Выбрать главу

Immer noch zogen die Segel des französischen Flaggschiffes und zitterten im Wind; und als es langsam abdriftete, kam sein Heck immer näher an den Bug der Euryalus heran. Jetzt stieg der Rauch schon dick aus dem Großluk, und Bolitho konnte ein Zittern nicht unterdrücken, als eine erste Flamme wie eine gespaltene Schlangenzunge herüberleckte.

An Deck der Euryalus hatte jeder Kampf aufgehört; die französischen Enterer, die noch auf dem Schiff waren, standen mit den Händen in der Luft und starrten hinter der abtreibenden Glorieux her.

«Sie sind fertig!«sagte Broughton heiser. Doch klang weder Stolz noch Befriedigung mit. Wie alle anderen war er völlig ausgehöhlt von dem wilden, blutigen Kampf.

Tothill kam zur Reling gehinkt.»Die Zeus signalisiert, Sir. «Bolitho blickte hinab und sah, daß Tothill grinste, obwohl ihm Tränen scharfe Linien in das pulvergeschwärzte Gesicht schnitten. Gelassen fragte er:

«Nun, Mr. Tothill?»

«Zwei Feindschiffe haben Flagge gestrichen, Sir. Eins ist gesunken, die anderen stellen die Aktion ein.»

Bolitho seufzte und sah mit stummer Erleichterung hinter dem Flaggschiff her, das jetzt schnell vor dem Wind davontrieb. Als Qualm und Rauch lichter wurden, sah er auch die anderen Schiffe, weit verstreut, geschwärzt und voller Narben. Von der Impulsive war nichts zu sehen, aber die Korvette Restless, die im Verlauf des Kampfes unbemerkt herangekommen sein mußte, hatte Boote ausgesetzt und suchte nach Überlebenden.

Ein heißer Luftzug an seiner Wange ließ ihn zusammenfahren; und als er sich umwandte, sah er Segel und Rigg der Glorieux wie Fackeln brennen. Auch aus den unteren Stückpforten glühte es brandrot, und ehe jemand etwas sagen konnte, zerriß eine ohrenbetäubende Explosion die Luft.

Rauch umgab die Vernichtung und wurde zu Dampf, als die See mit triumphierendem Brausen in die zerschmetterte Hulk strömte und das Schiff in einem Chaos von Blasen und grauenvollem Gurgeln hinunterzog. Kanonen sprangen krachend aus den Laffetten; die Männer, die dort unten in völliger Finsternis gefangen saßen und blind nach einem Ausweg suchten, verschlang das Feuer oder die See.

Als der Rauch endlich abgezogen war, sah man nur noch einen großen, langsam kreisenden Wirbel, in dem Wrackteile und menschliche Körperteile sich zu einem grauenvollen Tanz vereinten. Und dann war nichts mehr.

Broughton räusperte sich mühsam.»Der Sieg!«Er sah den Verwundeten nach, die unter Deck getragen oder geschleift wurden.»Aber er war zu teuer erkauft.»

«Wir fangen gleich mit den Reparaturen an, Sir«, sagte Bolitho müde.»Der Wind hat etwas abgeflaut…««Er hielt inne, rieb sich die Augen mit den Handknöcheln und versuchte nachzudenken.»Die Valo-rous sieht schlimm aus. Ich denke, die Tanais kann sie in Schlepp nehmen.»

In der Ferne hörte er Hurrarufe: die Männer auf dem zerstörten Vorderkastell der achtern abgedrehten Zeus winkten und schrien. Die konnten immer noch jubeln, nach allem, was geschehen war! Er wandte den Kopf: da kletterten seine eigenen Männer in die Wanten, um das Hurra zu erwidern.

«Mit solchen Männern, Sir Lucius, brauchen Sie nie mehr Angst zu haben«, sagte er leise.

Aber Broughton hatte nicht hingehört. Er war dabei, seinen schönen Degen abzuschnallen, betrachtete ihn kurz und hielt ihn Pascoe hin.»Hier, nehmen Sie! Als ich ihn am nötigsten brauchte, habe ich ihn fallengelassen. «Und brummig fuhr er fort:»Ein verdammter Mids-hipman, der mit einem Dolch gegen ein Bajonett angeht, hat mehr Recht darauf. «Er lächelte dem Jungen in das erstaunte Gesicht.»Und außerdem — ein Leutnant muß schließlich anständig aussehen — eh?»

Pascoe nahm den Degen und drehte ihn in den Händen. Dann sah er sich nach Bolitho um, doch der stand starr aufgerichtet an der Reling und hielt sie so fest gepackt, daß seine Fingerknöchel weiß waren.

