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«Was plant der Admiral, Leach?«Bolithos Stimme klang ganz ruhig, aber er kochte innerlich bei der Vorstellung, wie die auseinandergetriebene Infanterie unter den gnadenlosen Reitersäbeln fiel.

Unvermittelt und mit steinernem Gesicht stand Leach auf.»Das ist es ja gerade, Sir. Sir Edmund sagt keinen Ton. Keine Befehle, keine Vorbereitungen für einen Gegenangriff, auch nicht für eine Evakuierung!«Fast verzweifelt blickte er Bolitho an.»Anscheinend vertritt ihn Captain Dash. Der hat mich beauftragt, Sie zu suchen und zurückzubringen.»

«Haben Sie Sir Edmund nicht gesprochen?»

«Nein, Sir. «Hilflos hob Leach die Hände.»Ich glaube, er ist krank; aber Dash hat nur sehr wenig erzählt. «Er beugte sich vor.»Die Lage ist verzweifelt, Sir! Überall Panik, und wenn nicht bald was geschieht, fällt die ganze Truppe in Feindeshand!»

Bolitho stand auf und kam zum Tisch herüber.»Sie sagen, Sie haben Leute von Cozar an Bord?»

«Nur ein paar Soldaten und einen jungen Fähnrich«, entgegnete Leach müde.

«Und die Sträflinge?»

Mit ausdrucksloser Stimme erwiderte Leach:»Was die betrifft, so hatte ich keine Befehle. Die Sträflinge sind noch dort.»

Bolitho wandte sich ab. Es lag nahe, Leach als einen herzlosen Narren zu verurteilen. Aber es lag noch näher, die Schwierigkeiten und Bedenken zu sehen, mit denen er konfrontiert war. Dash war Flaggkapitän; doch da er keine schriftliche Order besaß, mußte Leach schon jetzt das Kriegsgericht oder Schlimmeres befürchten.

«Danke, daß Sie offen zu mir sind«, sagte Bolitho ruhig.»Ich segle sofort nach St. Clar zurück. «Nun, da er auf Leachs Vorschlag einging, war er kein bloßer Zuschauer mehr, sondern hatte teil an der Verschwörung. Sein Ton wurde schärfer.»Aber ehe Sie wieder zu mir stoßen, werden Sie nach Cozar zurücksegeln und jeden einzelnen Sträfling von der Insel holen, verstehen Sie?»

Leach nickte.»Wenn das Ihr Wunsch ist, Sir.»

«Es ist ein Befehl. Diese Männer haben mit der ganzen Geschichte nichts zu tun, und ich habe ihnen mein Wort gegeben. Ich will nicht noch mehr Leid verursachen.»

Es klopfte an die Tür, und Herrick meldete:»Entschuldigung, Sir, aber der Wind frischt weiter auf. Er wird bald so stark sein, daß das Boot nicht mehr zur Harvester zurück kann.»

Bolitho nickte.»Captain Leach geht gleich von Bord. «Auf Herricks fragenden Blick fuhr er fort:»Sobald er weg ist, gehen Sie über Stag und nehmen Kurs auf St. Clar. Aber mit jedem Fetzen Tuch, den das Schiff verkraften kann — ist das klar?»

Herrick eilte davon, und Leach sagte tonlos:»Danke, Sir. Was jetzt auch kommt, ich werde nicht bereuen, daß ich bei Ihnen war.»

Bolitho ergriff seine Hand.»Hoffentlich hat keiner von uns es zu bereuen.»

Sobald das Boot der Fregatte abgelegt hatte, schwangen die schweren Rahen herum, und während das Schiff im starken Wind krängte, schwärmten die Toppgasten hinauf, um sich mit den killenden Segeln herumzuschlagen — mit vorgeneigtem Leib preßten sie sich an die Rahen und krallten sich an die Fußpferde, um nicht aufs Deck oder in die kochende See zu stürzen.

Herrick wischte sich schwungvoll einen Schuß Sprühwasser aus den Augen und rief zu Bolitho hinüber:»Ist es in St. Clar schlimmer geworden, Sir?»

Bolitho spürte, wie das Deck unter seinen gespreizten Beinen bockte. Das alte Schiff tat sich schwer bei dem Manöver. Er konnte die Spieren und Planken unter dem verstärkten Druck knarren und quietschen hören; doch als sich mehr und mehr Segel hoch oben mit Wind füllten, bemühte er sich, diese unheimlichen Geräusche, mit denen das Schiff gegen die rauhe Behandlung protestierte, einfach nicht zu hören.»Ich fürchte ja«, beantwortete er Herricks Frage.»Anscheinend wird der Belagerungsring um den Hafen immer enger.»

