«Aber wir hatten noch keine Zeit, Wasser zu übernehmen, Sir«, war er herausgeplatzt.
Der Admiral hatte hinsichtlich der Geheimhaltung zu seinen Worten gestanden. Er erlaubte den Booten der Sparrow nicht, an Land zu fahren, was sie auch immer als Grund angaben.
Ein Glück, daß er nichts davon erfahren hatte, daß Lock sich von einem vorbeifahrenden Leichter an Land hatte bringen lassen.
Genauso heimlich war er wieder mit einigen großen Fässern voll Zitronen und einem ungewöhnlich bekümmerten Gesicht zurückgekehrt. Er hatte in der Eile keinen besonders günstigen Preis aushandeln können.
«Wir werden auf Südkurs segeln und in die Delaware-Bucht einlaufen«, sagte Bolitho.»Dort werden wir mit der Armee zusammenarbeiten und an Bord der Sparrow.»
Foley unterbrach ihn lässig:»Ich denke, das genügt für den Augenblick, Kapitän. «Ohne Bolitho anzuschauen, fügte er noch hinzu:»Also, meine Herren, es ist Ihre Pflicht, dafür zu sorgen, daß dieses Schiff zur rechten Zeit den rechten Ort erreicht und kampfbereit ist, falls es zur Durchführung dieser Mission notwendig werden sollte.»
Die Seeoffiziere drehten sich auf ihren Stühlen, und Bolitho bemerkte, daß ihn die beiden Fähnriche überrascht anstarrten. Foleys deutlich sichtbarer Oberbefehl mußte ihnen sonderbar vorkommen.
«Ein übles Stückchen Küste dort unten, Sir«, murmelte Buckle.»Eine Menge Untiefen und Sandbänke. «Er saugte die Luft geräuschvoll zwischen den Zähnen ein.»Schlimm.»
Foley blickte Bolitho an. In seinen tiefliegenden Augen zeigte sich Verärgerung.»Wir sind doch wohl nicht hier zusammengekommen, um die Fähigkeiten Ihrer Offiziere zu erörtern, oder?»
Bolitho erwiderte den Blick des Obersten. Er war plötzlich sehr ruhig.»Gewiß nicht, Sir, ich verbürge mich für meine Leute. «Er schwieg einen Augenblick und fuhr dann fort:»Ebenso bin ich sicher, daß Sie sich für Ihre Leute verbürgen, wenn es an der Zeit ist.»
Während des peinlichen Schweigens hörte Bolitho Tilbys rauhe Stimme über das Deck dröhnen. Er hatte einen Pechvogel beim Faulenzen erwischt. Wieder hatte er einen schlechten Anfang gemacht, aber er fühlte keine Reue.
Foley nickte langsam.»Wir werden sehen.»
«Darf ich sprechen, Sir?«fragte Graves.
Bolitho nickte.
«Warum kann nicht ein Schiff des Küstengeschwaders diese Mission übernehmen, Sir?»
Foley erhob sich. Er beugte seinen Kopf zwischen die Decksbalken.»Weil Ihr Schiff für dieses Unternehmen geeignet ist, Leutnant. Aber ganz gewiß nicht, weil wir von Ihnen besondere Fähigkeiten erhoffen.»
Bolitho betrachtete die Gesichter seiner Offiziere. Verstimmung, Überraschung, Verletztsein, all das war deutlich in ihnen zu lesen.
«Fangen wir an, meine Herren«, sagte er langsam.»Befehlen Sie in zehn Minuten alle Mann auf ihre Stationen.»
Nachdem sich die Offiziere zur Tür hinausgedrängt hatten, wandte er sich an Foley.»Sie haben gesagt, es sei meine Pflicht, Ihnen als Truppentransporteur zur Verfügung zu stehen. Wie ich das tue, bleibt meiner Verantwortung überlassen, und ich bin nicht verpflichtet, still zu sein, wenn Sie meine Offiziere beleidigen.»
Da der Oberst nicht antwortete, fuhr er fort:»Diese Männer waren maßgeblich daran beteiligt, zwei von der Armee dringend erwartete Nachschubschiffe in Sicherheit zu bringen. Sie kämpften und versenkten einen Freibeuter und halfen mit, ein anderes, viel stärkeres Schiff zu vertreiben.»
«Wofür Sie zweifellos den Ruhm einheimsen, ja?»
Bolitho beherrschte sich mühsam. Seine Stimme klang dunkel vor Zorn.»Danke, Herr Oberst. Ich zweifle nicht, daß Sie hofften, ich würde das vor den anderen gesagt haben, nur damit Sie solch einen Vorwurf aussprechen konnten. «Er griff nach seinem Hut.»Wenn ich gewußt hätte, daß die Armee Philadelphia schon geräumt hat, so hätte ich mir die Zeit genommen, das Kaperschiff zu zerstören, und wäre nicht mit den lästigen Transportern davongesegelt.»
