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Wenn die Hexe sich über etwas aufgeregt hatte, mußte sie immer mit ihrem Mann darüber sprechen. »Sie hat Humphrey mit dem Messer gestochen«, sagte sie abends zum Schwebenden Kilt, als sie gerade zu Bett gehen wollte. »Nur, weil er ihren scheußlichen Kopf fallen lassen hat.«

»Wir müssen Geduld haben.« Der Schwebende Kilt nahm das Schwert aus seiner Brust und legte es ordentlich auf sein Kissen. »Schließlich hat sie Schlimmes durchgemacht. Hast du gesehen, wie ihr Hals aus sieht? Außerdem, Mabel, du weißt doch genau, daß das Küken nicht vor Humphrey davongelaufen ist. Es wollte zu seiner Mutter. «

Die Hexe errötete, und der Duft von verwesenden Mistkäfern verbreitete sich im Raum. »Na gut.« Sie legte sich neben ihren Gatten ins Bett und schmiegte ihr Haupt liebevoll an seine Wunde. »Vielleicht können wir ihn mit etwas einsprayen, damit er schlecht riecht«, murmelte sie schlaftrunken. »Mit Eiter aus offenen Beulen ... oder mit saurer Milch ... «

Am nächsten Morgen gab es jedoch Wichtigeres als Humphreys Geruch. An diesem Vormittag kamen nämlich die Männer.

Zuerst fuhren vier Männer mit Mützen und Regenmänteln in einem blauen Lieferwagen vor und liefen mit Zollstöcken, Senkbleien und langen gestreiften Pfählen herum. Dann kam ein großer grauer Wagen, und zwei weitere Männer mit Aktenordnern unter dem Arm stiegen aus. Sie blieben den ganzen Vormittag, schritten das Gelände ab, kratzten mit Federmessern an den Balken herum, riefen einander ihre Mitteilungen zu, und dann fuhren sie wieder weg.

Am nächsten und übernächsten Tag kamen noch mehr Männer. Für die Geister war das ungeheuer anstrengend. Sie wußten nicht, was vor sich ging. Bei einem solchen Volksauflauf mußten sie natürlich unsichtbar bleiben. Geister können tagelang unsichtbar bleiben, aber sie mögen es nicht. Sie fühlen sich in solchen Situationen unerwünscht.

Dann hörte der Rummel für ein paar Wochen auf, und es herrschte wieder Ruhe. Die Geister konnten den Frieden auf Craggyford jedoch nicht lange genießen, denn als nächstes kamen die Bulldozer.

»Mutter, die graben den Westanger auf«, sagte Humphrey mit sorgenvoller Stimme. »Was wird aus den lieben Maulwürfen?«

Die Männer kümmerten sich jedoch nicht um die Maulwürfe. Sie kümmerten sich auch nicht um die jungen Bäume im Haselwäldchen oder um die Amseln und Drosseln, die in den Hecken nisteten. Sie walzten einfach alles nieder, und als alles flach und tot war, fingen sie an zu bauen. Sie bauten kleine Holzbungalows, endlose Reihen, die alle auf das Schloß zuliefen.

»Vielleicht kommt die Armee wieder«, sagte der Schwebende Kilt hoffnungsvoll. Er war ein guter und tapferer Krieger gewesen.

Es war aber nicht die Armee. Die Männer bauten eine Feriensiedlung, und in den kleinen Häusern würden die Urlauber schlafen, sich aber zum Essen und zu den Veranstaltungen ins Schloß begeben. Und das setzte umfangreiche Bauarbeiten voraus.

»Daß mir das noch mal passieren muß!« jammerte Tante Hortensia, als die Wagen mit den Arbeitern über die Zugbrücke donnerten. »Zweimal im Leben! Das ist einfach zuviel. Mein Plasma! Was wird aus meinem Geisterplasma?«

»Ich denke an das Plasma der Kinder«, gab die Hexe unfreundlich zurück. Tante Hortensia ging ihr immer mehr auf die Nerven. Von den Geisterpferden im Stall gar nicht zu reden, die unaufhörlich fraßen, obwohl sie keine Köpfe mehr hatten ...

Die folgenden Monate versetzten die Gespenster in Angst und Schrecken. Sie stellten bald fest, daß nicht nur Zentralheizungen, elektrisches Licht und Badezimmer auf Craggyford Einzug hielten. Nein, das ganze Schloß wurde total umgebaut. Die gemütliche modrige Waffenkammer voller Eulenmist und Spinnweben wurde zu einem Restaurant mit Spiegelwänden und Kunststoffußboden. Die Banketthalle, in der die Geister ihre Mahlzeiten einzunehmen pflegten, wurde eine Diskothek mit schrecklichen Lichteffekten. Wenn die Arbeiter sie testeten, wurde sogar die Hexe für Augenblicke sichtbar. Der dunkle und feuchte Kerker wurde gekachelt und verwandelte sich in eine blinkende weiße Küche. Hunderte unschuldige Asseln, freundliche Spinnen und harmlose Mäuse wurden lebendig eingemauert oder in die Kälte verbannt.

