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«Wollen Sie mich bitte nicht unterbrechen, Miss, äh, Seton, wenn ich mit einem meiner Offiziere spreche!«Bolitho war bereits etwas unsicher geworden; aus dem Augenwinkel sah er ein paar neugierige Matrosen unterhalb des Achterdecks.

Ebenso scharf wie er erwiderte sie:»Dann wollen Sie bitte nicht von mir sprechen, als sei ich ein Stück Inventar Ihres Kanonenboots, Captain!»

Dalby, der Dritte Offizier, der sich in Hörweite befand, sagte hilfsbereit:»Das ist kein Kanonenboot, Miss. >Linienschiff< heißt das bei der Marine.»

Jetzt brüllte Bolitho los:»Und wer hat Sie gefragt, Mr. Dalby?«Wütend fuhr er herum.»Mr. Rooke, bitte lassen Sie >Klar zum Ankerlichten< pfeifen, und geben Sie die entsprechenden Signale an den Geleitzug!«Dann wandte er sich wieder Miss Seton zu. Jetzt ließ sie die Arme hängen, denn anscheinend machte es ihr nichts mehr aus, daß ihr Haar, tief kastanienbraun, wie er feststellte, vom Wind gezaust wurde.

«Wenn Sie mitkommen wollen, Miss Seton, kann ich mir diese Geschichte etwas ausführlicher anhören.».

Allday und Gimlett eilten voraus, und Bolitho folgte ihnen mit dem Mädchen den Kampanjeniedergang hinunter. Es war schlank und trug den Kopf trotzig hoch. Dieser verdammte Pomfret soll zur Hölle fahren, dachte er wütend. Warum hatte er ihm nichts von diesem Mädchen gesagt? Schlimm genug, daß er die Hyperion zu einer Zeit, in der es durchaus zum Kampf kommen konnte, überhaupt nach Gibraltar geschickt hatte. Aber dann noch Setons Schwester vorzufinden und sie wie ein weiteres Stück von Pomfrets

Privatgepäck mitnehmen zu müssen, war beinahe mehr, als er ertragen konnte.

Sie trat in die Kajüte und blickte sich mit der gleichen ernsthaften Aufmerksamkeit um wie vorhin an Deck. Etwas ruhiger begann Bolitho:»Und nun können Sie mir die Sache vielleicht erklären?»

«Haben Sie etwas dagegen, daß ich mich setze, Captain?«fragte sie und blickte ihn gelassen an.

«Bitte sehr. «Bolitho riß den Brief auf und trat damit zum Fenster. Da stand es. So weit, so gut. Schließlich sagte er:»Ich weiß immer noch nicht, warum Sie nach Cozar wollen.»

«Und ich weiß nicht, ob Sie das etwas angeht, Captain. «Sie faßte die Armlehnen ihres Sessels fester.»Aber da es bald allgemein bekannt sein wird — ich reise nach Cozar, um Sir Edmund Pomfret zu heiraten.»

Bolitho starrte sie sprachlos an.»Ach so«, sagte er endlich.»Verstehe.»

Sie lehnte sich im Sessel zurück; mit ihrem Trotz war es offensichtlich vorbei.»Das glaube ich kaum«, erwiderte sie müde.»Aber wenn Sie mir freundlicherweise sagen wollen, wo ich wohnen kann, werde ich mir Mühe geben, Ihnen aus dem Weg zu gehen.»

Bolitho sah sich ratlos um.»Hier. Ich lasse mir im Kartenraum ein Bett aufstellen. Hier haben Sie Platz genug.»

Sekundenlang hatten ihre Augen einen Ausdruck, als amüsiere sie sich heimlich.»Wenn Sie meinen, Captain?»

Jetzt kam Allday — für Bolitho wie der Strohhalm eines Ertrinkenden.»Bringen Sie meine Sachen in den Kartenraum, Allday! Ich will mich sofort umziehen — meine Alltagsgarnitur!«Zum Teufel mit dem Mädchen, dachte er; es macht sich über mich lustig, weil ich mich wie ein Narr anstelle.»Also holen Sie Gimlett, und sagen Sie ihm Bescheid!»

Allday warf einen raschen Blick auf das Mädchen im Sessel. Doch sein Gesicht blieb ausdruckslos. Er sagte nur:»Sieht nach einer steifen Brise aus, Captain. «Damit verschwand er.

Ein paar Minuten später kam Bolitho aufs Achterdeck, und die Unterhaltung der Offiziere verstummte wie abgeschnitten, als hätte er sie angebrüllt.

