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Bolitho sah sehr deutlich, was für eine Wirkung Pomfrets Worte auf die schweigenden Offiziere hatten. Sie schienen von seinem Ausbruch wie gelähmt zu sein. Dash von der Tenacious schien verwirrt und verlegen, nur der spanische Oberst war anscheinend unbeeindruckt. Wie er dasaß und auf seine Stiefel blickte, schien er fast zu lächeln.

Cobban räusperte sich unsicher.»Das ist alles, meine Herren. «Er begann, seine Papiere aufzunehmen, ließ sie aber wieder fallen.

Pomfret hatte sich wieder in seinen vergoldeten Sessel gesetzt, und als die Offiziere sich zum Hinausgehen anschickten, nahm er einen Messingzirkel vom Tisch und stach damit in die Luft.»Ein Wort noch, Captain Bolitho!»

Bolitho hörte die Tür hinter den anderen zufallen und stand reglos am Tisch. Cobban war schwer atmend wie nach einem raschen Lauf an ein Fenster getreten. Seine Anwesenheit schien Pomfret nicht zu stören, aber Fanshawe, der noch in Papieren kramte, blaffte er an:»Raus!»

«Sie wünschen, Sir?«fragte Bolitho dienstlich.

Der Admiral hatte sich im Stuhl zurückgelehnt und musterte ihn, während sein Zirkel einen kleinen Wirbel auf die Tischplatte schlug. Er sprach jetzt wieder vollkommen gelassen.»Nach Dash sind Sie hier der dienstälteste Kapitän. Es ist nicht ausgeschlossen, daß der Feind versuchen wird, uns von See her anzugreifen oder zumindest unseren Nachschub abzuschneiden. «Tapp, tapp, tapp machte der Zirkel.»Sie werden daher morgen früh bei Sonnenaufgang mit der Hyperion auslaufen und nördlich der Einfahrt patrouillieren.»

Unbewegt blickte Bolitho ihm ins Gesicht.»Bis wann, Sir?»

«Bis ich etwas anderes anordne. «Pomfret warf den Zirkel auf den Tisch.»Ich brauche mein Flaggschiff hier im Hafen, falls sich diese schlappschwänzigen Fischer ebenso dumm anstellen wie dieser Narr Greig.»

«Aha. «Bolitho spürte, wie Hitze in seinem verwundeten Arm hochstieg, und die Kehle wurde ihm plötzlich trocken, als er begriff, was Pomfrets Worte bedeuteten.

Pomfret ließ ihm keine Zeit zu einem Einwand. Fast beiläufig fuhr er fort:»Übrigens, da mich Miss Seton über ihren neuen Status informiert hat, halte ich es für angebracht, daß sie mit dem ersten verfügbaren Schiff die Stadt verläßt.»

Gepreßt erwiderte Bolitho:»Ich verstehe Ihre Gefühle, Sir, aber sie können kein Grund dafür sein, Miss Seton noch mehr Unbequemlichkeiten und Strapazen auszusetzen.»

«Was Sie nicht sagen!«Pomfret tupfte sich die Stirn mit einem seidenen Taschentuch.»Sie haben vielleicht übersehen, daß Miss Seton auf meine Veranlassung hier ist. Als englische Staatsangehörige steht sie unter meinem Schutz. «Seine Stimme wurde lauter.»Und als Flaggoffizier und Oberbefehlshaber beabsichtige ich, diese Protektion unverzüglich und vollständig auszuüben.»

«Ist das Ihr letztes Wort, Sir?«Jedes Verständnis, jedes Mitgefühl, das er für Pomfrets unglückliche Lage empfunden haben mochte, war ihm nun vergangen. Es konnte Wochen dauern, bis ein Schiff verfügbar war, das Cheney Seton nach England oder einem anderen sicheren Hafen bringen konnte. Und in der Zwischenzeit, während die Situation in und um St. Clar immer bedrohlicher wurde und die Belagerung sich zum offenen Krieg ausweitete, würde sie unter Feinden allein sein, während er draußen isoliert patrouillierte und sie weder sehen noch unterstützen konnte.

«Jawohl, mein letztes Wort. «Pomfrets Augen waren ausdrucksund mitleidslos.»Ich mag Sie nicht, Bolitho, denn ich kann es nicht vertragen, wenn man sich von Gefühlen leiten läßt. Seien Sie also gewarnt!«Heftig stand er auf und trat zum Fenster.»Sie können gehen!»

Bolitho hieb sich den Dreispitz auf den Kopf und stürmte durch die Tür, ohne recht zu wissen, was er tat. Er mußte sofort zu Cheney. Es war immer noch Zeit, etwas zu arrangieren.

Unten an der Treppe sah er Seton und Piper sich leise miteinander unterhalten und blieb stehen.»Was machen Sie hier?»

Piper faßte an seinen Hut und sagte finster:»Ich habe Seton im Boot an Land gebracht, Sir. «Sein Affengesicht war ganz schwer vor Traurigkeit.»Er sollte sich sofort hier melden, Sir.»

