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Herrick sah, daß die anderen nur halb zuhörten; sie waren noch abgestumpft von der Anstrengung und dem Schock, den sie erst jetzt richtig spürten. Vermutlich war es dieser andere Bolitho — kühl, selbstsicher, den Kopf schon wieder voll neuer Ideen — , den jener Matrose von der Geschützbedienung während des Gefechtes zu sehen geglaubt hatte.

Aber daß er, Herrick, den richtigen Bolitho kannte, der sich hinter dieser Maske verbarg, das machte ihn plötzlich so stolz, daß alle Erschöpfung von ihm abfiel.

XII Sturm

Wie ein Scherenschnitt stand die Gestalt des Konteradmirals vor dem farbenfrohen Viereck des Fensters; obwohl er Bolitho den Rücken zuwandte, konnte dieser erkennen, daß Conway vor Ungeduld fast zersprang. Draußen vor dem Fenster, still und friedlich im Spiel der in der Abendsonne ständig wechselnden Schatten, ankerten die Schiffe.

Die Undine lag etwas abseits von dem ungefügen Transporter und der kleinen Brigg; die Schäden, welche die Achtzehnpfünder der französischen Fregatte angerichtet hatten, waren nicht mehr zu erkennen. Gelegentlich, wenn das Stimmengewirr verstummte, hörte Bolitho das Klopfen und Hämmern, das Knirschen der Sägen — die Undine bot nur aus der Ferne einen so schmucken Anblick.

Nach der Hitze draußen in der Bucht kam es ihm in dem großen Raum mit den Balkenwänden kühl vor; obwohl die Männer, die darin saßen, so aussahen, als hätten sie sich seit ihrer letzten Begegnung kaum bewegt, hatte sich doch der Raum selber in der kurzen Zeit beträchtlich verändert. Es gab mehr Möbel, ein paar Teppiche, eine ganze Sammlung von blitzenden Karaffen und Gläsern — man hatte den Eindruck, in einer Wohnstätte zu sein, nicht mehr in einer belagerten Festung.

Don Luis Puigserver hockte auf einer messingbeschlagenen Truhe und nippte an seinem Wein. Ihm gegenüber saß James Raymond an dem mit Papieren bedeckten Schreibtisch und machte ein todernstes, verkniffenes Gesicht. Der Kapitän der Brigg, Hauptmann Vega von der ursprünglichen spanischen Garnison und zwei Offiziere der Bedford in roten Uniformen vervollständigten die kleine Versammlung. Einen der letzteren, einen breitgesichtigen Mann, der als Major Frederick Jardine vorgestellt worden war und die von Madras gekommenen Soldaten befehligte, erkannte Bolitho sofort wieder: er hatte ihn in Madras mit Viola Raymond zusammen gesehen. Jardine ließ die bösartigen kleinen Schweinsaugen kaum einen Moment von Bolitho. Der andere Offizier, ein Hauptmann Strype, war sein Stellvertreter und vollkommenes Gegenteiclass="underline" lang und dünn wie ein Stock, lispelnd unter seinem schwarzen Schnurrbart, und wenn er lachte, klang das wie ein kurzes Bellen. Er kam Bolitho ziemlich dumm vor, hatte jedoch offenbar großen Respekt vor seinem Vorgesetzten.

Eben sagte Conway scharf:»Natürlich bin ich höchst betroffen zu hören, daß die Argus Sie angegriffen hat, Captain Bolitho.»

«Ein unrechtmäßiger Angriff obendrein«, warf Raymond dazwischen.

Conway wandte sich um. In der Abendsonne bekam sein graues Haar einen strohgelben Schimmer.

«Aber nicht unerwartet, Raymond. Ich jedenfalls habe damit gerechnet. Es war von Anfang an klar, daß die Franzosen die Hände im Spiel haben. Wir hatten Glück, daß das Erscheinen der Bedford ihre Absicht, Captain Bolithos Schiff zu kapern, vereitelt hat. Das hätten sie doch geschafft, wie?«fragte er schneidend.

Bolitho spürte aller Augen auf sich.»Ich glaube ja, Sir. «Conway nickte lebhaft.»Gut. Gut, Bolitho. Ich wollte die Wahrheit hören, und ich weiß, was es Sie kostet, sie auszusprechen.»

Raymond versuchte nochmals, seinen Standpunkt zu vertreten.»Ich glaube, Sir, wir sollten unverzüglich die Brigg mit Depeschen nach Madras schicken. Möglicherweise wird Sir Montagu Strang zu der Überzeugung kommen, daß weitere Operationen hier nicht ratsam sind. «Conway richtete sich starr auf, aber Raymond redete weiter:»Später können neue Pläne gemacht werden. Bis dahin müssen wir diesen Angriff als Warnung betrachten.»

