziemlich klar war, dass Swan sie nicht würde sehen wollen.

Doch dann wollte sie überraschend genau das. Nachdem sie sich gesammelt hatte, erklärte sie: »Ich will alles sehen. Zeigt mir alles. Ich muss es sehen. Irgendwie werde ich Buße tun, etwas zum Gedenken. Aber erzählen Sie erst einmal, was Sie wissen! Was ist passiert?«

Genette zuckte mit den Schultern. »Irgendetwas hat die Schienen der Stadt getroffen. Die Einschlagstelle selbst befindet sich noch auf der Tagseite, und solange die Sonne dort nicht untergegangen ist, können wir keine sorgfältige Untersuchung durchführen. Das Meteoritenabwehrsystem konnte den Einschlagkörper nicht sehen, was eigentlich unmöglich ist, da er eine Masse von vielen Tausend Kilogramm hatte. Einige Leute sind der Meinung, dass es ein Kometeneinschlag gewesen sein muss. Ich spreche lieber einfach von dem Ereignis. Wir wissen immer noch nicht mit Sicherheit, ob es nicht vielleicht eine unterirdische Explosion war.«

»Als wenn jemand eine Mine unter den Schienen platziert hätte?«, fragte Wahram.

»Tja, auf einigen Satellitenfotos sieht es mehr wie ein Einschlag aus. Aber die Frage stellt sich.«

Genettes Armbandqube sagte mit heller Singsangstimme: »Du hast einen Besucher namens Mqaret.«

»Sag ihm, wo wir sind«, befahl Genette. »Bitte ihn herzukommen.«

Swans Wangen röteten sich vor Ungeduld. »Ich will Terminator sehen«, erklärte sie.

»Es ist vielleicht möglich, der Stadt einen kurzen Besuch in einem geschützten Fahrzeug abzustatten, aber derzeit lässt sich dort wenig machen. Die Trupps vor Ort sitzen die meiste Zeit über bloß im Schatten der Stadt. Der Sonnenuntergang erreicht den entsprechenden Längengrad in etwa siebzehn Tagen.«

Dann betrat Mqaret das Zimmer, und Swan rief seinen Namen und streckte die Arme nach ihm aus.

»Wir dachten, du wärst tot!«, rief Mqaret. »Die ganze Konzertgruppe ist verschwunden, und wir dachten, du wärst dabei gewesen, und die Evakuierung war ein einziges Chaos, und wir dachten, du wärst umgekommen.«

»Wir sind in den Tunnel runter«, sagte Swan.

»Man hat auch da unten nachgesehen, aber es wurde niemand gefunden.«

»Wir sind nach Osten gewandert, um den Weg schneller hinter uns zu bringen.«

»Das leuchtet mir ein, aber ihr hättet eine Nachricht hinterlassen sollen.«

»Ich dachte, das hätten wir gemacht.«

»Wirklich? Aber egal … du bist so dünn! Wir müssen dich ins Labor bringen, um dich einmal gründlich anzuschauen.« Mqaret ging um das Bett herum und umarmte auch Wahram kurz. »Danke, dass Sie meine Swan nach Hause gebracht haben. Wir haben gehört, dass Sie sich da unten um sie gekümmert haben.«

Genette sah, dass Swan anscheinend nicht ganz glücklich mit dieser Umschreibung war.

Wahram sagte: »Wir alle haben einander geholfen. Tatsächlich freuen wir uns darauf, die jungen Sonnenläufer wiederzusehen, mit denen wir dort unten waren.«

»Sie werden gerade geholt«, erklärte Mqaret, »und ich hoffe, dass es ihnen gut geht. Man hat eine ganze Menge Sonnenläufer aufgelesen.«

»Unsere waren sehr hilfsbereit«, sagte Wahram, doch Swan schnaubte, als sie seine Worte hörte.

Die Zerstörung der Stadt schien Mqaret nicht weiter zuzusetzen; da sie sich so kurz nach Alex’ Tod ereignet hatte, kam es für ihn wahrscheinlich kaum noch darauf an. Doch ohne Terminator konnten die Merkurianer nur noch in den über den Planeten verteilten unterirdischen Schutzräumen leben, in ganz ähnlicher Weise wie die Bewohner Ios. Das war nicht gerade eine optimale Ausgangslage für den Wiederaufbau. Trotzdem konnten sie es schaffen, und tatsächlich hatten die Arbeiten mithilfe hitzeresistenter Schutzräume und Roboter bereits begonnen. Wenn der Sonnenuntergang die ausgebrannte Stadt erst einmal erreichte, würden sie schon sehr bald die Schienen reparieren und das Skelett der Stadt wieder in Bewegung setzen. Dann konnten sie sie im Schutz der Dunkelheit wiederaufbauen wie schon beim ersten Mal.

