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Sie behielt die Unterarme weiter vor sich gekreuzt, hob sie aber ein wenig an.»Hast du sie dir so vorgestellt?«fragte sie.»Faß sie an, ich mag das. Und ich kann mir vorstellen, du magst es auch.«

Ich legte meine Arme um sie, vergrub die Augen in ihrem Haar und suchte mit dem Mund ihren Hals. Sie mußte meine Aufregung über meine Halsschlagader spüren. Mit den Lippen schob ich die Haare in ihrem Nacken beiseite, ein warmer feiner Geruch aus Parfüm und Schweiß stieg auf. Gleich würde ich weniger denken, dachte ich, und nicht mehr dauernd nur mich selbst vor mir sehen — in diesem Augenblick als das gesichtslose Porträt eines erotischen Pilgers, der auf Führung, Trost und Hilfe hofft und wahrscheinlich genau das gleich geboten bekommt. Maybelle ließ ihre Brüste los und strich mit ihnen über meine nackte Brust. Sie preßte ihr Becken gegen das meine und fuhr wieder mit ihren Fingernägeln sanft über meinen Rücken. Ich hörte nahe an meinem Ohr, wie sie ohne Eile tief Luft holte. Ich dachte an Abe und daß gleich seine Weissagung in Erfüllung gehen würde. Ich solle ihn fragen, ob er sie schon einmal nackt gesehen habe, hatte er zu mir gesagt, und ich hatte ihn gefragt:»Mr. Fields, haben Sie Maybelle Houston schon einmal nackt gesehen?«Und er, im Tonfall eines Sachverständigen vor Gericht:»Nicht über und über nackt, aber doch fast, nämlich am Georgia Beach in East Hampton auf Long Island, sie trug einen weißen ganzteiligen Badeanzug, der ihren Körper jedoch wahrer zeigte, als wenn sie nackt gewesen wäre.«—»Ist sie schön?«hatte ich gefragt. — »Ja, aber nicht auf eine exemplarische Weise«, hatte er geantwortet. — »Und was heißt das?«—»Daß sie eben nicht nur schön ist.«—»Und das haben Sie auch zu ihr gesagt?«—»Selbstverständlich.«—»Und wie hat sie darauf reagiert?«—»Sehr vernünftig.«

«Steck ihn mir rein«, sagte sie,»und hinterher sind wir lieb zueinander.«

Mit zwei Handgriffen schlüpfte sie aus allem, was sie noch anhatte, öffnete meinen Gürtel, und ich zerrte und trat meine Hose von den Beinen. Sie setzte sich breitbeinig auf den Rand des Bettes, hielt mich an den Hüften, nahm kurz meinen erigierten Penis in den Mund und warf sich zurück, und ich war in ihr. Sie gab einen so atemlosen Rhythmus vor, daß ich fürchtete, es werde mir bereits nach wenigen Stößen kommen.

«Du brauchst nicht zu warten«, sagte sie.»Komm einfach!«

«Warum haben wir es nicht schon längst getan?«fragte ich.

«Keine Ahnung«, sagte sie.

Von Liebe haben wir übrigens nicht geredet, und Pläne über einen Monat hinaus haben wir nie entworfen, in dieser Nacht in dem Motel kurz vor Hyde Park nicht und bis zu ihrem Tod nicht. Was Sex alles meinen konnte, war mir vorher wahrscheinlich nicht bewußt gewesen, und heute versuche ich mir in Erinnerung zu rufen, was der Begriff alles für mich einschloß. Damals meinte ich, er schließe in Wahrheit alles ein, sei der Überbegriff der Liebe, und ich schaute satt und überheblich auf die beiden herab, die zum Beispiel Dagmar und ich im Bett gewesen waren (heute finde ich das empörend, besonders deshalb, weil ich in dieser Nacht Maybelle die lange Geschichte von Dagmar und mir erzählt, ich Dagmar also in gewisser Weise preisgegeben hatte). Maybelles Sex war pragmatisch. Erst gefiel mir das, dann gefiel es mir nicht mehr, dann gewöhnte ich mich daran, und schließlich gewann ich eine ähnliche Einstellung dazu. Jedenfalls ist es mir einige Male gelungen, meinen Grips auszuschalten. Pragmatischer Sex — am Ende meinte ich, etwas Poetischeres gebe es nicht.

