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«Unsere Formationen sind so ungleich, daß der französische Admi-ral hoffentlich glaubt, wir hätten überhaupt keinen Plan.»

Das wäre auch ganz verständlich gewesen, dachte er grimmig. Fünf Schiffe in zwei ungleichen Stoßkeilen, die auf diese unerschütterliche Gefechtslinie zusegelten — das war, als galoppiere eine Gruppe Jäger blindlings auf einen Abgrund zu.

Nochmals überschaute er sein Schiff. Keverne hatte trotz allem in acht Minuten gefechtsklar gemacht. Vom ersten nervenreißenden Wirbel der Trommeljungen an waren Matrosen und Seesoldaten ernst wie zum Tode Verurteilte auf ihre Gefechtsstationen gegangen. Jetzt herrschte lautlose Stille. Nur hier und da bewegte sich jemand: da streute ein Schiffsjunge rasch noch Sand, damit die Füße der Geschützbedienungen besseren Halt auf den Planken fanden. Fittock, der Feuerwerker, hatte seine mächtigen Filzschuhe an und stieg noch einmal in die bedrohliche Dämmerung seiner Pulverkammer hinab.

Schutznetze waren über dem Deck aufgeriggt und Ketten um jede Rah geschlungen; an jedem Niedergang stand ein bewaffneter Seesoldat, damit nicht etwa jemand, der die Schrecken der Schlacht nicht mehr ertragen konnte, in die trügerische Sicherheit des Schiffsrumpfes zu flüchten versuchte.

Wie sauber und offen das alles aussah. Die Boote trieben an langen Leinen achteraus. Unter den Decksgängen hockten die Geschützbedienungen, nackt bis zum Gürtel, starrten durch die offenen Stückpforten und warteten darauf, daß der Wahnsinn losging.

Und das würde nicht mehr lange dauern. Bolitho richtete sein Teleskop auf das vorderste feindliche Schiff. Es war knapp zwei Meilen vor ihrem Backbordbug und segelte so, daß es den Kurs der Zeus kreuzen mußte.

Es kam ihm merkwürdig bekannt vor; aber dafür hatte Partridge eine Erklärung. Mit fachmännischen Interesse hatte er gesagt:»Ich kenn' sie, Sir. Die Glorieux, Vizeadmiral Duplays Flaggschiff. Bin mal vor Toulon mit ihr aneinandergeraten.»

Natürlich — das hätte er gleich sehen müssen. Da hatte sich das Schicksal noch einen Extraspaß ausgedacht, denn die Glorieux kam aus derselben Werft wie sein eigenes Schiff und war bis zum letzten Bolzen nach den gleichen Plänen gebaut. Abgesehen von der Bemalung, den breiten scharlachroten Streifen zwischen den Stückpforten, war sie die Zwillingsschwester der Euryalus.

Langsam führte er das Glas nach Steuerbord zu den beiden Schiffen in der Mitte der gegnerischen Formation. Zum Unterschied von den anderen führten sie die rot-gelbe Flagge Spaniens; der Sicherheit halber waren sie in der Mitte stationiert, wo sie ihrem Admiral folgen konnten, ohne zu sehr auf eigene Initiative angewiesen zu sein. Solche Initiativen hatten ihre französischen Alliierten bei St. Vincent schon einmal teuer bezahlen müssen.

Er hörte, wie Calvert etwas zu Midshipman Tothill sagte, und als er das Glas absetzte, sah er, wie der Leutnant das Signalbuch studierte, als wolle er sich unbedingt noch im letzten Augenblick nützlich machen. Armer Calvert. Wenn er diesen Tag überlebte, erwarteten ihn in

England Arrest und Gerichtsverfahren. Dafür würden Draffens Freunde schon sorgen.

Bolitho wandte sich um und sah Pascoe bei den Neunpfündern stehen, einen Fuß auf einem Poller. Der Junge starrte auf den Feind und sah ihn nicht.

Bolitho sagte zu Keverne:»Wenn es irgend geht, brechen wir bei den spanischen Schiffen durch. Sie sind die Schwachpunkte, das kenne ich.»

Keverne beobachtete die Zeus. »Und Captain Rattray, Sir?»

«Der wird nach eigenem Ermessen handeln«, sagte Bolitho ernst. Rattray mit seinem Bulldoggengesicht würde schon von selbst angreifen; der brauchte keine Aufforderung. Jetzt war nur eins wichtig: sie mußten das französische Flaggschiff so lange von den anderen Schiffen trennen, daß sie durch die Schlachtordnung brechen und sich in Luv den Windvorteil verschaffen konnten. Und dann hieß es: Jeder für sich, so gut er konnte.

