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«Da werden nicht viele durchkommen«, sagte Keverne heiser.

«Nein, nicht viele«, entgegnete Bolitho, doch er zuckte mit keiner Wimper.»Sie war ein gutes Schiff.»

Dann ging er wieder an die Reling, und Keverne sah ihm nach.»Er nimmt es sehr schwer«, sagte er zu Pascoe.»Trotz seiner Selbstbeherrschung. Allmählich kenne ich ihn.»

Pascoe starrte achteraus auf das sinkende Schiff unter der großen driftenden Rauchwolke.»Sein bester Freund. «Er wandte sich ab, tränenblind.»Und meiner auch.»

«An Deck!«Vielleicht hatte der Ausguck schon ein paarmal gerufen. Keverne sah hoch.»Neues Schiff, Sir!«rief der Mann heiser.»An Backbord voraus!»

Bolitho faßte den Degengriff mit der Linken, bis ihn die Finger schmerzten. Durch die Wanten und Stage, backbords vom massiven Fockmast, sah er es. Umgeben von einem Vorhang aus Pulverqualm, riesenhaft, die Rahen ganz dicht gebraßt, kam sie langsam quer zum Kurs der Euryalus auf sie zu.

Haß und unvernünftige Wut durchglühten ihn. Die Glorieux, das französische Flaggschiff, kam ihn begrüßen, ihm die beschämende Vernichtung heimzahlen, die er den Schiffen und dem Selbstbewußtsein des Admirals zugedacht hatte.

Er faßte den Degen fester, geblendet von Haß und dem Bewußtsein seines Verlustes. Dieses Schiff vor allem sollte ein Mahnmal zu Herricks Gedächtnis sein!

«Klar zum Feuern!«Er deutete mit dem Degen auf Meheux.»Befehl weitergeben! Doppelladung und Schrapnell obendrein!»

Broughton starrte ihn entgeistert an.»Da drüben ist Ihr Rivale, Sir!«sagte Bolitho heiser. Die Augen brannten ihn, er hörte nicht, was Broughton entgegnete, er sah nur Herricks Gesicht vor sich, das ihn aus dem Qualm seines sterbenden Schiffes anzublicken schien.

Broughton drehte sich um und schritt den Steuerborddecksgang entlang. Seine Epauletten glitzerten in dem rauchigen Sonnenlicht. Seine Füße schienen ihn zu tragen, wohin er gar nicht wollte, und während er über den qualmverschmierten Geschützbedienungen dahinschritt, blieb er manchmal stehen, nickte ihnen zu und wünschte ihnen Glück. Manche blickten ihm nur stumm und stumpf nach, weil sie schon so wirr und abgekämpft waren, daß sie nichts mehr interessierte; andere aber grinsten ihn an und winkten ihm zu. Ein Geschützführer spuckte auf seinen heißgeschossenen Zwölfpfünder und krächzte:»Sie kriegen schon Ihren Sieg, Sir Lucius, bloß keine Angst!»

Broughton blieb stehen und hielt sich an den Netzen fest. Achtern, über den durcheinanderredenden Matrosen und den MarineInfanteristen, die schon mit ihren Musketen in den Rauch zielten, sah er Bolitho. Den Mann, der diesen Leuten irgendwie ein Vertrauen eingeflößt hatte, das so stark war, daß sie nicht aufgeben konnten, selbst wenn sie es gewollt hätten. Und auf ihre Art war es das gleiche Vertrauen, das er zu seinem Flaggkapitän hatte.

Reglos stand Bolitho an der Reling, weiß hob sich die Armschlinge von seinem Uniformrock ab, die Hand mit dem Degen hing hinunter. Hinter dem Kommandanten sah Broughton auch dessen Bootsführer und Pascoe, der ihn verzweifelt anstarrte.

Beim Anblick dieser drei riß er sich zusammen. Bolitho hatte ihm und dem Schiff sein Bestes gegeben, doch war er jetzt so tief bekümmert, daß ihm niemand helfen konnte.

Fast wütend schritt er nach achtern und stieß hervor:»Bei Gott, dem Kerl wollen wir's zeigen, was, Jungs?«Er spürte beinahe, wie seine straff gespannte Gesichtshaut knisterte.»Wie wär's, Mr. Keverne? Noch einen Dreidecker für die Flotte?»

Keverne schluckte mühsam.»Gewiß, Sir.»

Bolitho hob den Kopf und sah Broughton an. Mit einem Seufzer der Erleichterung legte er den Degen über die Reling.»Danke, Sir.»

Als er jetzt zu dem französischen Flaggschiff hinübersah, war es schon viel klarer zu erkennen. Sein Hirn war vollkommen leer bis auf den einen Gedanken: dieses Schiff zu vernichten.

