«Sie werden eines Tages noch über Ihre Zunge stolpern, Thomas«, entgegnete er mit flüchtigem Lächeln.
Ein Lakai mit Perücke riß die Tür auf und rief, nachdem ein britischer Unteroffizier ihm etwas ins Ohr gemurmelt hatte, lauthals: «Capitaine de vaisseau M'sieur Boli…«Der Unteroffizier starrte ihn wütend an und bellte dann selbst mit einer Stimme, die eher für seine Scharfschützen im Masttopp geeignet war:»Kommandant Richard Bolitho von Seiner Britannischen Majestät Linienschiff Hyperion!»
Lächelnd trat Bolitho in den langgestreckten, holzgetäfelten Saal voller Menschen, anscheinend ausschließlich Heeres- und Marineoffiziere. Alle Gesichter wandten sich ihm zu, und das laute Durcheinander der Gespräche verstummte. Als erster fing Bellamy von der Chanticleer an, in die Hände zu klatschen, und während Bolitho etwas verwirrt stehenblieb, ging das Händeklatschen in Hurrarufe über; der Lärm erfaßte das ganze Haus und drang in den stillen Garten, wo die Wachtposten die Hälse reckten, um der Ovation zu lauschen.
Unsicher schritt Bolitho an den Männern vorbei, die ihn da mit fröhlichem Jubel empfingen. Er verstand kaum, was sie ihm zuriefen, und merkte auch nur vage, daß Herrick treulich an seiner Seite blieb, um mit seinem Körper den verwundeten Arm vor allzu begeisterten Offizieren zu schützen.
Pomfret erwartete sie am hinteren Ende des Saales, prächtig in Gala, den Kopf zur Seite geneigt, die Lippen zusammengepreßt — ob amüsiert oder ärgerlich, das war nicht ohne weiteres zu unterscheiden. Er wartete, bis ein Lakai Bolitho ein Glas Wein gereicht hatte; dann hob er, Stille gebietend, die Hand und sagte:»Wir haben bereits auf Seine Majestät getrunken. Und jetzt: Auf unseren Sieg! Und Tod den Franzosen!»
Bolitho nippte an seinem Wein. Der Lärm und die Hektik ringsum verwirrten ihn. Er fand den Trinkspruch banal und unter den Umständen wenig angebracht. Doch als er sich rasch im Raum umblickte, sah er zu seiner Überraschung keinen einzigen französischen Offizier und auch keinen der Honoratioren von St. Clar.
Pomfret sprach ihn jetzt an:»Das war ein rührender Empfang, Bolitho! Die Heimkehr des Helden, wenn ich so sagen darf. «Sein Gesicht war fleckig vor Hitze, und seine Augen glänzten übermäßig.
Leise fragte Bolitho:»Ist denn keiner der maßgebenden Franzosen gekommen, Sir?»
Kalt blickte Pomfret ihm ins Gesicht.»Ich habe keinen eingeladen.»
In Bolitho stieg der Zorn hoch, und seine Wunde fing an zu pulsieren.»Aber Sir, es war doch eine Gemeinschaftsaktion. Die Bürger wollten genau wie wir die Revolutionsregierung stürzen! Darin gleichen wir uns doch.»
«Wir gleichen uns?«Pomfret blickte ihn mit milder Überlegenheit an.»In den Augen des Allmächtigen vielleicht. Aber in meinen Augen sind sie Franzosen, und denen ist nicht zu trauen! Das sagte ich Ihnen schon früher. Ich habe hier das Kommando und lasse mir von diesen verdammten Bauern nicht dreinreden!»
Er wandte sich um und bemerkte jetzt zum erstenmal Herrick.»Ah — Ihr tüchtiger Leutnant. Hoffentlich hat er sich damit abgefunden, daß es bei diesem Unternehmen keine Prisengelder gab? Jetzt, da Saphir und Fairfax versenkt sind, kann es noch ein Weilchen dauern, bis wir wieder ein halbwegs lohnendes Schiff erwischen — eh?»
Herrick wurde rot.»Ich hörte nicht, daß sich jemand darüber beklagt hätte, Sir. Menschenleben sind meiner Ansicht nach wichtiger als Geld.»
Pomfret lächelte kühl.»Ich wüßte nicht, daß ich Sie um Ihre Meinung gebeten hätte, Mr. Herrick. «Er wandte sich brüsk um, denn soeben schob sich Oberst Cobbans massige Gestalt durch die Versammelten.
«Ah, Sir Tonquil! Sind inzwischen all Ihre Truppen in Stellung?»
Mit einem Grunzen nahm der Colonel ein Glas von dem silbernen Tablett.»Schanzen aufgeworfen, Geschütze in Stellung. «Grinsend zeigte er die Zähne.»Hier können wir bis in alle Ewigkeit sitzen, wenn' s nötig ist.»
