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Einige Wachtposten auf den Decksgängen trugen Peitschen, die sie geübt gegen ihre Stiefel schnippen ließen, während sie darauf warteten, daß Bolitho endlich seine Rede hielt und sich dann um seine eigenen Angelegenheiten kümmerte.

Lernten die Menschen denn nie aus früheren Ereignissen? fragte sich Bolitho. Sinnlose Brutalität hatte mit vernünftiger Ordnung und Disziplin nichts zu tun. Erst vor einem knappen Jahr waren einige Meuterer der Bounty, die das Pech gehabt hatten, erwischt zu werden, in Portsmouth vor den Augen der ganzen Flotte an den Rahen gehenkt worden; und doch interessierten sich manche Leute mehr für Bestrafung als für die Frage, wie man Meutereien verhindern konnte.

«Ich werde euch nicht lange aufhalten. «Bolithos Stimme übertönte ohne Anstrengung das Knarren der Spieren und Blöcke.»Ich bin nicht hier, um euch zu richten oder zu verurteilen. Das haben bereits andere getan. Ich habe euch nur zu eröffnen, daß euer Transport nach Neu-Holland verschoben worden ist. Für wie lange, das kann ich jetzt noch nicht sagen. «Nun hörten alle mit höchster Spannung zu.»Dieses Schiff segelt im Geleitzug nach der Insel Cozar, die etwa sechshundert Meilen entfernt ist. Dort werdet ihr durch eure Arbeit einen Beitrag im Kampf gegen die Feinde unseres Vaterlandes leisten!»

Wie ein einziger Seufzer stieg es von den dichten Reihen hoch; und als Bolitho, verwundert über diese Reaktion, Hoggan anblickte, sagte der gleichgültig:»Manche hatten Frauen und Kinder dabei. «Er deutete unbestimmt nach Lee.»Die sind schon mit dem Hauptkonvoi vorausgesegelt.»

Angewidert von Hoggans Gleichgültigkeit und entsetzt darüber, was seine Worte für die Sträflinge bedeuteten, starrte Bolitho hinunter. Er hätte daran denken müssen, daß Männer und Frauen auf verschiedenen Schiffen transportiert wurden — eine durchaus zweckmäßige Maßnahme. Aber er hatte diese Menschen nur als gesichtslose Wesen gesehen; daß manche auch Familie hatten, war ihm gar nicht in den Sinn gekommen. Und da tönte auch schon eine Stimme zu ihm empor:»Aber meine Frau, Sir! Was soll sie ohne mich anfangen?»

«Halt's Maul, du verrotztes Schwein!«brüllte Hoggan.

Bolitho hob die Hand.»Ich will versuchen, darauf zu antworten, Captain. «Zu den Sträflingen gewandt, fuhr er fort:»Der Krieg läßt uns in dieser Sache keine Wahl. Meine eigenen Männer haben seit vielen Monaten keinen Fuß an Land gesetzt, manche seit Jahren nicht. Auch sie haben Familien.»

Der Mann von unten rief dazwischen:»Aber meine Frau ist nicht in ihrer Heimat, sondern weit weg, irgendwo da drau-ßen…«Unvermittelt schien der Ärmste den ganzen Schrecken des Begriffs Deportation zu erfassen.

Bolitho sprach weiter:»Ich werde für euch tun, was ich kann. Wenn ihr gute Arbeit leistet und gehorcht, wird sich das bestimmt zu euren Gunsten auswirken. Strafnachlaß oder Aufhebung des Urteils liegen durchaus im Bereich der Möglichkeiten. «Er wollte weg von diesem Elendsschiff, hatte aber nicht das Herz, ihnen einfach den Rücken zu drehen und sie ihrer Verzweiflung zu überlassen.»Denkt immer daran: Wer oder was ihr auch sein mögt, Engländer seid ihr alle und steht einem gemeinsamen Feind gegenüber.»

Er brach ab, denn Allday sagte leise:»Die Boote der Hyperion kommen zurück, Captain. Mr. Rooke macht sich wohl Sorgen wegen dem Wind.»

Bolitho nickte und wandte sich an Hoggan.»Sie können klarmachen zum Ankerlichten. Wir segeln sofort. «Er sah noch, wie die Masse der emporgewandten Gesichter in kleine ratlose Gruppen auseinanderbrach, und fuhr eindringlich fort:»Versuchen Sie, ihnen das Leben nicht noch schwerer zu machen, Captain.»

Mit offenkundiger Feindseligkeit sah Hoggan ihn an.»Wollen Sie mir etwa Befehle erteilen, Sir?»