Foley lächelte.»Gut gesprochen, Kapitän. Mir gefällt ein Mann, der noch Gefühle zeigt.»
Bolitho polterte aus der Kajüte und schritt blindwütig zum Niedergang. Aus der Art und Weise, wie einige Seeleute seinen Blick mieden, und aus der gespannten Wachsamkeit, mit der der junge Bethune das Flaggschiff beobachtete, konnte er leicht erraten, daß sie alle seinen Zorn bemerkten.
Hatte er sich so verändert? Früher hätte er über Foleys Taktlosigkeiten gelacht oder geflucht, sobald er ihm den Rücken zugekehrt hätte. Jetzt genügte schon eine kritische Bemerkung, der leiseste Angriff auf seine Leute und sein Schiff, Selbstbeherrschung und Vernunft zu verlieren.
Tyrell kam nach achtern.»Ich kenne diese Gewässer gut genug, Sir. Mr. Buckle ist mächtig besorgt, und ich kann ihm da nur recht geben.»
«Ich weiß es, danke.»
Er hatte Tyrells Gesichtsausdruck bemerkt, als Buckle seine Bedenken vorgebracht hatte. Tyrell war drauf und dran gewesen, dieselbe Meinung zu vertreten. Vielleicht hatte er selbst als Kapitän sich aus diesem Grund eingemischt, um den Steuermann gegen den Sarkasmus des Obersten zu verteidigen. Foley hatte schon deutlich genug gesagt, was er von den Amerikanern hielt. Rebellen, Siedler und Leute, die wider ihren Willen in das Kreuzfeuer verschiedener Parteien und auseinandergerissener Familien geraten waren, alle schienen ihm gleichermaßen unzuverlässig.
Tyrell wandte sich ab, um zuzuschauen, wie die Gig über die Steuerbordreling an Deck gehievt wurde.
«Ein ziemlicher Schweinehund, der Kerl, Sir. «Er zuckte die Achseln.»Hab' schon früher mit so was zu tun gehabt.»
Bolitho schluckte den Tadel, den er jetzt hätte aussprechen müssen, hinunter. Es wäre sinnlos gewesen. Sogar Bethune mußte die Feindseligkeit zwischen ihm und Foley bemerkt haben.
«Hoffen wir, daß er weiß, was er tut, Mr. Tyrell. Um unser aller willen. «Die Bootsmannsmaaten rannten über das Geschützdeck und brüllten in die Niedergänge hinunter.
«Alle Mann! Alle Mann an Deck!»
Bolitho sagte leise:»Ich hatte keine Zeit, Nachrichten über Ihre Familie einzuholen.»
«Nun gut. «Tyrell drückte seinen Hut tiefer in die Stirn, um seine Augen vor den Strahlen der untergehenden Sonne zu schützen.»Vielleicht später.»
Das Schiebeluk über dem achteren Niedergang wurde zurückgestoßen, und Foley erschien auf der Leiter.
Mit sachlicher Stimme wandte sich Bolitho an ihn.»Ich muß Sie leider bitten, das Achterdeck zu verlassen, Sir. «Er sah, wie der Oberst zornig wurde, und fügte hinzu:»Oder ziehen Sie etwas über Ihre rote Uniform. Es ist nicht gut für uns, wenn man sieht, daß wir auch nur einen einzigen Soldaten an Bord haben.»
Foley verschwand, und Tyrell sagte fröhlich:»Einen Punkt für Sie, Sir.»
«Es war unbeabsichtigt. «Bolitho nahm ein Fernglas und richtete es über die anderen Schiffe hinaus.»Unsere Abfahrt muß völlig normal aussehen. Spione werden unsere Ankunft gemeldet haben und werden zweifellos nur an unsre Depeschen denken. Ich möchte nicht, daß die Nachricht weitergegeben wird, daß wir mit besonderem Auftrag absegeln. Die Welt wird ohnehin bald davon erfahren. Aber je später, desto besser.»
Er ging zur Achterdecksreling und sah zu, wie die Unteroffiziere ihre Leute auf den Stationen antreten ließen. Aber er traute seinen eigenen Worten nicht. Konnte ein Mann wie Foley ihn wirklich dazu bringen, so schnell zurückzuschlagen, wie es Tyrell vermutete?
«Klar bei Ankerspill!«Tilby hatte die Fockmastwanten gepackt. Sein grobes Gesicht glänzte vor Schweiß, als er die heranlaufenden Seeleute anbrüllte:
«Zupacken, ihr faulen Lumpen, oder ich komme mit einem Tauende über euch.»
Die unerwarteten Reisebefehle hatten ihn aus seiner Freiwache hochgeschreckt, und man konnte ihm seine letzte Sauferei noch deutlich ansehen.
Bolitho wandte sich an Buckle.»Sobald wir uns vom Land freigesegelt haben, werden wir die Bramsegel setzen. Der Wind scheint einigermaßen durchzustehen, aber wir werden wohl noch vor Dunkelheit Regen bekommen.»