Bolitho fragte:»War das angebracht, Sir? Es ist doch nicht sehr wahrscheinlich, daß wir hier lange bleiben. Sobald Verstärkung eintrifft, müssen wir landeinwärts marschieren, wenn das ganze Unternehmen überhaupt Sinn haben soll.»
Langsam drehte sich Cobban zu ihm um.»Darf ich fragen, was, zum Teufel, Sie das überhaupt angeht, Sir?»
Bolitho konnte den Brandy in Cobbans Atem beinahe schmek-ken. Unbewegt erwiderte er:»Es geht mich eine ganze Menge an. Und ich sehe keinen Grund für Ihre Flüche.»
Pomfret unterbrach lächelnd die Kontroverse.»Beruhigen Sie sich, Sir Tonquil. Captain Bolitho ist der Mann, der diesen Hafen eingenommen hat. Ihm liegt natürlich sehr daran, daß seine Bemühungen nicht umsonst waren.»
Cobban blickte von einem zum anderen. Dann sagte er grob:»Ich bin Soldat, und mir paßt es nicht, mich von solchen Leuten ausfragen zu lassen.»
Plötzlich waren alle totenstill. Bolitho erwiderte gelassen:»Sehr bedauerlich, Colonel. Und noch bedauerlicher ist es, daß Sie, als Sie sich Ihren Dienstgrad kauften, sich nicht gleich die nötigen Manieren mitgekauft haben!»
Cobban wurde blutrot. Er sagte, und es klang, als ersticke er in seinem hohen Kragen:»Sie impertinenter Emporkömmling! Wie können Sie es wagen, so mit mir zu sprechen?»
Kühl unterbrach Pomfret:»Das reicht, meine Herren! Das reicht durchaus!«Er richtete die blassen Augen auf Bolitho.»Ich weiß, daß Duelle in Ihrer Familie nichts Ungewöhnliches sind, Captain Bolitho, aber unter meiner Flagge dulde ich sie nicht.»
Wütend murmelte Cobban:»Wie Sie meinen, Sir Edmund. Aber wenn es nach mir ginge…»
«Sie finden mich jederzeit bereit, Colonel, wenn Sie mir Gelegenheit geben«, sagte Bolitho. In seinem Kopf hämmerte es wie auf einem Amboß, und der Wein brannte ihm heiß im Magen. Aber ihm war jetzt alles gleichgültig. Pomfrets leise Bösartigkeit und Cobbans grobschlächtige Dummheit ließen ihn alle Vorsicht vergessen. Er sah in Herricks besorgtes, wachsames Gesicht und blickte dann überrascht hinunter, denn Pomfret legte ihm die Hand auf den Arm.»Ihre Wunde macht Ihnen sicher zu schaffen«, sagte er.»Ich will Ihnen deshalb den Ausbruch nicht übelnehmen. «Er seufzte, als sei das alles nicht so wichtig.»Sie gehen morgen wieder in See, Bolitho. Zurück nach Cozar. «Abwesend schaute er in den Saal.»Sie können der Garnison meine Depeschen bringen, und wenn Sie zurückkommen, nehmen Sie Miss Seton mit. «Er wurde beinahe vertraulich und jovial.»Wir werden den Leuten hier schon zeigen, daß wir zu bleiben gedenken. Vielleicht gebe ich sogar eine Art Empfang für sie, eh?»
Cobban hatte sich ein wenig beruhigt.»Und die Hochzeit, Sir Edmund? Werden Sie sie in St. Clar feiern?»
Pomfret, die Augen noch auf Bolithos ernstes Gesicht gerichtet, nickte.»Ja. Als Zeichen unseres Vertrauens in die Zukunft. «Er lächelte.»Das Pünktchen auf dem i, genau im richtigen Augenblick.»
Bolitho schwamm der Kopf. Pomfret machte sich über ihn lustig, das war offensichtlich. Und die Hyperion wurde schon wieder hinausbeordert. Dieses Schiff kam anscheinend nie zur Ruhe. Bekam nie Zeit, sich zu erholen und seine Wunden zu heilen.
Möglichst beiläufig erwiderte er:»Mit einer Fregatte ginge es schneller, Sir.»
«Ich möchte aber, daß Sie segeln, Bolitho. Dabei können Sie sich gleich ein bißchen erholen. Und inzwischen werden wir versuchen, diesen Krieg so zu führen, daß auch Sie damit zufrieden sind.»
«Ist das alles, Sir?»
Der Admiral dachte ein paar Sekunden nach.»Im Moment, ja.»
Ein Lakai präsentierte Pomfret ein Tablett mit Gläsern, aber er winkte ab und sagte abschließend:»Wollen Sie mich jetzt entschuldigen, Bolitho?«Unvermittelt wandte er sich um und ging auf die geschwungene Treppe zu.