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Quarme trat ein.»Sir?»

«Schaffen Sie alle französischen Gefangenen an Bord, und zwar innerhalb einer Stunde. Inzwischen habe ich die neuen Befehle für Captain Ashby fertig, denn wir segeln ohne ihn.»

Quarme starrte ihn an.»Wir segeln, Sir?»

Bolitho gab dem wartenden Pikett ein Zeichen, Charlois an Deck zu führen, und sagte dann gelassen:»Sofort alle Boote zu Wasser. Unsere Männer können das Schiff aus dem Hafen schleppen. Mit einigem Glück erwischen wir draußen eine ablandige Brise und können Kurs aufnehmen.»

Quarme begriff anscheinend immer noch nicht, was da vor sich ging.»Aber Sir, die Leute sind zu durstig und erschöpft für eine so schwere Arbeit. Manche liegen wie tot unter Deck!»

«Dann scheuchen Sie sie hoch, Mr. Quarme!«Er blickte durchs Fenster auf die in der Hitze flirrenden Berge.»Geben Sie alles Wasser aus, bis zum letzten Tropfen! Ich will das Schiff schleunigst auf See haben, verstehen Sie? Heute abend will ich in St. Clar sein und dort verhandeln. «Er sah, daß Quarme völlig verwirrt war, und fuhr beinahe freundlich fort:»Vielleicht ist das die Brise, von der ich vorhin sprach. «Oben auf Deck hörte man das Schrillen der Pfeifen und wie das Wachtboot klariert wurde.»Noch vor dem nächsten Morgenrot, Mr. Quarme, werden wir einiges verändert haben. Entweder haben wir den Weg für weitere Operationen auf dem Festland geebnet — oder wir sind Kriegsgefangene. «Er läche l-te breit in Quarmes starres Gesicht.»So oder so — auf jeden Fall bekommen wir zu trinken.»

Langsam schritt Bolitho über das Achterdeck und hielt seine Uhr dicht an die Kompaßlampe. In ihrem düsteren Schein erkannte er, daß es halb vier Uhr morgens war; vor weniger als einer Viertelstunde hatte er zuletzt auf die Uhr gesehen. Ebenso langsam ging er wieder auf die andere Seite des Achterdecks, jeder Schritt eine konzentrierte Anstrengung, um die Spannung und die immer stärker werdende Verzagtheit zu unterdrücken. Es war volle zwei Stunden her, daß die Hyperion beigedreht und ihre Jolle in das schwarze, wogende Wasser abgefiert hatte. Zwei Stunden Warten und Grübeln, während die Hyperion kaum zwei Meilen vor dem großen Festlandkeil langsam patrouillierte. Bald würde es heller werden. Er starrte durch das schwarze Liniengewirr der Takelage zu den hellen, unbewegt funkelnden Sternen auf, und es kam ihm vor, als stünden manche nur ein paar Fuß über dem langsam kreisenden Besantopp. In ihrem bleichen Glanz standen die Segel ge isterhaft weiß und verletzlich vor dem nachtschwarzen Himmel. Die ablandige Brise hielt sich und wirkte nach der Tageshitze eiskalt. Obwohl das Schiff gefechtsklar war, ruhten die meisten Geschützbedienungen neben ihren Kanonen, noch völlig erschöpft von dem anstrengenden Verholen aus der Einfahrt von Cozar. Sie hatten sich an den Riemen abgelöst, als die Boote das Schiff wie Zugochsen von seinem Liegeplatz weggeschleppt hatten, und nun waren ihre Hände wund und voller Schwielen. Einmal hatte es ausgesehen, als wolle die Hyperion auf den Bänken vor dem Hafenbecken stranden, und nur mit äußerster Anstrengung, unter den Schlägen und Flüchen der Deckoffiziere, konnten die Männer sie freiholen. Aber selbst das war noch nicht genug. Die erschöpften, keuchenden Matrosen hatten hoffnungsvoll nach achtern gestarrt, ob die Segel nicht ein Zeichen von Leben verrieten. Doch die Leinwand hing wie zum Hohn schlapp von den Rahen, als gäbe es überhaupt keinen Wind auf der Welt.

Sonnengedörrte, erschöpfte Männer waren schon unter günstigen Umständen kaum eine geeignete Schleppmannschaft für die schwere Hyperion. Ihre etwa sechzehnhundert Tonnen schienen mit den winzigen Booten, die an ihrem mächtigen Bug zerrten, zu spielen wie ein Junge, der ein paar Maikäfer am Faden hat. Und dann, als schon einer der Kutter zurückgefallen war, weil die Ruderer auf die Schläge und Drohungen des verzweifelten Midshipman einfach nicht mehr reagierten, war die Leinwand plötzlich ins Zittern geraten; müde und ungläubig hatten die Männer auf die Segel und das wie von Katzenpfoten gekräuselte, plötzlich lebendig gewordene Wasser gestarrt. Als es Abend und Nacht wurde, fand das Schiff allmählich seine Kraft wieder, und ein auffrischender Nordwest führte es vorwärts und um die ferne Küstenlinie herum.

