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Es fing damit an, daß sie die Flaschen aus dem Haus räumte, die leeren und die halbleeren und die vollen. Mein Vater packte sie bei den Armen, schüttelte sie, ich dachte, er bricht ihr das Genick. Er schlug ihr mit einem Tritt die Beine weg und stieß sie zu Boden. Er trat weiter gegen ihre Füße und ihre Unterschenkel und gegen ihr Becken. Sie kroch zur Tür, stolperte hinunter auf die Straße und in den Laden und rief Carl in Innsbruck an. Währenddessen demolierte mein Vater die Küche, stürzte den Kasten mit dem Geschirr um und warf sich mit Anlauf gegen die Wand, bis er aussah, als wäre er gegen Floyd Patterson im Ring gestanden. Ich kauerte im hintersten Zimmer in meinem Bett, die Decke wie ein Gespenst über Kopf und Schultern, und heulte mir die Seele hohl. Zwanzig Stunden später, als Carl und Margarida an der Tür schellten, lag mein Vater im Wohnzimmer auf dem Sofa und wimmerte und krampfte und wollte nicht, daß jemand einen Arzt rufe, und bat darum, ihn die Sauerei aufräumen zu lassen. Es schüttelte ihn so sehr, daß er das Glas nicht halten konnte. Carl flößte ihm Whisky ein, weil er fürchtete, er werde sonst ins Delirium fallen. Mein Vater schämte sich — vor meiner Mutter, vor mir und vor Carl. Er versuchte, einen Spaß für mich zu machen, nämlich den, den ich, als ich klein war, so gern gehabt hatte. Er steckte einen Daumen in den Mund und drückte mit dem anderen Daumen von innen gegen den Oberarm und pustete, so daß es aussah, als blase er seinen Bizeps auf. Und dann weinte er. Margarida sagte, sie werde sich um ihn kümmern. Die Tür zum Wohnzimmer stand offen, so daß meine Mutter und Carl in der Küche hören und, wenn sie zwei Schritte zur Seite traten, auch sehen konnten, was im Wohnzimmer vor sich ging. Mich hatte man ins Bett geschickt. Natürlich konnte ich nicht schlafen. Irgendwann schien sich mein Vater beruhigt zu haben. Ich schlich durchs Badezimmer und weiter durchs Schlafzimmer. Die Tür zum Wohnzimmer war nur angelehnt. Ich spähte durch den Spalt. Ich sah, daß Margarida dicht neben meinem Vater saß. Sie hatte ihre Hand in seiner offenen Hose, und die glitt langsam über seinen Penis. Mein Vater lag breit ausgestreckt über dem Sofa, ein Bein auf dem Boden, die Augen offen, atmete schwer. Und ich sah, daß meine Mutter in der Küchentür stand und Margarida beobachtete. In ihrem Gesicht war eine geistesabwesende Interessiertheit, wie wenn sie jemandem beim Rosenschneiden zusähe. Sie bemerkte mich, aber das änderte nichts in ihrem Gesicht. Ich habe nie mit meiner Mutter darüber gesprochen. Aber mit Margarida habe ich darüber gesprochen. Allerdings erst viel später.»Es war die einzige Möglichkeit, deinen Vater zu beruhigen«, sagte sie und hustete sich den Drang zu lachen aus der Brust.»Das habe ich mir damals eigentlich auch gedacht«, log ich. Daß ihr meine Mutter dabei zugesehen hatte, sagte ich ihr nicht. Ich war erst zehn gewesen, und von Liebe, Eifersucht, Begehren wußte ich gar nichts. — Ich tastete mich durch die Dunkelheit in mein Zimmer zurück. Normale Kinder glauben, daß ein Vater unzerstörbar sei; ich wußte es besser. Irgendwann wachte ich auf, weil ich Carl und meine Mutter reden hörte. Sie waren im Bad, ich konnte sie deutlich verstehen. Carl warf meiner Mutter vor, daß sie ein Kind bekommen hatte …