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Flotten Schrittes trat Midshipman Piper in Bolithos Kajüte, blieb aber stehen, als er seinen Kommandanten nachdenklich durch die großen Heckfenster starren sah.

«Mr. Rooke meldet mit Respekt, Sir, daß der Ausguck soeben Cozar in Lee voraus gesichtet hat. «Hoffnungsvoll glitten seine Augen zu einem unberührten Teller mit Essen, der auf dem Tisch stand.

Bolitho wandte sich nicht um.»Danke. «Halb im Selbstgespräch fuhr er fort:»Wenn alles klappt, laufen wir also in etwa drei Stunden ein.»

Überrascht von diesem Vertrauensausbruch, nickte Piper gravitätisch.»Aye, Sir, Bramsegel und Royals ziehen großartig, da werden wir keine Schwierigkeiten haben.»

Bolitho wandte sich um und sah ihn blicklos an.»Sie können etwas für mich tun, Mr. Piper. «Was der Junge eben gesagt hatte, war gar nicht bis in sein Bewußtsein gedrungen.»Bestellen Sie Mr. Quarme, er soll sofort zu mir kommen.»

«Aye, aye, Sir. «Piper eilte hinweg und überlegte sich, wie er diese vertrauliche Unterhaltung mit dem Kommandanten den weniger informierten Bewohnern des Midshipman-Logis schildern würde.

Bolitho ließ sich wieder auf die Sitzbank fallen und starrte fast angeekelt auf das unberührte Mahl. Er hatte Hunger, gewiß, aber beim bloßen Gedanken an Essen wurde ihm regelrecht übel. Merkwürdig, daß er, obwohl alles so planmäßig gelaufen war, weder Freude noch Befriedigung empfinden konnte. In der frischen nordwestlichen Brise pflügte das Schiff wie neubelebt durch die weiß-köpfige See, und selbst das harte Sonnenlicht war nicht mehr so drohend und gefahrverkündend. Alle Segel standen, alle Wanten und Stage summten wie die Saiten eines gut gestimmten Instruments; es war, als freue die Hyperion sich selbst über ihre neue Vitalität. Und noch anderes war an Bord zu hören, das ihm eigentlich sein Selbstvertrauen hätte zurückgeben müssen: die Leute sangen oder tauschten Zurufe bei der Arbeit aus, denn sie hatten keine unmittelbaren Sorgen mehr — Trinkwasser war reichlich vorhanden, und Durst, der Schrecken des Matrosen, war nur noch eine fernliegende Drohung wie andere Mißgeschicke auch.

Bolitho starrte auf das schäumende Kielwasser und das Dutzend kreisender Möwen, die dem Schiff folgten, seit es von St. Clar ausgelaufen war. Sogar jetzt noch konnte er nur schwer glauben, was geschehen war: die geheimnisvollen Boote, die fremdartigen französischen Stimmen in der Dunkelheit; der aufgeregte Inch, das Gespräch mit lieutenant Charlois und dem Bürgermeister von St. Clar. Letzterer war ein kleiner, ledergesichtiger Mann im Samtrock gewesen, lebhaft, mit raschen Gesten und entwaffnendem Lachen. Während die Mannschaft eifrig die Trinkwasserbehälter an Bord hievte, hatte Bürgermeister Labouret Charlois' Angaben vollauf bestätigt: Die Leute von St. Clar liebten die Engländer nicht; aber sie kannten sie auch nicht. Die Revolution dagegen kannten sie und wußten, was in ihrem Namen bisher geschehen war und was noch geschehen würde, wenn es so weiterging.

Bolitho hatte fast ohne Unterbrechung zugehört. Im Geist sah er die Revolution mit neuen Augen und empfand dabei das gleiche unbehagliche Gefühl wie damals, als seine Männer an Bord der Fregatte Phalarope gemeutert hatten. Diese Meuterei hatte ihre Ursachen in den Handlungen anderer gehabt und war ausgebrochen trotz aller seiner Bemühungen, sie zu verhindern und alte Fehler wieder gutzumachen. Doch als sie kam, war sie ebenso schnell und schrecklich, als hätte er sie selbst provoziert. Und als er den beiden Franzosen zuhörte, hatte er tiefes Mitgefühl empfunden. Für sie mochte St. dar der Mittelpunkt der Welt sein, aber er wußte, daß ihre Sache bereits verloren war.

«Ich habe mein Wort gehalten, Capitaine«, hatte Charlois geschlossen.»Sie bekamen Wasser und die Besatzung der Fairfax.«Dabei hatte er etwas verlegen gelächelt.»Die Schaluppe selbst mußten wir einstweilen behalten, das verstehen Sie doch? Es wäre nicht gut, unsere Karten ganz aufzudecken — eh?»

