Als jedoch» Klar zum Ankerlichten «gepfiffen wurde und As h-bys Marine-Infanteristen betrübt von der Festung wieder an Bord stampften, fiel die aufgeflammte Begeisterung in sich zusammen und verwandelte sich in Verwirrung und Enttäuschung.
Doch wenigstens brauchten die Offiziere der Hyperion nicht ständig neue Tricks zu erfinden, um die Mannschaft auf der Rückreise nach Gibraltar zu beschäftigen. Trotz des klaren Himmels frischte der Wind erheblich auf, sobald sie Cozar zurückgelassen hatten. Während das alte Schiff stampfend seinen Weg nach Südsüdwest nahm und die Südküste von Spanien umrundete, lag es manchmal so hoch am Wind, daß es ihn fast von vorn hatte und mühsam gegenan kreuzen mußte. Tag um Tag ging es so, ohne Atempause. Kaum waren die Männer von den Masten herunter und zu einer kurzen Rast im Logis, da gellte schon wieder der Ruf:»Alle Mann an Deck!«und» Aufentern zum Segelkürzen!»
Nicht daß es unter Deck viel Erholung gab. Die Stückpforten waren wegen des peitschenden Spritzwassers abgedichtet, und der Gestank nach Bilgewasser und hastig geschmortem Essen konnte aus dem engen Logis nicht abziehen. Die Hyperion wurde mit dem kurzen, knüppeligen Seegang schlecht fertig. Das monotone Quietschen der Lenzpumpen tönte so regelmäßig und unaufhörlich durchs Schiff, daß man es gar nicht mehr bemerkte, bis es beim Wachwechsel auf kurze Zeit verstummte.
Am Morgen des zehnten Tages lief das Schiff dankbar in die Reede unterhalb des Felsens von Gibraltar ein; die Mannschaft war zu erschöpft und niedergeschlagen, um sich über Reisezweck oder Zukunft Gedanken zu machen.
Reglos saß Bolitho in der Kajüte. Die feucht an ihm klebende Kleidung widerte ihn an, aber er war zu müde, um aufzustehen. Ihm war, als sei er während der ganzen Reise nie länger als fünf Minuten unter Deck gewesen, und in der eleganten Kajüte fühlte er sich deplaciert und schmutzig. Die vier Leutnants, die das Schiff noch besaß, waren diensteifrig genug gewesen, aber ihnen fehlte jede Erfahrung mit schwierigem Wetter. Bolitho war überzeugter denn je, daß Kapitän Turner die eigentliche Schiffsführung nie jemand anderem als Quarme oder Gossett anvertraut hatte; jetzt wurden die Resultate dieser Einseitigkeit schmerzhaft deutlich.
Rooke trat ein und meldete müde:»Signal von der Fregatte Har-vester, Sir. Hat Depeschen für Sie. «Seine Stimme war tonlos vor Erschöpfung. Er schwankte, riß sich aber unter Bolithos prüfendem Blick zusammen. Stärker als seine Kameraden war er sich seiner Unzulänglichkeit bewußt, und diesmal konnte er keinem anderen die Schuld zuschieben.
Bolitho erhob sich mühsam aus dem Sessel und trat ans Heckfenster. Durch die salzverkrustete Scheibe konnte er die Fregatte vor Anker liegen sehen. Ihr roter Wimpel hob sich leuchtend gegen den Felsen ab. Ihm schien, als hätte sie sich seit damals, als er nach seiner Ankunft aus England von Bord gegangen war, überhaupt nicht vom Fleck gerührt. War es wirklich erst zwei Monate her? Ihm kam es so lange vor wie ein ganzes Leben.
Knapp zwei Kabellängen vor der Fregatte lagen die drei schweren Transporter und eine kleine, tänzelnde Achtzehner-Schaluppe. Wieder fielen ihm Pomfrets Befehle ein. Er hatte sie dutzende Male durchgelesen, und sie waren ihm die ganze Zeit nicht aus dem Kopf gegangen, auch als er sein Schiff in die kreischende Hölle aus Wind und Gischt hineintrieb. Nun, alle an Bord würden sie bald genug zu hören bekommen, dachte er müde. Mit einem Mann wie Pomfret stellte man sich am besten von Anfang an auf den richtigen Fuß.
«Soll ich ein Boot hinüberschicken, Sir?«fragte Rooke.
