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Quarme kam wieder zu ihm. Er war anscheinend sehr nervös.»Wenn dieser Wind abflaut, Sir, kommen wir vom Festland nicht klar.»

Bolitho wandte sich ihm in der Dunkelheit zu.»Das weiß ich so gut wie Sie, Mr. Quarme. Und sogar noch besser, denn die Verantwortung liegt bei mir.»

Quarme blickte zur Seite.»Entschuldigung, aber ich dachte.»

Er verstummte, als der Lotgast erschrocken ausrief:»Zehn Faden!»

Bolitho rieb sich das Kinn. Untiefen. Ein Wort nur, aber es war wie die Bestätigung der totalen Niederlage. Wie von fern hörte er sich sagen:»Wir gehen tiefer in die Bucht hinein. Wenn wir auf der anderen Seite sind, wird es hell, und dann.»

Er fuhr herum. Eine Stimme rief:»Boote Backbord querab, Sir!«Noch während er zu den Finknetzen rannte, schrie der Ausguck:»Drei, nein, vier Boote, Sir!»

Bolitho ergriff ein Teleskop und suchte die dunklen Wellen mit den hellen Sternenreflexen darauf ab. Der Kopf schmerzte ihm vor Konzentration. Und dann sah er sie, niedrige schwarze Gebilde mit Umrissen aus weißem Schaum.

«Mein Gott, die rudern aber!«stieß Rooke hervor.»Schwere Kutter, wie es scheint.»

Bolitho schob das Glas zusammen und reichte es Midshipman Caswell. Aber ehe er etwas sagen konnte, hörte er dicht an seinem Ohr Quarmes Stimme, scharf, eindringlich, kaum beherrscht.»Boote unter Langriemen, Sir! Das sind Rudergaleeren. Mein Gott, die kenne ich von Indien her. Sie haben ein großes Geschütz im Bug, rudern einem Schiff direkt unter den Bug und schießen es zu Kleinholz, ehe es manövrieren und zurückfeuern kann!»

Seine Stimme mußte bis an die andere Seite des Achterdecks gedrungen sein, denn Bolitho sah mehrere Gesichter sich zu ihm wenden und hörte plötzlich erschrockenes Gemurmel.

«Nicht so laut, Mr. Quarme! Wollen Sie, daß unsere Leute durchdrehen?»

Doch Quarme konnte sich anscheinend nicht mehr zurückhalten.»Ich wußte ja, daß so was passieren würde! Aber Sie wollten nicht hören! Ihnen geht es nur um Ihren eigenen Ruhm, alles andere ist Ihnen egal!«Er hatte jetzt sogar Tränen in der Stimme, schien weder zu wissen noch zu bedenken, was er da sagte.

«Seien Sie still, Mann!«fuhr Bolitho ihn an.»Nehmen Sie sich gefälligst zusammen!»

Messerscharf schnitt Rookes Stimme durch das Dunkeclass="underline" »Ich habe alles gehört, Sir!«Die Boote schien er ganz vergessen zu haben. Und alles andere wohl auch, außer der Tatsache, daß Quarme nun dienstlich ein toter Mann war; Rookes Worte klangen wie ein Pistolenschuß.

Quarme fuhr herum und starrte ihn an; sein Körper wurde auf einmal ganz schlaff, und er schwankte mit dem Rollen des Schiffs wie ein Trunkener.

Es war wie ein lebendes Bild, eine Ansammlung regloser Statuen, ohne Einfluß auf das Kommende: Gossett, massig, unbeweglich neben dem Rad; die Geschützbedienungen neben den Neunpfün-dern des Achterdecks, geduckt und wachsam wie erschreckte Tiere. Caswell und Piper, sprachlos vor Schreck, und Rooke an der Reling, Hände auf den Hüften, den Kopf zur Seite geneigt, das Gesicht bleich vor dem Nachthimmel.

Als hätte die See selber gesprochen, durchbrach von unten her eine Stimme die Stille: «Hyperion ahoi! Bitte an Bord kommen zu dürfen!»

Bolitho wandte sich um. Das war Lieutenant Inch gewesen. Gelassen befahl er:»Beidrehen, bitte! Und signalisieren Sie Mr. Inch, daß er längsseit kommen kann. Öffnen Sie die Enternetze für ihn, aber passen Sie auf, falls die anderen irgendwelche Tricks vorhaben!»

Quarme erwachte aus seiner Trance und machte eine Bewegung, als wolle er die Order automatisch ausführen, auf Grund von Disziplin und Gewohnheit. Bolithos Worte jedoch ließen ihn erstarren.»Sie sind abgelöst, Mr. Quarme. Gehen Sie in Ihre Kajüte! Mr. Rooke, Sie übernehmen!»

Quarme stammelte:»Ich meinte doch nur. «Damit drehte er sich um und schritt zur Treppe. Die Männer machten ihm den Weg frei. Sie schämten sich für ihn, und doch konnten sie die Blicke nicht von dem Unglücklichen losreißen.

