Выбрать главу

Swan überlegt eine Weile. »Also, was machen wir?«

»Ich will zum Saturn und nach diesem kleinen Schiff suchen. Passepartout glaubt, dass er anhand seiner Eintrittsstelle seinen jetzigen Aufenthaltsort berechnen kann.«

»Und kann ich mitkommen?«

»Aber gerne doch. Wir sind schon auf dem Weg.«

Sie setzten mit der Schnelle Gerechtigkeit auf ein vorbeikommendes Terrarium namens Innere Mongolei über, eine wunderschöne Innenwelt voll großer, wogender grüner Hügel, die immer wieder von schwarzen Felsvorsprüngen durchbrochen wurden und nicht nur Herden von Wildpferden eine Heimstatt boten, sondern auch scheuen Wolfsrudeln. Für Letztere hatte Swan eine besondere Schwäche. Die kleinen Ortschaften lagen auf Hügelkuppen und sahen aus wie Gruppen hübscher Jurten. Darum herum gab es Rasenflächen und an Plätzen mit besonderer Aussicht Schwimmbecken. Genette brachte nur einige wenige Helfer mit und verbrachte eine Menge Zeit damit, gemeinsam mit ihnen in einer von mehreren Jurten auf einer Hügelkuppe an anderen Fällen zu arbeiten – zumindest vermutete Shaw, dass es das war, was sie taten.

Eines Nachmittags, nachdem sie den ganzen Morgen in dem vergeblichen Versuch, ein paar Wölfe zu entdecken, durch die grasbewachsenen Hügel gewandert war, gelangte Swan zu einer Jurtensiedlung auf einer Hügelkuppe mit einer breiten, abfallenden Rasenfläche, einem großen niedrigen Becken, das dazu einlud, darin herumzuwaten, und mehreren dampfenden Bädern sowie einem Zelt-Aviarium, das Blumen in Hängekörben und zahlreiche unterschiedliche Arten von Kolibris, Papageien und kleinen bunten Finken enthielt. Der sich in Wellen dahinziehende Rasen war so sorgfältig gemäht, dass er wie ein grüner Teppich aussah. Swan erschien das übertrieben künstlich. Es stand nicht mit der wilden Hügellandschaft im Einklang, in der sie den Morgen verbracht hatte. Sie kam an zwei Frauen vorbei, die lachten, als fänden sie diesen Ort ebenfalls albern, und sagte im Vorbeigehen: »Das ist doch blöd, nicht wahr?«

Die beiden Frauen verstummten, und eine zeigte den Hügel empor: »Die drei dort oben in den Kleidern haben uns erzählt, dass sie Qubes in Androidenkörpern wären, und wollten wissen, ob sie unserer Meinung nach als Menschen durchgehen könnten. Wir haben ihnen gesagt, dass das wohl schon ginge, aber …« Die beiden Frauen schauten einander an und fingen wieder an zu lachen. »Aber dass sie es total versaut haben, indem sie uns gefragt haben!«

Swan sah die drei Gestalten, die in der Nähe des Watbeckens im Gras saßen. »Klingt interessant«, sagte sie und näherte sich ihnen.

»Pauline, hast du das gehört?«, fragte sie auf dem Weg nach oben.

»Ja.«

»Alles klar, dann sei jetzt bitte still, und pass gut auf.«

Seit Langem gab es die Hypothese, dass Menschen sich entweder dann mit intelligenten Robotern wohlfühlten, wenn sie in einer Art Gehäuse steckten oder aber sich schlicht und einfach nicht von Menschen unterschieden, was sie dann einfach zu einer neuen Sorte Mensch machen würde. Zwischen diesen beiden Extremen befand sich das, was man gemäß der Hypothese als »Uncanny Valley« bezeichnete – der Bereich, in dem die Dinge beinahe, aber nicht ganz gleich aussehen, sehr ähnlich, aber doch verschieden sind, und so bei Menschen eine instinktive Abneigung, Abscheu und Angst auslösen. Daher die einigermaßen plausible Hypothese. Aber da man noch keinen Roboter konstruiert hatte, der hinreichend menschlich wirkte, um das eine Ende des »Uncanny Valley« zu ermitteln, blieb sie eine abstrakte Idee. Vielleicht hatte Swan nun Gelegenheit, den menschlichen Rand des Tals zu erforschen.

Die geschmacklose Gestaltung des kleinen Ortes schien sich bis auf die Kleidung dieser drei Gäste zu erstrecken. Sie saßen beisammen, in langen Kleidern, die an viktorianische Reifröcke erinnerten. Sie waren einander so ähnlich, dass es sich gut und gerne um Geschwister handeln mochte oder auch tatsächlich um Androiden, die nach dem gleichen Modell geklont worden waren. Allerdings sah eine von den dreien etwas weiblicher aus als die beiden anderen.