Bolitho blickte Seton an.»Wissen Sie den Grund, mein Junge?»

«J-jawohl, Sir. Auf Sir Edmunds Befehl soll ich als. «Er hielt verlegen inne, und Piper schaltete sich ein:»Er wird als Signaloffizier zur Armee abgeordnet, Sir.»

Bolitho schluckte seine kalte Wut hinunter und sagte ruhig:»Wenn alles vorbei ist, werde ich mich freuen, Sie wieder an Bord zu haben, Mr. Seton. Sie haben sich gut, sogar sehr gut gehalten, und ich bin sicher, daß Sie auch in Ihrem neuen Dienst dem Schiff Ehre machen werden.»

Setons Lider zuckten.»D-danke sehr, S-sir.»

Es war nichts Ungewöhnliches, daß Midshipmen für solche Zwecke eingesetzt wurden; aber die Tatsache, daß Pomfret nichts davon erwähnt hatte, war für Bolitho ein Beweis, daß es sich hier um keine normale Abkommandierung handelte. Jedoch — das Leben eines Knaben als Mittel zur Rache zu benutzen, dazu konnte eigentlich niemand, nicht einmal Pomfret fähig sein. Dann fiel ihm wieder ein, mit welch plötzlicher Wut der Admiral den jungen Greig zusammengestaucht hatte, und es lief ihm kalt den Rücken hinunter.

Er streckte die Hand aus, und Seton drückte sie krampfhaft.»Ich werde dafür sorgen, daß Ihre Schwester gut nach Hause kommt.»

Es war merkwürdig, fast erschütternd, daß ihm dieser schmächtige Midshipman jetzt so nahestand wie einst sein eigener Bruder. Und als er in das bleiche Gesicht des Knaben sah, wußte er, daß er ihm noch viel näherstehen würde.

«Ich freue mich aufrichtig, daß es mit Ihnen und meiner Schwester so gekommen ist, Sir«, sagte Seton und schritt rasch ins Haus; erst auf dem Marktplatz wurde es Bolitho klar, daß der Junge bei seinem letzten Satz nicht gestottert hatte.

Unten an der Landungsbrücke fragte Piper:»Glauben Sie, daß er's schaffen wird, Sir?«Er mußte sich in Trab setzen, um mit Bolithos weitausgreifenden Schritten mitzukommen.»Ich meine, Sir, wenn ich nicht auf ihn aufpasse, ist er doch verraten und verkauft.»

Bolitho blieb am Boot stehen und sah auf Piper hinunter.»Bestimmt wird er das, Mr. Piper. Er hatte ja einen guten Lehrmeister. «Und als er ins Boot sprang, versuchte er, sich einzureden, daß seine Worte keine Lüge gewesen waren.

Mit dem ersten Licht des nächsten Tages ging die Hyperion Anker auf und segelte, die Rahen rundgebraßt, um die schwache nordwestliche Brise voll auszunutzen, langsam an den schützenden Armen der Hafeneinfahrt vorbei und hinaus auf die offene See.

Das Städtchen schien noch zu schlafen; abgesehen von den Wachtposten und ein paar müden Matrosen waren Landungsbrücke und Uferstraße verlassen und still.

Herrick stand an der Achterdeckreling, die Hände in den Hüften, und blickte kritisch zu den in den Masten arbeitenden Männern empor, deren nackte Arme im steigenden Sonnenlicht golden glänzten. Ein paar Unbeschäftigte standen auf den Decksgängen und starrten zum langsam vorbeigleitenden Panorama der Hügel und Häuser hinüber; und bei den ausgerichteten Rudern stand Piper mit der Jollenbesatzung, welche die letzten Zurrings klarierte, ehe das Schiff die offene See erreichte. Der Midshipman starrte, die Augen mit der Hand beschattend, nach Backbord; wahrscheinlich dachte er immer noch an seinen Freund.

Als Herrick sich von der Reling abwandte, merkte er, daß Bolitho ebenfalls starr nach achtern blickte; mit dem gesunden Arm stützte er ein Teleskop auf die Netze.

«Anker ist verstaut, Sir, Schiff seeklar«, meldete Herrick.

Bolitho ließ das Glas sinken. Die niedrigen Hügel der Landzunge verdeckten jetzt die Sicht auf die Stadt. In den endlosen Minuten, als das Schiff langsam auf die Hafenausfahrt zusegelte, hatte er sie noch sehen können, hatte ihre schlanke Gestalt bis zum allerletzten Moment im Teleskop behalten. Sie stand auf einem kleinen Balkon direkt über dem Wasser; hell hob sich ihr Kleid vom offenen Fenster ab, und ihr Gesicht war so nah und klar, daß er beinahe glaubte, sie berühren zu können. Als er das Glas sinken ließ, verschwanden Häuser und ankernde Schiffe; schon war die Verbindung abgerissen.