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«Ich werde Ihre Worte von vorhin nicht vergessen, Captain! Sie werden Ihnen noch leid tun, seien Sie sicher«, knurrte Cobban.

«Wollen wir wieder an Bord zurück?«fragte Bolitho und ging mit Herrick zur Tür, ohne Cobban eines Blickes zu würdigen.

Herrick folgte ihm verwirrt. Ihm schwirrte immer noch der Kopf von diesen nur mühsam kaschierten Beleidigungen. Es trieb ihn, den hier versammelten Offizieren laut und deutlich auseinanderzusetzen, was Bolitho für sie getan hatte und was jeder einzelne ihm verdankte. Draußen tat Bolitho einen tiefen Atemzug und starrte zu den blinkenden Sternen empor. Sein Gesicht war entspannt, aber er sah merkwürdig traurig aus.

Herrick bemerkte leise:»Der Admiral hat ein zweites Glas Wein abgelehnt, Sir. Ich begreife das nicht. An Bord der Phalarope hat er ziemlich viel getrunken.»

Bolitho hörte ihn gar nicht. Er dachte an Cheney Seton. Diesmal würde es noch schwerer sein, sie als Passagier an Bord zu haben. Wenn die Hyperion hier wieder Anker warf, würde Cheney heiraten.

Er hakte seinen Degen ein und sagte abwesend:»Wir werden, bevor wir an Bord gehen, mit Monsieur Labouret ein Glas Wein trinken. Ich habe einen üblen Geschmack im Mund. «Ohne ein weiteres Wort schritt er durch die Tore und hinunter zum Hafen.

«Laß fallen Anker!«Herricks Stimme hallte über die ganze Bucht. Er senkte das Sprachrohr, der Anker klatschte ins Wasser, kleine Wellen breiteten sich in Kreisen aus und verliefen zu den Klippen hin. Die Vormittagswache hatte kaum begonnen, doch nach der freien Luft auf offenem Meer fühlten sie sich in dem umschlossenen Naturhafen bereits wie in einem Ofen.

Wortlos beobachtete Bolitho die routinemäßige Geschäftigkeit auf dem leise an seiner Trosse arbeitenden Schiff: das Ausfieren der Boote und Aufriggen von Sonnendächern an Deck. Cozar hat sich nicht verändert, dachte er. Das einzige unter der Steilküste ankernde Schiff war die Fregatte Harvester; auch ohne Teleskop konnte er sehen, daß Leach, ihr Kommandant, mit seinen Reparaturen beinahe fertig war.

Langsam schritt er zu den Netzen und schaute zur Bergfestung hinauf. Vor der Hafeneinfahrt hing Dunst, der schon dem sich langsam nähernden Schiff grüßend entgegengekommen war, löschte den Horizont aus, schmiegte sich um die grauen Mauern der Festung und der Batterie wie eine Nebelwolke. Ein leichter Schauer überlief ihn, und er hielt den bandagierten Arm etwas vom Körper ab. Sie hatten die Insel schon gestern früh gesichtet, doch wegen des ungünstigen Windes mußten sie die Nacht beidrehen und konnten die Festung, die aus dem schützenden Nebel wie ein Zauberschloß aufragte, nur aus der Ferne betrachten.

Herrick tippte an den Hut und meldete:»Boote zu Wasser, Sir!«Er blickte flüchtig zu den Berghängen hinüber.»Sieht so aus, als wären da noch eine ganze Menge Soldaten für St. Clar, Sir.»

Bolitho nickte. Den sonnengedörrten Hang bedeckten Reihen kleiner Zelte, hier und da konnte er eine rotuniformierte Gestalt mit blinkendem Bajonett ausmachen. Aber alles war sehr ruhig, als hätten die Inseleinsamkeit, die Hitze und der Staub allen Lebensmut aus der Garnison vertrieben.

«Ich habe Mr. Seton Bescheid sagen lassen, Sir«, fuhr Herrick fort und sah Bolitho dabei besorgt an.»Er ist zur Überfahrt bereit. Geht das in Ordnung?»

«Ja. «Eben bog die Jolle unten aus dem Schatten des Schiffsrumpfes; zwei Midshipmen saßen nebeneinander im Heck. Es war schon richtig, daß Seton Gelegenheit bekam, seine Schwester allein zu sehen, bevor die Hektik des Auslaufens wieder begann. Der

Junge hatte sich bemerkenswert rasch erholt und schien tatsächlich bei den Kämpfen auf der brennenden Fairfax an Persönlichkeit gewonnen zu haben. Die Kugel, die ihn niederriß, hatte eine böse Schramme in seine Schulter gebrannt, aber außer dem Schock und dem Blutverlust hatte er nichts Ernstliches davongetragen. Aber einen Zoll oder so tiefer, und. Bolitho biß sich auf die Lippen. Die Riemen nahmen Schlag auf und pullten die Jolle zur Pier.