Aber erst, als George schreiend den Korridor entlanggerast kam, um seinen Eltern zu berichten, was sich im Ostflügel des Schlosses zutrug, begriffen die Geister, wie ernst die Lage war.

»Ein Kino«, schrie die Hexe. »Bist du sicher?« »Oh, mir würde ein Kino gefallen«, meinte Humphrey und wedelte mit den Armen. »Cowboys und Indianer. Gangster. Peng, peng!«

»Still«, sagte die Hexe und schlug mit den Flügeln nach ihm. »Du weißt nicht, was du sagst. Solche Filme gibt es nicht mehr.«

»Was gibt es dann?« wollte Winifred wissen. »Rohe Filme. Rohe und schockierende Filme.« »Und dann noch der ganze Abfall«, fügte Tante Hortensias Kopf hinzu. »Eislollys in Winifreds Wasserschale, Bonbonpapiere, die an meinem Halsstumpf kleben, Kaugummi in unseren Ohren - das alles bringt ein Kino mit sich.«

Die Hexe wandte sich ihrem Gatten zu. »Hamish«, sagte sie und blickte ihn mit ihren schielenden Augen verzweifelt an, »was sollen wir nur machen?«

Schweigen herrschte einen Augenblick lang. Der Schwebende Kilt drehte das Schwert in seiner Brust. Das war immer ein Zeichen, daß er angestrengt nachdachte. Dann sagte er: »Mabel, wir müssen jetzt tapfer sein. Es gibt keinen Ausweg. Wir müssen Craggyford verlassen und uns einen anderen Platz zum Leben suchen.«

»Craggyford verlassen«, stammelte die Hexe. »Das Heim unserer Vorfahren verlassen?«

Der Schwebende Kilt legte tröstend eine Hand auf ihren krummen Rücken. »Denk doch an die Kinder«, sagte er.

Das gab natürlich den Ausschlag. »Du hast recht, Lieber«, sagte sie. »Recht wie immer. Wir brechen sofort auf.

3. Kapitel

Noch in der selben Nacht brachen sie auf. Es tat sehr weh, Craggyford zu verlassen, wo sie fast fünfhundert Jahre verbracht hatten. Aber alle versuchten, tapfer zu sein. Fred kam aus seiner hohlen Eiche, um ihnen nachzuwinken, und die Graue Lady weinte. Sie fragten, ob sie nicht mitkommen wolle, aber sie meinte, sicher würden ihre Zähne bald auftauchen. Außerdem würde es niemand wagen, den Friedhof umzugraben. Also blieb sie.

Humphrey hatte gehofft, hinter seinem Vater auf einem der kopflosen Pferde sitzen zu dürfen, aber der Schwebende Kilt entschied sich für George. Humphrey mußte in der Kutsche mit seiner Mutter und Winifred reisen. Tante Hortensia kutschierte natürlich, es war schließlich ihre Kutsche. Den Kopf ließ sie wegen der Zugluft drinnen. Humphrey hatte Kutschfahrten noch nie besonders gut vertragen. Der alte, weißhaarige Kopf, der auf dem Sitz hin und her rollte, wenn sie um eine Ecke bogen, gab ihm den Rest.

»Du wirst Winifreds Schale nehmen müssen«, meinte die Hexe. »Wir können nicht mitten in der Luft anhalten.«

Winifred jammerte, ihre Schale sei da, um etwas auszuwaschen, und nicht dafür, daß Humphrey sie benutzte, wenn ihm schlecht wurde. Es wurde keine sehr schöne Reise.

Obwohl der Mond schien, waren Wolken am Himmel, und man konnte nur schwer erkennen, was unten lag. Einmal senkte sich die Kutsche auf ein Gebäude hinunter, das ganz vielversprechend aussah, aber es entpuppte sich als Wäscherei, die nachts arbeitete.

Einmal rief George: »Sieh mal, Dad, da unten ist ein tolles Schloß!«

Als sie runterkamen, sahen sie aber, daß es eine Riesenfabrik war, in der Badezimmerartikel hergestellt wurden.

»Widerlich«, sagte Tante Hortensia, als sie die blinkenden weißen Badewannen, die Marmorwaschbecken und die vergoldeten Hähne in den Ausstellungsräumen sah. »All das viele Waschen. Kein Wunder, daß man mit den Menschen nichts anfangen kann.«

Sie fuhren eine weitere Stunde, dann mußten sie runtergehen, weil die Pferde müde wurden.