«Sie fällt ab, Bolitho! Sehen Sie doch!«rief Broughton von der anderen Seite des Achterdecks herüber.

Das feindliche Schiff drehte schwerfällig und wies dem SteuerbordAchterdeck der Euryalus seine volle Breitseite. Entweder hatte der Kommandant schon einmal vergeblich versucht, das Heck der Eurya-lus zu kreuzen, oder er hatte es sich anders überlegt und wollte lieber nicht so nahe heran.

Dann feuerte der Franzose. Da er zum erstenmal in dieser verzweifelten Schlacht mitmischte, war seine Breitseite gut gezielt und kam im richtigen Moment. Dicker Rauch wallte am Schiffsrumpf entlang, die Decksplanken sprangen hoch, und plötzlich schwirrte die Luft von Splittern und jenen schrecklichen Schreien, die sie heute schon mehrmals gehört hatten.

Noch einmal wurden die Planken hochgerissen, und als er wieder hören konnte, war es Giffards Stimme:»Der Besan! Die Hunde haben ihn erwischt!«gellte er.

Ehe er Giffards schreckensstarrem Blick folgen konnte, sah er auch schon den Schatten über die Kampanje gleiten, und mit allen Wanten und Stagen, mit den schreienden Menschen, die rechts und links aus den Toppen fielen, stürzte der Mast mit Rahen und Segeln donnernd auf das Deck, mitten zwischen die Menschen.

Fallen und Brassen fegten durch die geduckten Kanoniere und die durcheinanderrennenden Soldaten wie giftige Schlangen, dann folgte ein neuer, wilder Krach: wie trunken sackte der Mast über die Schanz.

Wieder blitzten die feindlichen Kanonen auf, der Qualm riß auseinander, denn wirbelnd sausten oben die Kettenkugeln. Pulvergeschwärzte Gestalten rannten an Bolitho vorbei; Tebbutt, der Bootsmann, schwang die Axt, trieb seine Männer an, das schwere Gewicht des treibenden Mastes zu kappen. Der Mast, die Spieren, zerfetzte Leichname und ein paar in den Toppen hängengebliebene Matrosen, die verzweifelt versuchten, sich freizukämpfen, bevor sie achteraus wegtrieben — das alles wirkte wie ein Treibanker, der das Schiff in einem Alptraum von Rauch und ohrbetäubenden Detonationen herumriß.

Wo Sekunden vorher noch eine Reihe Seesoldaten gestanden hatte, war jetzt ein groteskes Chaos von zerrissenen, zerquetschten Körpern, zerbrochenen Musketen und Strömen von Blut, die sich rasch nach allen Seiten ausbreiteten. Schon brüllte Giffard seine Befehle, und seine Männer liefen bereits blindlings in den blutigen Brei hinein und schossen in den beißenden Rauch.

Mitten in diesem Tohuwabohu sah Bolitho den Admiral, der einen schluchzenden Midshipman hinter den Großmast in Deckung zerrte; sein Dreispitz war weg, doch seine Stimme klang scharf wie immer:»Neu laden und ausrennen, Jungs! Trefft gut, verdammt noch mal, trefft, Jungs!»

Bolitho kletterte über einen großen Haufen gebrochener Stage und Blöcke, fast blind vor Qualm, und schrie:»Mr. Partridge! Mehr Leute ans Ruder! Sie legt sich quer!»

Doch der Master hörte nicht mehr. Eine Kettenkugel hatte ihn fast entzweigeschnitten; beinahe mußte Bolitho sich erbrechen bei diesem grauenhaften Anblick.

Ein Stück des Doppelrades war weggerissen, doch ein paar Matrosen, keuchend, fluchend, rutschend und stolpernd, kamen herzu und warfen sich in die Speichen.

Mit einem langen Erschauern schuppte der Besan von seinen Leinen frei und trieb in der See davon. Das Schiff reagierte fast unmittelbar, Bolitho konnte es spüren; doch als er nach vorn stürzte, sah er das französische Flaggschiff: es war zu spät. Ohren und Hirn dröhnten ihm unter dem Donner der Zweiunddreißigpfünder, er suchte verzweifelt nach dem Ausweg der letzten Minute. Aber der Zug des schweren Besans, die momentane Steuerlosigkeit hatten die Euryalus vom Kurs abgebracht, so daß ihr Bugspriet jetzt direkt auf das Vorschiff des Feindes zeigte. Die Kollision war unvermeidbar, selbst wenn der Abstand größer gewesen wäre; die Segel waren zu zerlöchert, zu zerfetzt und gaben nur noch wenig Steuerkraft her.

Er sah Keverne und brüllte:»Nach vorn! Enterer abschlagen!»

Wieder krachte es, wieder bebte der Rumpf, langsam passierte der französische Zweidecker an Steuerbord, aus allen Rohren schießend, Masten und Segel intakt.