War es ihm wirklich um Setons Gefühle gegangen, als er ihm den Besuch seiner Schwester erlaubt hatte? Oder war es nur ein Versuch, das Unvermeidliche hinauszuzögern?

«Wie geht es Mr. Fowler?«fragte er.

Herrick schüttelte den Kopf.»Der Schiffsarzt macht sich mächtig Sorgen um ihn. Sein Gesicht sieht furchtbar aus. An Fowlers Stelle wäre ich lieber tot.»

Halb zu sich selbst meinte Bolitho:»Das sagt sich so leicht, Thomas. Ich habe manchmal vor oder beim Kampf darum gebetet, lieber zu fallen, als verstümmelt zu werden. Aber als mir Rowlsto-ne den Ärmel vom Rock schnitt, habe ich ebenso ernsthaft ums Überleben gebetet.»

Besorgt fragte Herrick:»Was macht die Wunde, Sir?»

Bolitho zuckte die Achseln.»Ohne sie wäre mir wohler. «Ihm war nicht nach einer Unterhaltung zumute, nicht einmal mit Herrick. Während der kurzen Reise nach Cozar hatte er sich von seinen Offizieren ferngehalten und sich mit einem gelegentlichen Gang längs der Schanz begnügt, meist jedoch die Abgeschlossenheit seiner Kajüte vorgezogen. Das war unrealistisch und dumm, er wußte es. Immer noch fühlte er sich etwas fiebrig. Deshalb und wegen des ständig pochenden Wundschmerzes war er so niedergeschlagen. Oder redete sich das jedenfalls ein.

Er versuchte, sich für die bevorstehende Offensive mit St. Clar als Ausgangspunkt zu interessieren, doch das half nur wenig, seinen sonst so regen Sinn für taktische Probleme und Gefechtsvorbereitungen anzustacheln. Aber persönliche Verbitterung stand dem Kommandanten eines Liniens chiffes nicht an. Er mußte seine Zweifel und bösen Ahnungen beiseite schieben und all das Unheil wieder gutmachen, das Pomfrets Gleichgültigkeit auf seinem Schiff angerichtet hatte.

Eines Nachts, als ihn der quälende Schmerz im Arm aus der Koje getrieben hatte, war er auf das finstere Achterdeck hinausgetreten und hatte eine Unterhaltung zwischen Rooke und Gossett mit angehört.

«Was wir auch machen, ist verkehrt«, hatte Rooke wütend gesagt.»Wenn wir allein angreifen, kriegen wir hinterher Vorwürfe. Und wenn wir dabei Erfolg haben, kassiert immer jemand anderer die Anerkennung!«Der Master hatte gebrummt:»Es geht eben manchmal hart zu, wenn alte Rechnungen auf anderer Leute Kosten beglichen werden, Mr. Rooke. An sich macht der Admiral seine Sache ja ganz gut. Aber wie er unseren Captain behandelt, das kann ich ihm nicht verzeihen. «Und Rooke hatte sehr scharf darauf geantwortet:»Es ist verdammt unfair, wenn das ganze Schiff darunter leiden muß, daß sich die beiden nicht ausstehen können!»

«Bei allem Respekt, Mr. Rooke«, hatte Gossett sehr bestimmt erwidert,»meiner Ansicht nach hat der Captain gerade Sie mehr als fair behandelt!»

«Was, zum Teufel, wollen Sie damit sagen? Ich hätte Erster werden müssen, das stand mir zu!»

«Wir wissen beide, daß das nicht gemeint ist«, hatte Gossett sehr gelassen und kalt erwidert.»Unter Captain Turner wären Sie bei passender Gelegenheit rascher befördert worden, das mag schon sein. «Er senkte die Stimme.»Aber Cap'n Bolitho hat kein Wort über Glücksspiel zu Ihnen gesagt, nicht wahr? Nicht ein einziges Mal hat er gedroht, etwas gegen Sie zu unternehmen, weil Sie dem armen Mr. Quarme alle Ersparnisse abgeknöpft und Dalby zum Kameradendiebstahl getrieben haben. Wenn Sie wollen, tragen Sie mich ins Logbuch ein, weil ich das gesagt habe — aber meiner Meinung nach hat der Captain Sie mehr als milde behandelt. Ihre Bedürfnisse sind größer als Ihr Geldbeutel, und daher bessern Sie ihn mit dem einzigen auf, was Sie außer Kämpfen ausgezeichnet können. «Und Rooke hatte kein Wort darauf erwidert.

Während Bolitho nun zusah, wie die kleine Jolle an der Pier festmachte, grübelte er darüber nach, warum er Rooke nicht daraufhin angesprochen hatte. Vielleicht wegen seines eigenen hitzigen Wortwechsels mit Cobban. Schon während des Sprechens hatte er sich selbst mit ganz anderen Augen gesehen. Er glich also doch seinem Bruder. Hätte er Gelegenheit bekommen, so hätte er sich auf ein sinnloses Duell eingelassen. Es war eine entnervende Entdeckung, um so mehr, als auch Pomfret das begriffen hatte.