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Bolitho stellte sich vor und rutschte auf der Bank ein Stück weiter, um Dancer Platz zu machen.

«Doch nicht Ihr erstes Schiff?»

Dancer lächelte trübe.»Beinahe. Ich war auf dem Flaggschiff, bis es ins Dock mußte. Meine Seedienstzeit beläuft sich auf drei Monate und zwei Tage. «Er bemerkte Bolithos über-raschte Miene.»Ich habe spät angefangen. Mein Vater wollte mich nicht zur See gehen lassen. «Er zuckte die Achseln.»Aber schließlich habe ich doch meinen Willen durch-gesetzt.»

Der junge Mann gefiel Bolitho. Gewiß, Dancer hatte seine Laufbahn spät begonnen. Er war ungefähr so alt wie Bolitho, und seine ruhige, kultivierte Stimme ließ darauf schließen, daß er aus einer guten Familie kam. Und sicherlich aus der Stadt.

Dancer sagte eben:»Ich habe gehört, daß wir nach Westafrika segeln. Aber. .»

Bolitho grinste.

«Das ist nur ein Gerücht unter anderen. Aber es wäre immerhin besser, als bei der Kanalflotte zu sein und ständig im Ärmelkanal hin und her zu rutschen.»

Dancer verzog das Gesicht.»Der Siebenjährige Krieg ist jetzt seit neun Jahren vorbei. Ich hätte doch gedacht, die Franzosen würden uns wieder auf den Leib rücken, und sei es nur, um ihre kanadischen Besitzungen wiederzukriegen.»

Bolitho wandte sich um und sah zwei invalide Matrosen auf den Wirt zugehen. Der beaufsichtigte gerade ein Küchenmädchen, das Suppe in Zinnschüsseln abfüllte.

Kein richtiger Krieg seit neun Jahren, das stimmte schon. Und doch gab es überall auf der Welt genug andere Konflikte, die nie abrissen: Aufstände und Piraterie; Kolonien, die gegen ihre neuen Herren revoltierten — solche Aktionen kosteten ebenso viele Opfer wie jede Seeschlacht.

«Schert euch weg!«sagte der Wirt grob.»Ich will hier keine Bettler.»

Der eine Matrose, dessen rechter Arm dicht unter der Schulter amputiert war, erwiderte ärgerlich:»Ich bin kein lausiger Bettler! Ich war auf der alten Marlborough, 74 Geschütze, Konteradmiral Rodney!»

Tiefe Stille im Eßraum; und Bolitho sah, daß einige der jüngeren Midshipmen die beiden Invaliden mit Furcht und Schrecken anstarrten.

Der zweite Mann rief besorgt:»Laß gut sein, Ted! Dieser Teufel gibt uns doch nichts.»

«Geben Sie ihnen alles, was sie brauchen!«sagte Dancer. Ärgerlich und verwirrt über seine Impulsivität schlug er die Augen nieder.»Ich bezahle.»

Bolitho blickte ihn an. Er war ebenso betroffen. Und ebenso beschämt.

«Gut gesprochen, Martyn«, sage er und legte ihm freundschaftlich die Hand auf den Arm.»Ich freue mich, daß wir Bordkameraden sind.»

Ein Schatten fiel zwischen sie und die qualmende Lampe. Der Einarmige sah sie lange an, sein Gesicht war sehr düster.»Danke, junge Herren. «Er streckte die Hand aus.»Viel Glück! Sie beide werden bestimmt mal Kapitäne.»

Er trat beiseite, als eine Kellnerin zwei dampfende Schüsseln mit Essen auf einen Nebentisch stellte, und fügte zu Nutz und Frommen aller Anwesenden noch hinzu:»Der eine oder andere sollte sich diesen Tag merken. Eine gute Lehre für euch.»

Der Wirt, ein großer, kräftiger Mann, trat auf die beiden Midshipmen zu. Langsam setzte die allgemeine Unterhaltung wieder ein.

«Jetzt will ich Ihr verdammtes Geld sehen. Und zwar gleich!«Wütend stierte er Dancer an.»Und anschließend. .»

«Anschließend«, sage Bolitho ruhig,»werden Sie uns zwei Brandy bringen, Wirt. «Er beobachtete gelassen, wie in dem Mann die Wut hochstieg, und paßte den richtigen Moment ab, wie beim Abfeuern eines Neunpfünders.»Sie sollten lieber etwas auf Ihr Benehmen achten. Mein Freund hier ist glücklicherweise guter Laune. Aber seinem Vater gehört das meiste Land hier in der Gegend.»

Der Wirt schluckte.»Um Gottes willen, Sir! Ich habe doch nur Spaß gemacht! Ich bringe Ihnen den Brandy sofort. Den besten, den ich habe, und Sie werden hoffentlich nichts dagegen haben, daß er auf meine Kosten geht. «Mit plötzlich besorgtem Gesicht eilte er davon.

Verwirrt sagte Dancer:»Aber mein Vater ist doch Teehändler in der Londoner City! Ich bezweifle, daß er Portsmouth Point je im Leben gesehen hat. «Er schüttelte den Kopf.»Ich glaube, ich muß meinen Geist ordentlich schärfen, wenn ich mit Ihnen Schritt halten will, Richard!»