Sobald es völlig Nacht geworden war, hatten sie Segel gekürzt und waren immer näher an diesen mächtigen Block tieferer Finsternis herangekreuzt, hinter dem der geschützte Hafen von St. Clar lag.

Jetzt wartete er dort vorn, wie verloren unter den Sternen und vor dem welligen Bergland dahinter. Es gab weder Hafenlichter noch Leuchtfeuer, und mehr als einmal hatte ein nervöser Ausguck ein kleines Fahrzeug auf Gegenkurs gemeldet; aber es waren immer nur irgendwelche dunklere Schatten in der Strömung gewesen, die ihn getäuscht hatten — eine schlimme Nervenprobe für ihn und die ganze Mannschaft.

Bolitho stützte die Hände auf die Reling und blickte starr in die Dunkelheit. Er konnte es nicht lassen, immer wieder darüber nachzudenken, was er getan hatte; und während die Minuten vergingen, kam zu seiner inneren Unsicherheit noch die wachsende verzweifelte Spannung hinzu.

Er hatte Leutnant Charlois gestattet, in der Jolle an Land zu gehen und mit seinen Freunden in St. Clar Kontakt aufzunehmen. Die Erfolgschancen dieses skizzenhaften Planes waren von vornherein gering, und Bolitho quälte sich mit Zweifeln und Erwägungen darüber, was er noch hätte tun können, um ihm wenigstens etwas mehr Aussichten zu geben. Es war kein Trost, daß er noch alle französischen Gefangenen an Bord hatte. Ohne Wasser konnte er sich ebensogut der Garnison von St. Clar ergeben oder sein Schiff vor der Küste versenken.

Er dachte auch an Leutnant Inchs aufgeregtes Pferdegesicht, als er ihm den Befehl über die kleine Besatzung der Jolle erteilt hatte. Inch war ein sehr diensteifriger und mutiger Offizier, aber in solchen Dingen fehlte ihm jede Erfahrung; und Bolitho wußte, daß er ihn im Grunde nur deshalb abkommandiert hatte, weil er der jüngste Leutnant und daher am entbehrlichsten war, wenn Charlois sich für Verrat statt für Unterhandlungen entscheiden sollte.

Plötzlich fiel ihm Midshipman Seton ein. Merkwürdig, daß dieser sich freiwillig gemeldet hatte, Inch zu begleiten, und noch merkwürdiger, daß Bolitho irgend etwas fehlte, weil Seton nicht an Bord war. Aber wenn der Junge auch furchtbar stotterte — etwas konnte er besser als jeder andere an Bord: er sprach fließend französisch.

Quarme tauchte neben ihm auf.»Haben Sie Befehle, Sir?»

Bolitho starrte mit zusammengekniffenen Augen auf den fernen Landbuckel und versuchte, sich daran zu erinnern, wie er auf der Seekarte aussah.»Gehen Sie auf Steuerbordbug, Mr. Quarme.»

Quarme zögerte.»Da geraten wir aber sehr dicht unter Land,

Sir.»

Bolitho sah an ihm vorbei.»Beordern Sie zwei gute Lotgasten in die Rüsten. Wir müssen der Jolle jede mögliche Chance geben.»

Er vernahm die Geräusche beim Dichtholen der Brassen und das Gurgeln der See am Ruder. Wozu das alles? Wenn Inch bereits gefangengenommen war, bedeutete es nur eine Verlängerung der Qual. Mit der Morgensonne würde die Katastrophe kommen. Das Ende.

Ein Aufklatschen draußen, und die dröhnende Stimme des Lotgasten:»Zwanzig Faden!»

Unter den Finknetzen bewegte sich etwas; er sah den kleinen, af-fengesichtigen Midshipman Piper auf Zehenspitzen zum Land hinüberspähen. Merkwürdig, wie er und Seton sich angefreundet hatten. Der kecke, unbekümmerte Piper und der nervöse, stotternde Seton. Aber an den gespannten Bewegungen Pipers merkte Bolitho, wie eng ihre Freundschaft geworden war.

«. und vierzehn dreiviertel«, sang der Lotgast aus, und Bolitho empfand das wie Spott. Hinter diesem Landvorsprung gab es beträchtliche Untiefen. Hinter ihm knarrte das große Rad, und der Rudergast meldete:»Nordwest zu West, Sir, voll und bei!»