«Sir?«Adam eilte zu ihm hin — vielleicht war er wieder verwundet?

Bolitho ließ die Reling los und legte den Arm um die schmalen Schultern des Jungen. Er war verzweifelt müde, und die Wunde in seiner Schulter brannte wie glühendes Eisen. Aber ein bißchen mußte er noch durchhalten. Ganz langsam sprach er:»Adam — sag du's mir. «Er schluckte mühsam. Kaum traute er sich, es auszusprechen.»In dem Boot da.»

Adam starrte ihn an und dann auf die See hinaus. Ein Kutter pullte auf die von Schußnarben übersäte Bordwand der Euryalus zu, bis zum Dollbord mit triefenden, erschöpften Männern vollgepackt.»Ja, Onkel«, antwortete er,»ich sehe ihn auch.»

Bolitho faßte ihn fester um die Schulter und starrte in das Boot, das jetzt an die Bordwand stieß. Neben dem Bootsführer saß Herrick und sah zu ihm auf; er stützte einen verwundeten Matrosen und grinste über sein ganzes, zu Tode erschöpftes Gesicht.

Keverne kam nach achtern mit einer unausgesprochenen Frage auf den Lippen, die er aber unterdrückte, als Broughton dazwischenfuhr:»Auch wenn Sie künftig die Auriga übernehmen, Mr. Keverne, wäre ich Ihnen doch verbunden, wenn Sie hier noch so lange Stellvertretung machen würden, bis ein Transfer möglich ist. «Er sah Bolitho an, der sich immer noch schwer auf Pascoes Schulter stützte.»Ich glaube nämlich, mein Flaggkapitän hat fürs erste genug geleistet. Für uns alle.»

Und da rannte Allday auch schon zur Fallreepspforte.

Epilog

Die Admiralitätsordonnanz führte Bolitho und Herrick in einen Warteraum und schloß die Tür, ohne ihnen einen weiteren Blick zu schenken. Bolitho trat an ein Fenster und sah auf die dichtbelebte Straße hinunter. Auf einmal war seine hochgespannte Erwartung verflogen. Es war sehr still im Wartezimmer, und durch das Fenster spürte er die Wärme der letzten Septembersonne auf seinem Gesicht. Doch die Leute, die dort unten in solcher Hast und Eile ihren Geschäften nachgingen, waren warm eingewickelt, und die zahlreichen Pferde, die vor Kutschen und Wagen trabten, gaben mit ihren dampfenden Nüstern und bunten Decken bereits einen Vorgeschmack des nahenden Winters.

Hinter ihm lief Herrick ruhelos im Zimmer herum, und Bolitho fragte sich, ob er sich wohl auch, entweder resigniert oder ängstlich gespannt, auf die kommenden Unterredung vorbereitete.

Wie dieses London an den Nerven riß! Kein Wunder, daß die Ordonnanz Herrick und ihn mit solcher Gleichgültigkeit behandelt hatte, denn die Eingangshalle und die Flure waren voller Marineoffiziere, und nur wenige davon unter Kapitänsrang. Alle hatten nur ihre Vorladung oder ihr Schiff im Kopf oder wollten sich vielleicht auch bloß einmal hier im Zentrum von Britanniens Seemacht sehen lassen und so tun, als hätten sie sehr viel Arbeit.

Fast drei Monate waren vergangen, seit das französische Flaggschiff in jener furchtbaren Explosion auseinandergeborsten war, und zunächst hatte Bolitho mehr als reichlich damit zu tun gehabt, das angeschlagene Geschwader ohne weitere Verluste nach Gibraltar zu bringen. Dort sollte es auf neue Befehle warten.

Die zahlreichen Verwundeten waren entweder gestorben oder irgendwie durchgekommen; die Mannschaften hatten sich rastlos bemüht, die Havarien auszubessern, soweit das bei den beschränkten Mitteln, die Gibraltar zu bieten hatte, möglich war. Und Bolitho hatte auf irgendeine Anerkennung für ihre Mühen gewartet.

Endlich war eine Brigg mit Depeschen für Broughton eingelaufen: Die Schiffe, die seetüchtig waren, mußten unverzüglich Segel setzen, und zwar sollten sie nicht vor Cadiz zu Lord St. Vincent stoßen, sondern nach England zurückkehren. Nach allem, was sie zusammen durchgemacht und geleistet hatten, kam es Bolitho hart an, das kleine Geschwader auseinanderzureißen.