«Warnung?«knurrte Conway.»Bilden Sie sich ein, daß ich mich von einem verdammten Piraten auch nur eine Minute ins Bockshorn jagen lasse und damit die ganze Aufgabe in Frage stelle, die ich eben erst übernommen habe?«Er trat dicht an Raymond heran.»Nun? Bilden Sie sich das tatsächlich ein?»

Raymond wurde blaß, aber er erwiderte stur:»Ich bin im Auftrag der Regierung hier, Sir. Als Ratgeber. Die Franzosen müssen doch begriffen haben, daß Sie ausmanövriert sind, ehe Sie überhaupt angefangen haben. Wenn dieser Muljadi in den hiesigen Gewässern ungehindert rauben und morden kann, dann ist es unmöglich, aus Pendang Bay eine neue, blühende Handelsniederlassung zu machen. Keine Gesellschaft würde sich darauf einlassen. «Er wandte sich an den Kapitän der Brigg.»Ist dem nicht so?»

Düster nickte der Mann.»Wir brauchen mehr Schutz, Sir.»

Triumphierend fuhr Raymond fort:»Genau! Und das wollen die Franzosen bezwecken. Wenn wir noch mehr Kriegsschiffe für den Patrouillendienst in diesen Gewässern anfordern, dann haben sie einen Grund, außer der Argus weitere Schiffe zu schicken, um das Kräftegleichgewicht zu halten.»

Conway starrte ihn wütend an.»Dann sollen sie doch!»

«Nein, Sir. Das würde Krieg bedeuten. Die Argus ist durch ihren Kaperbrief gedeckt. Muljadi hat eine eigene Flotte und wird außerdem von seinen französischen Freunden unterstützt. In Indien gibt es tausend Muljadis, Manche sind echte Herrscher, und manche haben weniger Untertanen, als Captain Bolitho zur Zeit Matrosen hat. Wir alle wollen Frieden und unseren Handel bis nach China ausdehnen, wenn es geht, und noch weiter. Dort gibt es Reichtümer, von denen wir nur träumen können, Länder, deren Bewohner noch nie von König George oder König Louis gehört haben.»

Gelassen warf Bolitho ein:»Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Sir, sind Sie der Meinung, daß sich der Gouverneur zurückziehen sollte?»

Raymond lächelte kühl.»So wie Sie sich zurückgezogen haben, nicht wahr?»

Bolitho trat zum Fenster und blickte auf sein Schiff hinunter. Damit gewann er Zeit, die aufsteigende Wut, die ihm den Blick trübte, abklingen zu lassen. In der unteren Einfriedung saß Midshipman Keen mit einem Schiffsjungen von der Nervion, der ihm als Pfleger zugeteilt war und aufpassen sollte, daß Keen nicht zu viel herumlief. Es war noch nicht ganz sicher, ob er sich von seiner Verwundung erholen würde. War das tatsächlich erst vorgestern gewesen? Der Qualm, der Kanonendonner, die Erschöpfung nach den anstrengenden Reparaturarbeiten. Dann die Bestattungen auf See — jeder Leichnam mußte gut beschwert sein, ehe man ihn über Bord warf, damit die streunenden Haie keine Zeit hatten, zuzupacken.

«Soviel ich weiß, Mr. Raymond«, entgegnete Bolitho,»haben Sie niemals Ihrem Vaterland mit der Waffe gedient?«Er wartete die Antwort nicht ab.»Hätten Sie jemals des Königs Rock getragen, so wüßten Sie, daß ein geordneter Rückzug nicht das Ende eines Kampfes bedeutet.»

Er vernahm Hauptmann Strypes meckernde Stimme:»Ach Gott, das war aber ein bißchen dünn, wie?»

Bolitho fuhr herum und erwiderte grob:»Ich sprach zu Mr. Raymond, Sir, nicht zu einem verdammten Söldner, der sich einbildet, ein richtiger Soldat zu sein, bloß weil er Hauptmann wurde!»

Don Puigserver setzte sein Glas heftig auf den Tisch.»Meine Herren! Ich weiß, daß Vega und ich hier nichts mehr zu sagen haben. Ich weiß aber auch, daß Senor Raymond wie auch der Gouverneur — «, er verbeugte sich leicht vor Conway — ,»beide recht haben. Solange Muljadi hier ungehindert Einfluß ausübt, können Sie keine Fortschritte machen. Bekommen Sie militärische Verstärkung, so führt das nur zu weiteren Feindseligkeiten und stärkerem Engagement der Franzosen. «Er machte eine Pause und zuckte beredt mit den Schultern.»Und ich bezweifle, daß mein Land das ignorieren könnte.»