Doch derzeit befanden sie sich nach wie vor im Ausnahmezustand, und ihr Einfluss im restlichen Sonnensystem war dementsprechend geringer. Also sagte Mqaret zu Swan, wobei er allerdings Genette und Wahram anschaute: »Wir werden die Stadt wieder aufbauen, und wir werden diese Sache überwinden. Diejenigen, die davon reden, dass unsere riskante Lebensweise unser Todesurteil gewesen sei, müssen schließlich mit ihren eigenen Risiken leben. Im All sind wir alle verwundbar. Nirgendwo jenseits der Erde gibt es menschliche Ansiedlungen, die nicht zerstört werden könnten, außer auf dem Mars.«

»Was einer der Gründe dafür ist, dass es sich um einen derart unausstehlichen Planeten handelt«, bemerkte Genette.

»Ich werde ein Mahnmal für unseren Verlust erschaffen«, verkündete Swan und versuchte anscheinend, sich aus ihrem Bett zu erheben. Dramatisch zerrte sie an ihren Infusionsschläuchen. »Ich werde eine Abramovic in den Ruinen aufführen, um den Kummer der Stadt auszudrücken. Vielleicht wäre eine zeitweilige Kreuzigung angebracht.«

»Wie wäre es mit Verbrennen auf dem Scheiterhaufen«, schlug Wahram vor.

Swan warf ihm einen giftigen Blick zu. Mqaret erhob einen taktvolleren Einwand, indem er darauf hinwies, dass Swan sich noch nicht ausreichend erholt hatte, um ihren Körper als Leinwand zu benutzen. »Das setzt dir immer so schwer zu, Swan, das geht nicht.«

»Ich werde es tun! Auf jeden Fall werde ich es tun.«

Swans Qube, dessen Stimme aus ihrer Halsseite kam, meldete sich zu Wort: »Ich muss dich darüber informieren, dass du mir Anweisung gegeben hast, mich gegen jedwede Abramovic-Performance auszusprechen, solange du dich nicht in einem optimalen Gesundheitszustand befindest. Das sind deine eigenen Anweisungen an dich selbst.«

»Lächerlich«, sagte Swan. »Manchmal verlangen die Umstände, dass man seine Pläne ändert. Nach diesem Ereignis, nach dieser Katastrophe, ist alles andere zweitrangig. Sie verlangt nach einer angemessenen Reaktion.«

»Ich muss dich darüber informieren, dass du mir Anweisung gegeben hast, mich gegen jedwede Abramovic-Performance auszusprechen, solange du dich nicht in einem optimalen Gesundheitszustand befindest.«

»Halt die Klappe, Pauline. Ich will dich jetzt nicht reden hören.«

Mqaret hatte sich inzwischen so hingestellt, dass er Swan am Aufstehen hindern konnte. Er sagte: »Liebe Swan, deine Pauline hat recht. Damit meine ich, dass du das Richtige tust, indem du aus einer umfassenderen Perspektive zu dir selbst sprichst. Überstürze nichts. In einer solchen Krise gibt es bessere Dinge, die du tun kannst. Es gibt viel zu tun.«

»Terminators Schicksal künstlerisch zum Ausdruck zu bringen ist eine sinnvolle Arbeit.«

»Ich weiß, und zwar insbesondere für dich. Aber du bist eine unserer Biom-Designerinnen, und in dieser Funktion wird man dich sehr brauchen. Wir können diese Gelegenheit ergreifen, um den Park und die Farm neu zu gestalten.«

Swan wirkte beunruhigt. »Die werden wir doch sicher einfach ersetzen? Da will doch keiner was ändern … ich jedenfalls nicht.«

»Tja, wir werden sehen. Trotzdem musst du für die Stadt zur Verfügung stehen.«

Swan starrte ihn finster an. »Das tue ich sowieso. Können wir wenigstens mit einem Hopper auf die Tagseite fliegen und uns die Stadt einmal ansehen?«