In der Nacht wachten wir auf und befriedigten uns gegenseitig mit der Hand, Maybelle wollte es so, und hinterher sagte sie und hatte dabei die Augen geschlossen:»Lies mir etwas vor, Luke!«Ich hatte aber nichts dabei.»Ich kann dir ein Gedicht aufsagen, das ich auswendig kann«, sagte ich.»Hast du es geschrieben?«fragte sie.»Nein, ein anderer. «Mindestens zehn Gedichte von William Carlos Williams konnte ich auswendig, ich rezitierte sie am hellichten Tag vor mich her, wenn ich über die Avenues ging und ahmte dabei den rückgratschwingenden Gang der Schwarzen nach, die in unserer Straße vor der Hühnerbraterei ihre Show abzogen. Ein Gedicht war darunter, das hatte gar nichts zu tun mit der Liebe und nichts mit Sex, aber es schien mir doch, als hätte es Williams über eine Frau wie Maybelle geschrieben, und als hätte er es geschrieben, damit es sich irgendwann einer wie ich einprägte, um es bei einer speziellen Gelegenheit vorzutragen. So eine spezielle Gelegenheit schien mir jetzt.

A big young bareheaded woman

in an apron

Her hair slicked back standing

on the street

One stocking foot toening

the sidewalk

Her shoe in her hand. Looking

intently into it

She pulls out the paper insole

to find the nail

That has been hurting her

«Es ist ein gutes Gedicht«, meinte Maybelle.

«Es ist das beste, das ich kenne.«

«Ich weiß nicht«, sagte sie,»vielleicht finde ich es ja auch nur deshalb schön, weil ich mit dir im Bett liege. Ich habe deinen Schwanz in der Hand, und du hast deinen Finger in meiner Pussy und trägst vor, und ich höre dir zu. Hast du es schon einmal jemandem vorgetragen, der dir gegenüber an einem Tisch gesessen ist, in einer Cafeteria zum Beispiel, beim Frühstück zum Beispiel, jemand, den du gar nicht besonders gut kennst?«

«Nein.«

«Vielleicht solltest du es Howie vortragen. Er würde Gedichte mögen. Ich bin mir sicher. Ich bin mir ganz sicher sogar. Dieser Mann könnte beurteilen, ob es ein gutes oder nur ein mittelmäßiges Gedicht ist.«

«Es ist eines der schönsten Gedichte Amerikas«, sagte ich.

«Ich möchte aber doch lieber, daß du mir in Zukunft nur noch Sachen von dir vorliest«, sagte sie.»Und ich finde es besser, du liest sie mir nicht vor, wenn wir im Bett liegen. Ist das okay für dich, Luke?«

Wir blieben drei Nächte in dem Motel. An den Tagen spazierten wir durch die rostfarbenen Laubwälder am Hudson entlang oder besuchten das Haus von Präsident Roosevelt in Hyde Park, bewunderten den Rosengarten, der inzwischen zwar schon abgeerntet war, aber immer noch eine Heiterkeit ausstrahlte, als herrschte hier in allem eine frühlingshafte Erwartung. Maybelle erzählte mir, der Präsident sei im Rollstuhl gesessen, aber er habe einen Oberkörper gehabt wie ein Boxer, er selbst habe gesagt, diesbezüglich könne er sich mit Jack Dempsey vergleichen, und Amerika wisse bis heute, sagte sie, daß der beste aller Präsidenten hier, im Rosengarten seines Hauses, seine Muskeln trainiert habe.

Am vierten Tag sagte Maybelle, nun müsse sie nach Hause, sonst sorge sich ihre Tochter um sie. Sie bezahlte alles. Ich wollte das nicht, und es gab einen Wortwechsel deswegen.

«Was denkst du, was ich mir dabei denke!«empörte ich mich.

«Das weiß ich nicht. Wenn es wichtig ist, was du dir denkst, verrate es mir.«

«Ich werde mir einen Job suchen!«sagte ich.