Rooke meldete:»Transporter haben Anker kurzstag, Sir. «Er nahm sich mächtig zusammen; wahrscheinlich, dachte Bolitho, freut es ihn wenig, das Schiff unter dem Teleskop jedes Kapitäns in Gibraltar aus dem Hafen segeln zu müssen. Bolitho hatte seinen kleinen grausamen Spaß daran.»Schön, Mr. Rooke«, sagte er kurz,»setzen Sie Segel, bitte. «Gossett blickte wie ein trauriger Bullenbeißer herüber.»Stecken Sie einen Kurs in Luv der Landspitze ab, Mr. Gossett, und stellen Sie zwei gute Männer ans Ruder. «Er konnte sich nur mit Mühe beherrschen, so ärgerlich war er, als er an der Reling Aufstellung nahm und den Blick langsam über sein Schiff schweifen ließ. Die Männer standen schon an den Speichen des Ankerspills, die Seesoldaten an den Brassen, die Toppgasten warteten auf den Befehl zum Aufentern.

«Signal an Geleitzug: >Anker lichten««, befahl er, nahm ein Teleskop zur Hand und beobachtete, wie die Transportschiffe seeklar machten.

Als die Flaggen hochstiegen, setzte Rooke das Sprachrohr an und brüllte:»Klar bei Gangspill!«Tomlin, der Bootsmann, zeigte grinsend seine beiden Hauer und winkte bestätigend mit der Hand. Rooke leckte sich nervös die Lippen.»Setzt Vorsegel! Aufentern und Toppsegel los!»

Wortlos sah Bolitho zu, als die Toppgasten wie eine menschliche Flutwelle aufenterten, denn die Rohrstöcke der Deckoffiziere und Bootsmannsmaaten trieben die Säumigen mit mehr Enthusiasmus an als sonst. Anscheinend spürten sie die Gereiztheit ihres Kommandanten und wollten kein Risiko eingehen.

«Hol' dicht die Brassen!»

Keuchend vor Anstrengung warfen sich die Männer am Gangspill in die Speichen; der mächtige Anker riß sich aus dem Schlick und Sand des Hafens, schwerfällig legte sich die Hyperion in die stärker auffrischende Brise. Dann traf sie die volle Kraft des Windes, sie krängte noch mehr, die Matrosen auf den Rahen kämpften mit Händen und Füßen, um die großen Bäuche der sich unter ihnen entfaltenden Segel zu bezwingen. Mehr und mehr nahm die Hyperion Fahrt auf, die Rahen spannten sich knarrend wie riesige Bogen. Die Ankermannschaft verkattete flink den Anker, dann pflügte die Hyperion, schon auf Kurs, durch die Gischt stiebenden Wellen; und die Zuschauer an der Küste sahen sie ihres stolzen Namens würdig.

«Alle Schiffe sind Anker auf, Sir«, meldete Caswell.

«Recht so. Signalisieren Sie: >Auf Station wie befohlen<. «Er zog sich den Dreispitz fest in die Stirn und blickte zum Wimpel empor. Der stand steif wie ein Speer.

«Neues Signaclass="underline" >So viele Segel wie möglich setzen<. «Nur nicht gleich zu viel signalisieren, dachte er grimmig. Später würde er noch Veranlassung genug haben, die Säumigen anzutreiben.

Wie ein Terrier hinter den Bullen überholte die winzige Schaluppe Snipe unter geschwelltem Großsegel das vorderste Transportschiff. Ihr Platz war an der Spitze des Konvois. Die Hyperion und die Fregatte würden in Luv bleiben, in diesem Falle also achteraus; so hatten sie die Möglichkeit, jederzeit schnell vorzustoßen, wenn sie ihr Geleit verteidigen mußten.

Bolitho musterte die Harvester im Teleskop: ihr schlanker Bug stieg und fiel kraftvoll und graziös wie ein schönes starkes Raubtier mit den nun anrollenden großen Hochseewellen. Die Hyperion schob in diesem Seegang nur lässig ihre mächtige Schulter vor und hüllte sich dann in Gischt wie in ein Tuch. Bei dem achterlichen Wind arbeitete das Deck in stetigem Stampfen; die Luft darüber war erfüllt vom Jaulen der Takelage und dem alles beherrschenden Schlagen und Rauschen der Segel, in denen die Matrosen, von unten winzig anzusehen, immer noch kämpften, um entsprechend Bolithos jüngstem Befehl mehr Segel zu setzen.

Auf einmal fiel ihm die Frau wieder ein, die dort unten in seiner Kajüte saß. Ihretwegen war er so gereizt. Aber dann sah er Gossetts besorgtes Gesicht und sagte:»Wir müssen wahrscheinlich bald reffen, Mr. Gossett, aber erst einmal wollen wir den Wind ausnutzen, damit wir möglichst rasch von Land freikommen. «Der Master nickte sichtlich erleichtert. Vermutlich begriff er besser als mancher andere an Bord, daß es keinen Sinn hatte, ein Schiff bis zum Mastbruch zu segeln, bloß damit der Kommandant seinen Ärger abreagieren konnte.