Bolitho lächelte bedeutsam.»Nenn mich Dick, wenn du nichts dagegen hast.»

Als sie eben ihren Brandy nippten, wurde die Tür zur Straße weit aufgerissen. Diesmal fiel sie nicht gleich wieder zu. Die Öffnung wurde von einem Leutnant in triefendem Ölzeug ausgefüllt. Sein Dreispitz war von Gischt und Regen völlig durchweicht.

«Alle Midshipmen der Gorgon sofort zum Bootshafen!«brüllte er heiser.»Draußen wartet eine Gang Matrosen, um eure Seekisten an Bord zu bringen.»

Mit wiegenden Schritten ging er zum Kamin und riß dem Wirt einen Becher Brandy aus der Hand.»Draußen bläst es wie verrückt. «Er hielt seine roten Hände über die wärmenden Flammen.»Helf uns Gott!»

Dann fiel ihm plötzlich etwas ein:»Wer ist hier der Dienstälteste?»

Bolitho sah, wie die jungen Leute im Raum ängstliche Blicke wechselten. Die Gemütlichkeit hatte sich in Panik verwandelt.

«Ich glaube, das bin ich, Sir«, sagte er.»Richard Bolitho.»

Der Leutnant musterte ihn mißtrauisch.»Na schön. Führen Sie sie zum Hafen, und melden Sie sich beim Boots-mannsmaat. Ich komme gleich nach. «Er hob die Stimme.»Und wenn ich da bin, ist gefälligst jeder einzelne Muttersohn abfahrbereit, verstanden?»

Der kleinste Midshipman sagte verzweifelt:»Mir wird schlecht, glaube ich.»

Jemand lachte, aber der Leutnant brüllte ihn an:»Ihnen wird schlecht, Sir! Sagen Sie gefälligst ›Sir‹, wenn Sie einen Offizier anreden, verdammt noch mal!»

Die Frau des Wirts sah zu, wie die Midshipmen Hals über Kopf in den Regen hinausstürzten.

«Sie nehmen sie ja 'n bißchen hart 'ran, Mr. Hope, Sir.»

Der Leutnant grinste.»Das haben wir alle durchmachen müssen, meine Liebe. Der Kapitän ist sowieso schwierig genug, wie die Dinge liegen. Wenn ich mit den neuen Midshipmen zu schlapp bin, dann verpaßt er mir 'ne Breitseite, das kann ich Ihnen garantieren!»

Draußen auf dem nassen Kopfsteinpflaster sah Bolitho zu, wie ein paar Matrosen die schwarzen Kisten auf Karren luden. Kräftig, wettergebräunt, sie sahen wie befahrene Seeleute aus; der Kapitän hatte vermutlich nicht das Risiko eingehen wollen, weniger verläßliche Mannschaften, die vielleicht desertierten, an Land zu schicken.

In ein paar Wochen, ja sogar ein paar Tagen, würde er diese Männer und noch viele andere genauer kennen. Er würde nicht, wie an Bord seines ersten Schiffes, in die alten Fehler verfallen. Inzwischen hatte er gelernt: Vertrauen war etwas, das man sich verdienen mußte, und nicht einfach eine Zugabe zur Uniform, die man trug.

Er nickte einem der älteren Männer zu.»Wir legen gleich ab.»

Der Mann grinste.»Ist wohl nicht Ihr erster Bordgang, Sir?»

Bolitho fiel neben Dancer in Gleichschritt.»Und der letzte auch nicht.»

Unten am Hafen fanden sie den Bootsmannsmaat im Windschutz der Mauer. Vor ihnen rollte der Solent seine endlose Folge kabbeliger Wogenkämme, und die paar Möwen hoben sich von dem bleiernen Himmel ab wie weiße Schaumfetzen.

Der Maat faßte an seinen Hut.»Ich schlage vor, Sie lassen alle Mann gleich an Bord gehen, Sir. Wir haben 'n ziemlichen Ebbstrom, und der Erste will, daß das Boot vor der Hundewache noch einen Törn macht. «Vertraulich senkte er die Stimme.»Er heißt Mr. Verling, Sir. Lassen Sie sich warnen. Er ist manchmal mit den jungen Herren 'n bißchen scharf. Sollen alles machen, was er macht — so gut sie können. «Er grinste schadenfroh.»Herrgott, sehen Sie diesen Haufen bloß an! Die verspeist er zum Frühstück.»

«Und ich Sie«, herrschte Bolitho ihn an,»wenn Sie nicht sofort mit Ihrem Geschwafel aufhören!»

Der Mann verschwand, und Dancer machte große Augen.»Die Sorte kenn' ich, Martyn«, sagte Bolitho.»Als nächstes soll ich ihm dann erlauben, daß er rasch mal einen Rum trinken geht. «Er grinste.»Und das würde dem Leutnant hier kaum recht sein, ganz zu schweigen von dem gewaltigen Mr. Verling.»