Bolitho schritt zur Achterdecksleiter und blieb dort eine Weile stehen, bis er Wut und Enttäuschung überwunden hatte und sich achselzuckend mit den Tatsachen abfand. Hätte Rooke nichts gesagt, hätte er Quarmes Insubordination ignorieren können. Hätte sich Quarme nur noch ein paar Sekunden zurückgehalten, nur so lange, bis Inch sich gemeldet hatte, so wäre nichts passiert. Aber tief im Innern wußte er: nie wieder würde er Quarme voll vertrauen können; Rookes Eingreifen spielte da gar keine Rolle. Quarme hatte Angst gehabt, und früher oder später mußte er wieder Angst haben, und dann würde diese Angst vielleicht nicht nur ihn, sondern andere das Leben kosten. Jeder Mensch hatte Angst, wenn er kein Idiot war, das wußte Bolitho genau. Aber die Angst auch zu zeigen, war unverzeihlich.

Säbelklirrend stieg Leutnant Inch die Achterdecksleiter empor und drängte sich atemlos durch die Männer, die ihm schweigend entgegenblickten.»Melde mich zurück, Sir!«Aufgeregt grinste er über sein ganzes langes Gesicht.»Wir haben den Bürgermeister von St. Clar mit an Bord.»

«Und die anderen Boote, Mr. Inch, was sollen die?«Bei dem bedeutungsschweren Ton dieser Frage wurde sich Inch der gespannten Atmosphäre bewußt. Er schluckte.»Ich habe die Wasserkähne gleich mitgebracht, Sir. Ich dachte, das spart Zeit.»

Reglos starrte Bolitho ihn an.»Spart Zeit… Hm. «Und er dachte an Quarme, der dort unten in seinem Privatgefängnis hockte. An Rooke und an all die anderen, die, zum Guten oder zum Schlechten, von ihm abhängig waren.

Unsicher nickte Inch.»Aye, Sir. Die Franzosen haben sich wirklich anständig verhalten. «Erschrocken blickte er an sich herunter, denn etwas Langes, Dunkles war ihm unter dem Rock hervorgerutscht und Bolitho vor die Füße gefallen.

«Und was ist das, Mr. Inch?«fragte Bolitho. Die Spannung hielt ihn gepackt wie ein Schraubstock. Kläglich erwiderte Inch:»Ein Laib frisches Brot, Sir.»

Aus der Dunkelheit klang hilfloses Gelächter auf. Die Midship-men und Geschützbedienungen fielen ein, obwohl die meisten kein Wort verstanden hatten. Aber es lag Erleichterung, Verzweiflung, Dankbarkeit darin — alles zugleich.

Langsam sagte Bolitho:»Schön, Mr. Inch. Sie haben heute Nacht gute Arbeit geleistet. «Noch spürte er, wie die nervöse Spannung an seinen Worten wie an Geigensaiten zupfte.»Jetzt heben Sie Ihr Brot auf und gehen Sie an Ihren Dienst.»

Inch entfloh durch die Reihen der kichernden Matrosen, und Bo-litho fuhr fort:»Klar zum Ankerwerfen, Mr. Rooke. Wie der Fünfte Offizier eben ganz richtig sagte, spart es Zeit.»

Er drehte sich auf dem Absatz um.»Weitergeben an lieutenant Charlois und seinen Bürgermeister: ich empfange beide in meiner Kajüte. «Erst als er unter der Kampanje unnötigerweise den Kopf einzog, fiel die gespannte Wachsamkeit von ihm ab. Jetzt konnte und würde ihn nichts mehr überraschen. Wasserübernahme in Schußweite eines feindlichen Hafens, ein Laib frisches Brot auf den Planken des Achterdecks. Und ein Offizier, der nicht im feindlichen Feuer, sondern unter dem Druck seiner Zweifel zusammengebrochen war.

Er hörte das Klappern der Blöcke und das protestierende Schlagen der Segeclass="underline" schwerfällig drehte sich das Schiff in den Wind, um vor Anker zu gehen. Unten wartete Allday schon, und auf dem Tisch stand ein volles Glas Brandy.

«Was starren Sie mich an, Allday?«Ärgerlich blickte er auf sein Spiegelbild im Heckfenster. Selbst im schwachen Licht der beiden Hängelampen erkannte er, wie erschöpft, ja beinahe verstört er aussah.»Sind Sie gesund, Captain?«fragte Allday besorgt.

Müde sank Bolitho auf die Fensterbank und starrte seinen Degen an.»Diesmal ist es nicht das Fieber, Allday«, seufzte er.

Der Bootsführer nickte.»Das kommt alles wieder klar, Captain.«Ärgerlich fuhr er herum, als draußen vor der Tür Schritte erklangen.»Soll ich sie wegschicken?»

«Nein, Allday«, erwiderte Bolitho mit einem raschen Blick voller Zuneigung;»wenn alles wieder klarkommen soll, wie Sie prophezeien, dann müssen wir jetzt ein bißchen was dafür tun.»