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»Die Brötchen und der Kuchen waren immer besonders gut.«

»Danke«, sagt Emilie geziert.»Und wie ist es mit der Anzahlung?«

»Ich mache Ihnen einen Vorschlag«, erklärt Georg und läßt plötzlich seinen Charme spielen.»Liefern Sie uns einen Monat lang jeden Morgen zwölf Brötchen und jeden Nachmittag sechs Stücke Obstkuchen gratis – dann zahlen wir Ihnen am Ende des Monats die Anzahlung zurück, und Sie brauchen das Mausoleum nicht zu nehmen.«

»Gemacht«, sagt Frau Niebuhr sofort.

»Ruhe, Emilie!«Ralph knufft sie in die Rippen.»Das möchten Sie wohl«, sagt er giftig zu Georg.»In einem Monat zurückzahlen! Und was ist dann das Geld noch wert?«

»Nehmen Sie das Denkmal«, erwidere ich.»Uns soll es recht sein.«

Der Kampf dauert noch eine Viertelstunde. Dann schließen wir einen Vergleich. Wir zahlen die Hälfte der Anzahlung sofort zurück. Den Rest in zwei Wochen. Die Lieferung in Naturalien bleibt bestehen. Ralph kann nichts gegen uns machen. Die Inflation ist für einmal auf unserer Seite. Zahlen sind Zahlen vor Gericht, immer noch, ganz gleich, was sie bedeuten. Wollte er auf Rückzahlung klagen, so würde Emilie ihr Geld vielleicht in einem Jahr zugesprochen bekommen – immer noch dieselbe, dann völlig wertlose Summe. Ich verstehe Georg jetzt – wir kommen gut bei dem Geschäft weg. Die Anzahlung gilt nur noch ein Bruchteil von dem, was sie wert war, als wir sie erhielten.

»Was machen wir aber mit dem Mausoleum?«frage ich ihn, nachdem die Verlobten fort sind.»Wollen wir es als Privatkapelle benutzen?«

»Wir ändern das Dach etwas. Kurt Bach kann einen trauernden Löwen draufsetzen oder einen marschierenden Soldaten – zur Not auch einen Engel oder die weinende Germania -, zwei der Fenster nehmen wir raus und ersetzen sie durch Marmorplatten, auf die Namen eingemeißelt werden können – und damit ist das Mausoleum -«

Er hält inne.»Ein kleineres Kriegerdenkmal«, ergänze ich.»Aber Kurt Bach kann keine frei stehenden Engel modellieren – auch keine Soldaten und keine Germania. Er kann sie höchstens im Relief. Wir müssen bei unserem alten Löwen bleiben. Dafür ist aber das Dach zu schmal. Ein Adler wäre besser.«

»Wozu? Der Löwe kann eine Pfote über das Postament herunterhängen lassen. Dann geht es.«

»Wie wäre es mit einem Bronzelöwen? Die Metallwarenfabriken liefern Bronzetiere in allen Größen.«

»Eine Kanone«, sagt Georg sinnend.»Eine zerschossene Kanone wäre mal was Neues.«

»Nur für ein Dorf, in dem nichts anderes als Artilleristen gefallen sind.«

»Hör zu«, sagt Georg.»Laß deine Phantasie spielen. Mach ein paar Zeichnungen, möglichst groß und am besten farbig. Wir werden dann sehen!«

»Wie wäre es, wenn wir den Obelisken in das Arrangement hineinarbeiten könnten? Dann schlügen wir zwei Fliegen mit einer Klappe.«

Georg lacht.»Wenn du das fertigbringst, bestelle ich für dich als Bonus eine ganze Kiste Reinhardtshauser 1921. Ein Wein zum Träumen.«

»Es wäre besser, wenn du ihn in einzelnen Flaschen auf Vorschuß liefertest. Die Inspiration kommt dann leichter.«

»Gut, fangen wir mit einer an. Gehen wir zu Eduard.«

Eduard bewölkt sich wie üblich, als er uns sieht.»Freuen Sie sich, Herr Knobloch«, sagt Georg und zieht eine Handvoll Geldscheine aus der Tasche.»Bares Geld lacht Sie heute an!«

Eduard entwölkt sich.»Tatsächlich? Na ja, es mußte ja endlich einmal kommen. Einen Fensterplatz?«

In der Weinabteilung sitzt schon wieder Gerda.»Bist du hier Dauergast?«frage ich sauer.

Sie lacht unbefangen.»Ich bin hier geschäftlich.«

»Geschäftlich?«

»Geschäftlich, Herr Untersuchungsrichter«, wiederholt Gerda.

»Dürfen wir Sie dieses Mal zum Essen einladen?«fragt Geoerg und gibt mir einen Stoß mit dem Ellbogen, mich nicht wie ein Maultier zu benehmen.