Swan näherte sich ihnen und sagte: »Hallo, ich bin Swan vom Merkur, wo wir gerade mithilfe zahlreicher Qubes unsere verbrannte Stadt wiederaufbauen. Wenn ich es richtig verstehe, dann behauptet ihr drei, Qubes und biologisch nicht menschlich zu sein? Stimmt das?«

Die drei blieben sitzen und schauten Swan an. Die, deren Körperformen leicht weiblich aussah, lächelte und sagte: »Ja, das stimmt. Setz dich doch dazu, und trink einen Tee mit uns. Er ist gleich fertig.« Sie deutete auf einen kleinen, tragbaren Kocher auf dem Boden mit einer bauchigen roten Teekanne über der blauen Flamme. Auf einem rechteckigen blauen Tuch standen Tassen mit Löffeln daneben und kleine Töpfe.

Die anderen beiden begegneten ihrem Blick ebenfalls und nickten ihr zu. Eine deutete neben sich aufs Gras. »Setz dich, wenn du möchtest.«

»Danke«, sagte Swan und ließ sich auf den Hintern plumpsen. »Hier drin ist es ziemlich schwer. Wo kommt ihr drei denn her?«

»Ich wurde in Vinmara angefertigt«, sagte die Weiblichste.

»Und ihr?«, fragte Swan die anderen beiden.

»Ich bestehe keinen Turing-Test«, antwortete eine der beiden steif. »Möchtest du gerne Schach spielen?«

Und dann lachten die drei. Sie rissen die Münder dabei weit auf – Zähne, Zahnfleisch, Zunge, die Innenseiten der Wangen, vom Aussehen und von den Bewegungen her alles sehr menschlich.

»Nein danke«, sagte Swan. »Ich möchte einen Turing-Test ausprobieren. Oder wie wäre es, wenn ihr mich auf die Probe stellt?«

»Wie sollen wir das anstellen?«

»Wie wäre es mit zwanzig Fragen?«

»Heißt das Fragen, die man mit Ja oder Nein beantworten kann?«

»Genau.«

»Aber man könnte uns einfach fragen, ob die jeweils andere ein Simulacrum ist oder nicht, dafür bräuchte man nur eine Frage.«

»Stimmt. Wie wäre es, wenn wir nur indirekte Fragen erlauben?«

»Trotzdem wäre es ziemlich einfach. Wie wäre es, wenn du es ganz ohne Fragen schaffen musst?«

»Aber echte Menschen stellen einander dauernd Fragen.«

»Aber mindestens eine von uns ist nicht echt. Und du bist diejenige, die einen Test vorgeschlagen hat.«

»Das stimmt. Na schön, lass dich mal anschauen. Erzähl mir von der Inneren Mongolei

»Die liebe Innere Mongolei, ausgehöhlt im Jahre …«

»Geheiligt werde ihr Name«, warf eine der beiden Personen mit dem schwer bestimmbaren Geschlecht ein, und sie lachten.

»Etwa 25000 Einwohner«, sagte die weiblichere.

»Du musst ein Qube sein«, sagte Swan. »Menschen wissen so was nie.«

»Niemals?«

»Manche Leute vielleicht schon, aber es ist in jedem Fall seltsam. Aber ich muss sagen, dass du großartig aussiehst.«

»Danke, ich habe beschlossen, heute Grün zu tragen, gefällt es dir?« Sie präsentierte die Ärmel ihres Kleids.

»Sehr hübsch. Kann ich mir das mal genauer ansehen?«

»Mein Kleid oder meine Haut?«

»Deine Haut natürlich.«

Sie lachten alle.

Lachen, dachte Swan, während sie die Haut der Person begutachtete. Konnten Roboter lachen? Sie war sich nicht sicher. Die Haut ihres Gegenübers war mit Haarfollikeln übersät und an den Gelenken voll kleiner Falten; auf Handgelenk und Unterarm wuchsen beinahe durchsichtige Härchen, und auf der Innenseite des Handgelenks war ein Fleck von etwas längeren und dunkleren Haaren. Am Handansatz befanden sich vier tiefe Falten, dort wo die Haut dünner, aber dunkler wurde und zwei sich schlängelnde, hubbelige Adern hervortraten. Die Haut auf der Handinnenseite und am Daumenballen wies schwache Wirbelmuster auf, zum Beispiel Fingerabdrücke. Die Lebenslinie war tief, lang und gekrümmt. Die Hand sah wie eine beliebige Hand aus, die Haut hätte zu jedem beliebigen Menschen gehören können. Falls es künstliche Haut war, handelte es sich um erstaunlich gute Arbeit: Angeblich war es am schwersten, natürlich erscheinende Haut hinzubekommen. Und falls es sich um biologische Haut handelte, die man ähnlich wie in einem Labor über einem Gerüst hatte wachsen lassen, war das in anderer Hinsicht erstaunlich. Dem Anschein nach konnte die Haut dieser Menschen unmöglich künstlich sein, aber natürlich waren die Materialwissenschaften weit fortgeschritten, und vieles war möglich. Wenn man sich klare Ziele setzte und die Parameter kannte, war dann nicht praktisch alles denkbar?