Vizeadmiral Broughton trat in die Sonne hinaus und nickte den Offizieren auf dem Achterdeck kurz zu. Etwas länger musterte er die Lee-Formation — zweifelnd, besorgt.»Schlachtenlärm kann ich ertragen«, sagte er,»aber das Warten ist eine Qual.»

Nachdenklich sah Bolitho ihn an. Er schien ruhiger geworden zu sein. Oder war es Resignation? Der Admiral trug seinen schönen Galadegen, und unter dem Uniformrock leuchtete das scharlachrote Band des Bath-Ordens. War er so verzweifelt, daß er sich irgendeinem französischen Scharfschützen absichtlich als Ziel anbot? Plötzlich tat er Bolitho leid. Vorwürfe und Anklagen waren jetzt sinnlos. Der Mann sah sein Geschwader und alle seine stolzen Hoffnungen in den fast sicheren Untergang segeln.

«Wollen Sie nicht ein bißchen auf und ab gehen, Sir Lucius? Ich finde, es lockert die Spannung«, fragte Bolitho.

Ohne Widerspruch fiel Broughton neben ihm in Gleichschritt, und während sie langsam auf und ab spazierten, sprach Bolitho gelassen weiter:»Die Mitte der Formation ist die günstigste Stelle, Sir. Zwei spanische Vierundsiebziger.»

Broughton nickte.»Ja, ich habe sie gesehen. Dahinter fährt der Stellvertreter des Admirals. «Plötzlich blieb er stehen und fragte irritiert:»Wo, zum Teufel, steckt die Coquette?»

«Sie repariert ihre Schäden, Sir. Auch die Auriga ist beschädigt — Fock und Besan. Beide können uns jetzt nicht viel nützen.»

Broughton blickte ihm sekundenlang starr in die Augen.»Werden unsere Leute kämpfen?«Er hob wie beschwörend die Hand.» Wirklich kämpfen, meine ich?»

Unwillig wandte Bolitho sich ab.»In dieser Hinsicht brauchen Sie keine Angst zu haben. Ich kenne sie und.»

«Und sie kennen Sie«, ergänzte Broughton.

«Jawohl, Sir.»

Als er wieder hinsah, stand die feindliche Linie zu beiden Seiten des Bugs, so daß die ganze Kimm von einer Wand aus Segeln verdeckt schien. Jeden Moment konnte der französische Admiral jetzt begreifen, was sie vorhatten, und dann waren sie geschlagen, ehe sie auch nur einen Treffer angebracht hatte. Hätten sie mehr Zeit gehabt oder noch besser die Beweglichkeit und Selbständigkeit, die ihnen durch Broughtons sture Führung versagt geblieben war, so hätten sie Rattray und den anderen irgendein Scheinsignal geben können; und dann hätte der Feind angenommen, sie würden jetzt halsen und in dem starren, alten, bei so vielen noch beliebten traditionellen Stil angreifen. Aber da sie dergleichen noch nie exerziert hatten, konnte ein falschverstandenes Signal den schon nicht sehr kampfstarken Verband in verhängnisvollster Weise durcheinanderbringen.

Es sei denn. Bolitho sah Broughton von der Seite an. Er hatte eine Idee.

«Darf ich vor dem Angriffssignal ein generelles Signal vorschlagen, Sir?«Ein Muskel zuckte auf Broughtons Hals, aber er sah den ansegelnden Schiffen unbewegt und stumm entgegen. Doch Bolitho ließ nicht locker.»Ein Signal von Ihnen, Sir.»

«Von mir?«Broughton wandte den Kopf und sah ihn überrascht an.

«Sie sagten vorhin, daß die Leute mich kennen, Sir. Aber es ist auch mein Schiff, und sie verstehen meine Art, wie ich versucht habe, ihre Art zu verstehen. «Er deutete auf die Zeus. »Doch alle diese Schiffe sind Ihre Schiffe, Sir, und die Leute müssen sich heute auf Sie verlassen.»

Broughton schüttelte den Kopf.»So etwas kann ich nicht.«»Darf ich etwas sagen, Sir?»

Das war Calvert.»Dieses Signal müßte lauten: >Ich vertraue auf euch!<«Er wurde rot, denn Keverne trat rasch auf ihn zu und schlug ihm auf die Schulter.»Bei Gott, Mr. Calvert, ich hätte nicht gedacht, daß Ihnen so was einfallen würde!»

Broughton leckte sich die Lippen.»Wenn Sie tatsächlich glauben…»