Ehe Herrick weiterfragen konnte, schritt Bolitho zur Luvreling hinüber. Es hatte keinen Sinn, ihm zu erklären, daß ein gut Teil von dem, was St. Clar jetzt zu leiden hatte, offenbar aus der Stadt selbst kam. Vielleicht nahm Herrick es ihm übel, daß er so auf Distanz gehalten wurde; aber wenn es zu einer Kriegsgerichtsverhandlung kam, konnte er dann wenigstens nicht als Mitschuldiger gelten.

Gossett fragte:»Sie wollen doch nicht etwa die Royals setzen, Mr. Herrick?»

Bolitho fuhr herum.»Aber ich, Mr. Gossett! Sie haben immer den Mund vollgenommen, was das Schiff alles leisten könne. Jetzt beweisen Sie es!»

Gossett wollte protestieren, sah aber Bolithos trotzige Schulterhaltung, und da ließ er es lieber.

«Pfeifen Sie >Alle Mann<!«befahl Herrick.»Und der Segelmacher soll kommen, damit jedes Segel, das reißt, gleich ersetzt werden kann. «Er wandte sich wieder um und schaute besorgt zu Bo-litho hinüber, der auf dem schrägen Deck auf und ab ging. Er war bis auf die Haut durchnäßt, und sein verwundeter Arm, der nicht mehr verbunden war und aus dem der Arzt erst kürzlich die Fäden gezogen hatte, streifte beim Gehen gegen die Netze; aber das schien er gar nicht zu bemerken.

Er trägt für uns alle, dachte Herrick. Immer sorgt er sich, aber helfen lassen will er sich nicht. Er packte die Reling, denn ein langer Brecher hob das Heck und rollte tosend unter den Decksgängen dahin. Die Pumpen klapperten lauter denn je, und als Herrick sich die brennenden Augen wischte, sah er, daß sich die Rahen unter dem Druck der geschwellten Segel bogen, die so hart schienen wie Stahl. Aber die Hyperion reagierte. Gott mag wissen wie, dachte er verwundert, aber dieser alte Kasten scheint zu verstehen, wie wichtig es für den Captain ist — sogar besser als wir.

Und doch brauchte die Hyperion zwei volle, nervenzermürbende Tage bis St. Clar, denn sie mußte fast gegen den Wind segeln, und keiner an Bord kam zur Ruhe. Wenn die Matrosen nicht beim Segelsetzen waren oder an den Pumpen werkten, hatten sie es mit einer immer länger werdenden Reparaturliste zu tun: es gab zu flicken und zu spleißen, als hinge das Leben davon ab — und das war auch der Fall. Denn obwohl der Wind ständig in den strapazierten Segeln heulte und die Hyperion so gefährlich krängte, daß die See über die unteren Stückpforten wusch, knüppelte Bolitho das Schiff ohne Rast oder Rücksicht auf Verluste voran. Es war ein Kampf, in dem Schiff und Kapitän miteinander wetteiferten; der wütende Wind und die grollende See waren beider gemeinsame Feinde.

Weder Offiziere noch Matrosen beobachteten mehr die gefährlich gebogenen Rahen oder hörten das schmerzliche Jaulen des Rigges. Darüber waren sie hinaus. Wer noch Zeit und Kraft zum Nachdenken hatte, sparte sie für Bolitho auf, der das Schiff durch eine Krise nach der anderen führte und wunderbarerweise weder Essen noch Schlaf zu brauchen schien.

Während der Vormittagswache des zweiten Tages rundete die Hyperion den nördlichen Arm der Bucht und kreuzte dankbar in die Hafeneinfahrt. Aber jede Hoffnung auf eine Atempause schwand sofort bei dem Anblick, der die müde Mannschaft erwartete; und angstvolle Minuten vergingen, bis der Anker ganz vorn, noch zwischen den Armen der Hafeneinfahrt, fiel. Hier, im tiefen Wasser, wo sie vor der vollen Kraft des Windes geschützt waren, hörten sie deutlich das bedrohliche Donnern der Artillerie und gelegentlich auch das Krachen einstürzenden Mauerwerks, wenn eine wohlgezielte Kanonenkugel ein Haus in der Stadt getroffen hatte.

Bolitho suchte mit dem Glas die Uferfront ab und sah den großen Rauchpilz hinter den geduckten Häusern, die wüsten Narben und Löcher. Er hatte so weit draußen ankern müssen, weil der innere Hafen voller Schiffe lag, die das Geschützfeuer von draußen hereingetrieben hatte. Die Tenacious und die Princesa, das spanische Schiff, lagen am nächsten bei der Stadt; zwei Transporter schwoj-ten an den Ankertrossen und hatten kaum genug Zwischenraum, um nicht zu kollidieren, wenn der Wind plötzlich umsprang. Bo-litho schob das Glas heftig zusammen. Zusammengetrieben. In der letzten Zuflucht, die ihnen noch blieb und im Angesicht des Feindes zusammengedrängt. Keine Rückzugsmöglichkeit mehr. Nur noch die See im Rücken.