Bolitho verstand durchaus. Wenn Lord Hood einen weiteren Angriff auf das Festland scheute, dann mochte die Schaluppe den Bürgern von St. Clar als einziges Zeugnis ihrer Loyalität vor einem rachedürstenden Revolutionsgerichtshof dienen.

In der hellen Morgensonne hatte die Hyperion Anker gelichtet und war vor den auffrischenden Wind gegangen. Die Franzosen hatten nicht nur die Besatzung der Schaluppe überstellt und Trinkwasser geliefert, sondern sogar die verbrauchten und halbverfaulten Wasserfässer der Hyperion durch neue ersetzt. Das war eine Geste des guten Willens; sie hatten auch noch berittene Wächter ein Stück landeinwärts geschickt, damit sie sicher sein konnten, daß die Anwesenheit der Hyperion unentdeckt geblieben war.

Im Frühlicht, als die Wasserleichter abgelegt hatten, war Rooke aber doch die Bemerkung entfahren:»Ich bezweifle, daß die Frogs diesen Handel lange geheimhalten können. Irgendein verdammtes Fischerboot wird die Nachricht an die nächste Garnison verkaufen.»

Kalt hatte ihm Bolitho erwidert:»Mag sein, daß Sie solchen Verrat schon erlebt haben, Mr. Rooke. Doch bei mir zu Hause in Cornwall ist die Loyalität ganzer Städte und Dörfer durchaus nichts Ungewöhnliches. «Darauf hatte Rooke geschwiegen. Vielleicht hatte er im bleichen Morgenlicht eine Warnung in den Augen seines Kommandanten gelesen.

Mißmutig starrte Bolitho jetzt das Schriftstück an, das vor ihm auf dem Tisch lag. Noch ein paar Zeilen, und er war fertig. Wenn er von Lord Hood Rat und volle Unterstützung bekam, war eine richtige Invasion immer noch möglich. So oder so würde St. Clar zum Kampfgebiet werden.

Er streckte die Hand aus und griff nach dem unvollendeten Bericht. Dieser eine Punkt war ein Fleck auf dem Ganzen und erfüllte ihn mit tiefem Mißmut. Er mußte mit Quarme sprechen, ihm sagen, er solle den Mund halten. Dann ließ es sich vielleicht irgendwie arrangieren, ihn nach England zu schicken. Jetzt, da sich das Land wieder im Krieg befand, war es unwahrscheinlich, daß der Ausrutscher eines kleinen Leutnants viel Aufsehen erregen würde. Quar-me konnte von neuem anfangen. Wenn er ihn auf eigene Verantwortung fortschickte, konnte er ihn vor dem Kriegsgericht retten, mit dem Risiko allerdings, selbst den Prozeß gemacht zu bekommen. Blieb nur noch Rooke. Stirnrunzelnd biß er sich auf die Lippe. Aber in erster Linie kam es auf Quarme an und wie er es verkraftet hatte, so lange mit seinen Gedanken allein zu bleiben.

Es klopfte, doch als er aufblickte, sah er nicht Quarme, sondern den Steuermann.

«Tut mir leid, Mr. Gossett, aber wenn es nicht sehr wichtig ist, müssen Sie später kommen.»

Gossett schien schwer erschüttert. Sein mächtiger Körper schwankte mit dem Schiff wie ein Baum im Wind.

«Ich habe den jungen Mr. Piper getroffen, Sir. Er war sehr aufgeregt, und da dachte ich, ich sag' Ihnen lieber selbst, was passiert ist.»

Bolitho starrte ihn an. Plötzlich überlief es ihn eiskalt.

Langsam nickte Gossett.»Mr. Quarme ist tot, Sir. Hat sich in seiner Kajüte erhängt.»

«So. Erhängt. «Bolitho wandte sich ab, um sein Entsetzen zu verbergen. Gossett räusperte sich laut.»Der arme Kerl. Hat in letzter Zeit große Sorgen gehabt.»

Bolitho wandte sich um und blickte dem Steuermann ins Gesicht.»Als ich Cozar mit der Chanticleer nahm, konnte ich beobachten, wie die Hyperion ihre Scheinangriffe fuhr und das Feuer der Batterie auf sich zog. Das war erstklassige Seemannschaft. «Er ließ seine Worte wirken und merkte, daß Gossetts Augen erschrocken aufflackerten.»Seemannschaft«, fuhr er fort,»die in jahrelangem Dienst und in feindlichem Feuer erworben sein mußte.»

Gossett trat von einem Fuß auf den anderen.»Wird schon so sein,

Sir.»

«Sie haben die Hyperion an jenem Tage gesegelt, nicht wahr? Ich will die Wahrheit wissen.»