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Bayswater war gewarnt und brauchte keine zweite Warnung. Man hörte von Mrs. McCaird, dass er soff wie ein Loch, und der Kneipenwirt bestätigte es. Wirte und Zugehfrauen sind meist nicht so gestellt, dass sie ihren Kunden Kredit einräumen könnten, aber ihre Informationen werden von den Leuten geschätzt, die dazu in der Lage wären.

4 LIZ

Schließlich nahm er doch die Stellung in der Bibliothek an. Das Arbeitsamt hatte sie ihm jeden Dienstagmorgen vorgeschlagen, wenn er seine Unterstützung abholte, und er hatte stets abgelehnt.

»Es ist eigentlich nicht das Richtige für Sie«, sagte Mr. Pitt, »aber die Bezahlung ist gut, und die Arbeit ist für einen gebildeten Mann leicht.«

»Was ist das für eine Bibliothek?« fragte Leamas.

»Es ist die Bayswater-Bibliothek für psychische Forschung. Es ist eine Stiftung. Sie haben Tausende von Bänden, alles mögliche, und haben noch viel mehr vermacht bekommen. Sie suchen noch einen Helfer.«

Er nahm seine Unterstützung und den Zettel in Empfang.

»Es sind merkwürdige Leute«, fügte Mr. Pitt hinzu, »aber Sie sind ohnehin kein Dauerarbeiter, wie? Ich meine, es wäre an der Zeit, es jetzt einmal zu versuchen, meinen Sie nicht?«

Etwas war merkwürdig mit Pitt. Leamas war sicher, ihn schon vorher irgendwann einmal gesehen zu haben. Im Rondell, während des Krieges.

Die Bibliothek glich einem Kirchenschiff und war sehr kalt. Die schwarzen Heizöfen an den beiden Enden des Raumes verbreiteten Ölgeruch. In der Mittelhalle stand ein würfelförmiger Verschlag, in dem Miß Crail, die Bibliothekarin, saß.

Es war Leamas nie der Gedanke gekommen, dass er einmal unter einer Frau würde arbeiten müssen. Niemand beim Arbeitsamt hatte etwas davon erwähnt.

»Ich bin der neue Helfer«, sagte er, »mein Name ist Leamas.«

Miß Crail blickte scharf von ihren Karteikästen auf, als ob sie ein böses Wort gehört hatte.

»Helfer? Was meinen Sie mit Helfer?«

»Assistent. Vom Arbeitsamt. Von Mr. Pitt.«

Er schob ein vervielfältigtes Formblatt, auf dem seine Personalangaben in schräger Handschrift eingetragen waren, über den Tisch. Sie nahm es auf und prüfte es.

»Sie sind Mr. Leamas.« Es war keine Frage, sondern die erste Etappe einer mühsamen Untersuchung zur Tatsachenfeststellung. »Und Sie sind vom Arbeitsamt?«

»Nein. Ich wurde vom Arbeitsamt nur hergeschickt. Man sagte mir, dass Sie eine Hilfskraft brauchten.«

»Ich verstehe.« Ein hölzernes Lächeln.

In diesem Moment läutete das Telefon: Sie hob den Hörer ab und begann mit dem Anrufer sofort heftig zu streiten. Leamas tippte darauf, dass sie mit dieser anderen Person in einem ständigen Streit lebte, denn es hatte kein Vorgeplänkel gegeben. Ihre Stimme hatte sich einfach um eine Tonlage gehoben, während sie wegen irgendwelcher Konzertkarten zu schimpfen begann. Er lauschte ihr ein oder zwei Minuten und schlenderte dann zu den Bücherregalen. In einer der Nischen bemerkte er ein Mädchen auf einer Leiter, das große Bände sortierte.

»Ich bin der neue Mann«, sagte er, »mein Name ist Leamas.«

Sie kam die Leiter herunter und schüttelte etwas förmlich seine Hand.