«Da Sie es so ausdrücken — ja!«Bolithos Augen wurden kalt und hart.»Und ich mache Sie persönlich dafür verantwortlich. «Ohne ein weiteres Wort schritt er hinter Allday her.

Während die Gig tapfer einen immer heftiger werdenden Tanz mit den weißbemützten Wellen austrug, starrte Bolitho zur Hyperion hinüber und dachte über die Wandlung, die er — so kam es ihm jedenfalls vor — während seines kurzen Besuchs auf der Justice durchgemacht hatte. Er wußte, daß es auf Täuschung beruhte, aber nach der Atmosphäre von Hoffnungslosigkeit und Verfall auf dem Sträflingsschiff kam ihm die Hyperion wie eine vergleichsweise heile Welt vor. Beim Anblick ihrer hohen, gischtübersprühten Bordwand und der zweckmäßigen, zielstrebigen Arbeit der Männer wurde er ruhiger; seine durcheinanderwirbelnden Gedanken beruhigten sich. Schnell kletterte er durch die Pforte und passierte, indem er flüchtig an den Hut tippte, die zu seinem Empfang angetretene Abteilung. Er befahl Leutnant Inch:»Sofort Boote einholen und festmachen! Und melden Sie Vollzug!«Dann erst hatte er das vage Gefühl, daß irgend etwas nicht stimmte. Normalerweise hätte er das sofort gemerkt, aber er hatte zu lebhaft an die Sträflinge gedacht. Inch starrte nach achtern; er folgte seinem Blick und begriff, warum der Leutnant so nervös war.

Allday, der eben durch die Fallreepspforte kletterte, konnte sich nicht enthalten auszurufen:»Na so was! Ein Frauenzimmer auf dem Achterdeck!»

Mit erzwungener Ruhe und gefährlich leise fragte Bolitho:»Wollen Sie bitte so freundlich sein und mir erklären, was das zu bedeuten hat, Mr. Inch?»

Der Leutnant schluckte verlegen.»Sie kam in einem Boot an Bord, Sir. Von der Festung. Sie hat einen Brief..»

Bolitho schob ihn beiseite.»Ich werde das selbst in Ordnung bringen, da Sie ja anscheinend den Verstand verloren haben!«Mit langen Schritten ging er nach achtern und die Decksleiter hinauf; er hatte Herzklopfen vor Ärger.

Da stand, stirnrunzelnd und nervös, Leutnant Rooke, und neben ihm Midshipman Seton, der merkwürdigerweise trotz des Captains gefahrdrohender Miene lächelte.

Dann erst sah er das Mädchen. Es trug ein grünes Samtkleid, zu dem ein breiter spanischer Sonnenhut, mit rotem Band unterm Kinn festgebunden, stark kontrastierte. Sie bemühte sich, den Hut in der steifen Brise festzuhalten und gleichzeitig zu verhindern, daß ihr das lange Haar ums Gesicht peitschte.

«Wollen Sie mir dafür bitte eine Erklärung geben?«fragte Bo-litho, gereizt von einem zum ändern blickend.

Rooke setzte zum Sprechen an, aber das Mädchen sagte gelassen:»Ich bin Cheney Seton, Captain, und habe für Sie einen Brief von Sir Edmund Pomfret. «Sie fuhr mit der Hand in eine Rocktasche und brachte ein Kuvert zum Vorschein; dabei blickte sie fest in Bolithos ärgerliches Gesicht. Ihre großen Augen waren so blaugrün wie die See, rätselhaft und sehr ernst; auch ihre Stimme verriet nichts über ihre Gedanken und Gefühle. Etwas ratlos nahm Bolitho den Brief entgegen; er hatte den Sinn ihrer Worte nicht gleich erfaßt.

«Seton, sagten Sie?»

«S-Sir, sie ist m-meine Schwester. «Midshipman Seton verstummte unter Bolithos kaltem Blick.

Unbewegt fuhr das Mädchen fort:»Tut mir leid, wenn ich Ihnen Ungelegenheiten verursache, Captain. «Sie deutete auf ein Häufchen Gepäck.»Aber wie Sie sehen, liegt hier kein Irrtum vor.»

Bolitho sah Seton streng an.»Wußten Sie davon, Mr. Seton?»

«Er hat nichts gewußt. «Sie sprach mit einer gewissen Schärfe, und wäre Bolitho nicht so wütend gewesen, hätte er vielleicht gesehen, daß sie sich kaum noch beherrschen konnte.»Ich war beim Geleitzug nach Neu-Holland. «Sie zuckte die Achseln, als sei das jetzt unwichtig.»Nun soll ich mit Ihnen zu dieser Insel segeln.»