Gerda sieht uns an.»Noch einmal kommen wir sicher nicht damit durch, daß ich euch einlade, was?«

»Bestimmt nicht«, sage ich, kann mich aber nicht enthalten, hinzuzufügen:»Eduard würde lieber die Verlobung auflösen.«

Sie lacht und äußerst sich nicht dazu. Sie trägt ein sehr hübsches Kleid aus tabakfarbener Rohseide. Was für ein Esel bin ich gewesen! denke ich. Da sitzt ja das Leben selbst, und ich habe es in meinem konfusen Größenwahn nicht kapiert!

Eduard erscheint und bewölkt sich wieder, als er uns mit Gerda sieht. Ich merke, wie er kalkuliert. Er glaubt, daß wir gelogen haben und erneut schmarotzen wollen.»Wir haben Fräulein Schneider zum Essen eingeladen«, sagt Georg.»Wir feiern Ludwigs Konfirmation. Er reift langsam zum Manne heran. Nimmt nicht mehr an, daß die Welt nur seinetwegen existiere.«

Georg hat mehr Autorität als ich. Eduard erhellt sich wieder.»Es gibt köstliche Hühnchen!«Er spitzt den Mund, als wollte er pfeifen.

»Bring ruhig das normale Mittagessen«, sage ich.»Bei dir ist immer alles vorzüglich. Und dazu eine Flasche Schloß Reinhardtshausener 1921!«

Gerda blickt auf.»Wein am Mittag? Habt ihr in der Lotterie gewonnen? Warum kommt ihr dann nie mehr in die Rote Mühle?«

»Wir haben nur ein kleines Los gewonnen«, erwidere ich.»Trittst du denn da immer noch auf?«

»Das weißt du nicht? Schäme dich! Eduard weiß es. Ich habe allerdings vierzehn Tage ausgesetzt. Aber am Ersten fange ich ein neues Engagement an.«

»Dann kommen wir«, erklärt Georg.»Und wenn wir ein Mausoleum beleihen müssen!«

»Deine Freundin war gestern abend auch da«, sagt Gerda zu mir.

»Erna? Das ist nicht meine Freundin. Mit wem war sie da?«

Gerda lacht.»Was geht es dich an, wenn sie nicht mehr deine Freundin ist?«

»Sehr viel«, erwidere ich.»Es dauert lange, bis man ausgezuckt hat, auch wenn es nur noch mechanisch ist, wie bei Froschbeinen und dem galvanischen Strom. Erst wenn man ganz getrennt ist, wird man wirklich interessiert an allem, was den anderen angeht. Eines der Paradoxe der Liebe.«

»Du denkst zu viel. Das ist immer schädlich.«

»Er denkt nicht richtig«, sagt Georg.»Sein Intellekt ist eine Bremse für seine Emotionen – anstatt ein Vorspann zu sein.«

»Kinder, seid ihr alle klug!«erklärt Gerda.»Kommt ihr dabei zwischendurch auch zu etwas Spaß im Leben?«

Georg und ich sehen uns an. Georg lacht. Ich bin betroffen.»Denken ist unser Spaß«, sage ich und weiß, daß ich lüge.

»Ihr armen Würmer! Dann eßt wenigstens ordentlich.«

Der Reinhardtshausener hilft uns wieder heraus. Eduard öffnet ihn selbst und verkostet ihn. Er markiert den Weinkenner, der probiert, ob der Wein korkig sei. Dazu gießt er sich ein mittleres Glas voll ein.»Exzellent!«sagt er mit französischem Auslaut und gurgelt und schlägt mit den Augenlidern.

»Echte Weinkenner brauchen zum Probieren nur ein paar Tropfen«, sage ich.

»Ich nicht. Nicht bei so einem Wein. Ich möchte euch doch nur das Beste servieren!«

Wir erwidern nichts; wir haben unseren Trumpf in Reserve. Wir werden das Essen für Gerda und uns mit den unerschöpflichen Marken bezahlen.

Eduard schenkt ein.»Wollt ihr mich nicht auch zu einem Gläschen einladen?«fragt er frech.

»Nachher«, erwidere ich.»Wir trinken mehr als eine Flasche. Beim Essen aber störst du, weil du einem wie ein Bernhardiner die Bissen in den Mund zählst.«

»Nur, wenn ihr als Parasiten mit euren Marken ankamt.«Eduard tänzelt um Gerda herum wie ein Mittelschullehrer, der Walzer übt.

Gerda unterdrückt einen Lachanfall. Ich habe sie unter dem Tisch angestoßen, und sie hat sofort begriffen, was wir für Eduard in Reserve haben.

»Knobloch!«brüllt plötzlich eine markige Kommandostimme.

Eduard fährt hoch, als hätte er einen Tritt in den Hintern bekommen. Hinter ihm steht diesmal, unschuldig lächelnd, Renée de la Tour selbst. Er unterdrückt einen Fluch.»Daß ich auch immer wieder darauf reinfalle!«

»Ägere dich nicht«, sage ich.»Das ist dein treudeutsches Blut. Das edelste Vermächtnis deiner gehorsamen Vorfahren.«

Die Damen begrüßen sich wie lächelnde Kriminalpolizisten.