»Ich bin Liz Gold. Sehr angenehm. Kennen Sie schon Miß Grail?«

»Ja, aber sie telefoniert im Moment.«

»Sie hat einen Krach mit ihrer Mutter, nehme ich an. Was werden Sie hier machen?«

»Keine Ahnung. Arbeiten, denke ich.«

»Wir sind im Augenblick beim Registrieren; Miß Crail legt ein neues Verzeichnis an.«

Sie war ein großes, linkisches Mädchen mit langer Taille und langen Beinen. Sie trug Schuhe mit flachen Absätzen, um etwas kleiner zu wirken. Einzelne Partien ihres Gesichtes und ihres Körpers schienen unentschlossen, ob sie sich für grobe Einfachheit oder Anmut entscheiden sollten. Leamas schätzte sie auf zweiundzwanzig oder dreiundzwanzig Jahre, wahrscheinlich war sie Jüdin.

»Wir müssen nur sehen, ob alle Bücher in den Regalen sind. Dies ist die Standortliste, sehen Sie. Wenn Sie kontrolliert haben, schreiben Sie mit Bleistift die Standortbezeichnung hinein und haken den Titel im Katalog ab.«

»Was geschieht dann?«

»Nur Miß Crail darf die Eintragung im neuen Verzeichnis mit Tinte machen. So ist die Vorschrift.«

»Wessen Vorschrift?«

»Miß Crails. Fangen Sie doch bei der Archäologie an.«

Leamas nickte, und gemeinsam gingen sie zu der nächsten Nische, wo eine Schuhschachtel voll Karteikarten auf dem Boden stand.

»Haben Sie schon einmal eine derartige Arbeit gemacht?«

»Nein.« Er bückte sich, nahm eine Handvoll Karten heraus und blätterte sie durch. »Mr. Pitt vom Arbeitsamt hat mich geschickt.« Er steckte die Karten zurück. »Miß Crail ist auch die einzige Person, die auf diesen Karten mit Tinte schreiben darf?« erkundigte sich Leamas.

»Ja.«

Sie ließ ihn in seiner Nische allein, und nach kurzem Zögern nahm er ein Buch vom Regal und las das Titelblatt. Das Buch hieß »Archäologische Entdeckungen in Kleinasien, Band vier.« Man schien hier nur Band vier zu haben.

Es war ein Uhr und Leamas war sehr hungrig, er ging deshalb zu Liz Gold hinüber und sagte: »Wie steht es mit dem Mittagessen?«

»Ich bringe mir immer Brote mit.« Sie sah etwas verlegen aus. »Sie können davon haben, wenn Ihnen damit gedient ist. Es gibt hier meilenweit kein Café.«

Leamas schüttelte den Kopf.

»Ich werde weggehen. Vielen Dank. Muß außerdem einige Einkäufe machen.«

Sie sah ihm nach, als er durch die Schwingtür ging.

Es war halb drei, als er zurückkam. Er roch nach Whisky. Er schleppte zwei Tragtaschen mit Lebensmitteln. Er stellte sie in einer Ecke der Nische ab und begann widerwillig seine Arbeit bei den Archäologiebüchern fortzusetzen. Er hatte ungefähr zehn Minuten gearbeitet, als er bemerkte, dass ihn Miß Crail beobachtete.

»Mr. Leamas!« Er war halb oben auf der Leiter, deshalb schaute er nur über seine Schulter hinunter und sagte:

»Ja?«

»Wissen Sie, woher diese Beutel kommen?«

»Es sind meine.«

»Aha, es sind Ihre.« Leamas wartete.

»Ich bedaure«, fuhr sie schließlich fort, »dass wir es nicht gestatten können, Einkäufe in die Bibliothek mitzubringen.«

»Wo soll ich sie sonst lassen? Ich kann sie nirgendwo anders hinstellen.«

»Nicht in die Bibliothek«, erwiderte sie.

Leamas ignorierte sie und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Regal zu.

»Wenn Sie die vorgeschriebene Mittagspause einhielten«, fuhr Miß Crail fort, »würden Sie keine Zeit zum Einkaufen haben. Niemand von uns hat das, weder Miß Gold noch ich selbst. Wir haben keine Zeit zum Einkaufen.«

»Warum nehmen Sie sich nicht eine halbe Stunde frei?« fragte Leamas. »Dann würden Sie Zeit haben. Wenn Sie mit der Arbeit in Druck geraten, könnten Sie abends eine halbe Stunde anhängen, falls es nötig ist.«