«Nein. «Bolitho rieb sich mit den Fingerknöcheln die Augen.»Signalisieren Sie der Harvester und der Schaluppe Snipe: Kommandanten sofort zu mir an Bord! <»
Rooke war verunsichert.»Gehören die auch zu unserem Geschwader, Sir?»
«Ja, Mr. Rooke. Und das Geschwader fährt Geleit für die drei Transporter nach Cozar.»
Bei diesen Worten mußte er an Pomfret und sein Flaggschiff denken. Der hätte das Geleit ebensogut selbst übernehmen können; wenn er eine Fregatte oder auch nur die Chanticleer nach Cozar vorausgeschickt hätte, wäre das Ungewisse Warten auf neue Befehle schnell vorbei gewesen. Aber Pomfret war mit seinen Begleitschiffen und einem ziemlich schnellen Transporter losgesegelt; an Bolithos Schwierigkeiten und seinen Mangel an Frischwasser hatte er überhaupt nicht gedacht — oder sie waren ihm gleichgültig gewesen.
Als er sich vom Fenster abwandte, war Rooke bereits draußen, und an der Tür stand Gimlett, zeigte grinsend seine Eichhörnchenzähne und rieb sich nervös-erwartungsvoll die Hände.
«Ein neues Hemd, Gimlett!«befahl Bolitho.»Und legen Sie mir gleich eine frische Uniform aus. Ich habe Besuche zu machen. «Er rieb sich das Kinn und fuhr fort:»Ich will mich waschen und rasieren, ehe die beiden Kommandanten an Bord kommen.»
Als Leach, der Kommandant der Fregatte, und Tudor, der Kommandant der Snipe, in seine Kajüte geführt wurden, war Bolitho wenigstens äußerlich so frisch und munter wie ein Mann, der seine Tage an Land in einem komfortablen Haus verbracht hatte. Er wartete, bis Gimlett seinen Besuchern Wein eingeschenkt hatte, und sagte dann:»Willkommen an Bord, meine Herren. Ich nehme an, Sie sind sofort segelfertig?»
Leach nickte.»Admiral Pomfret hat uns instruiert, bei den Transportern zu bleiben, nachdem der erste Geleitzug abgesegelt war. Wie es scheint, werden derartige Schiffe, wenn sie ungeschützt segeln, in den letzten Wochen regelmäßig angegriffen, und mir ist wohler, wenn Ihre Hyperion auf uns aufpaßt. «Er lehnte sich etwas bequemer zurück.»Freut mich übrigens, Sie wiederzusehen, Sir. Ich nehme an, der junge Seton ist seine Seekrankheit inzwischen los?»
Tudor, ein breitgesichtiger Leutnant, sprach jetzt zum erstenmal. Entweder hatten ihm der Wein oder Leachs offenbare Vertrautheit mit Bolitho Mut gemacht.»Ich weiß nicht, ob ich das richtig verstanden habe, Sir. «Die beiden blickten ihn an, und er fuhr leicht verwirrt fort:»Der Admiral hat befohlen, daß eines der für NeuHolland bestimmten Schiffe, die Justice, hierbleiben soll. Es ist mir klar, daß die beiden Vorratsschiffe für unser Geschwader lebenswichtig sind — «, er hob hilflos die Schultern —,»aber ein Sträflingsschiff sollte nicht unbewacht zurückbleiben.»
Bolitho blickte ihn ernst an.»Es bleibt auch nicht zurück. «Gleichzeitig setzten sie ihre Gläser ab und blickten ihn einer wie der andere erschrocken an.»Die Justice«, fuhr Bolitho fort,»segelt mit uns nach Cozar.»
«Aber, Sir«, protestierte Leach,»das ist doch ein Sträflingsschiff! Herrgott, sie hat dreihundert Gefangene an Bord!»
«Das weiß ich. «Bolitho blickte auf den Tisch nieder, wo Pom-frets Order lag. Er konnte Leachs Verwirrung durchaus begreifen. Pomfret mußte Bellamy von der Chanticleer bis aufs Hemd ausgefragt haben, bevor er diese überraschende Entscheidung traf. Wie er in seiner Order geschrieben hatte:». anscheinend ist ein Teil der Befestigungsanlagen auf Cozar in schlechtem Zustand und völlig unzureichend. Da keine anderen Arbeitskräfte für die Instandsetzung zur Verfügung stehen und mir Lord Hood volle Entsche i-dungsgewalt übertragen hat, beabsichtige ich, einen Teil des Sträflingstransports, nämlich die Belegschaft des Transports Justice, dazu zu verwenden, und unterstelle diese hiermit meinem Kommando.»