Выбрать главу

»Sieh mich an, Rick!« rief Humphrey der Schreckliche und fiel prompt vom Seil.

»Meine Güte«, sagte Barbara mit weit aufgerissenen Augen. »Das finde ich wirklich toll. Wonach riecht es hier so widerlich?«

Der Hexe gefiel, was Barbara gesagt hatte. Sie hörte mit ihren Liegestützen auf und kam näher, um mit ihr zu reden.

»Es ist nasse Walleber«, sagte sie. »Ein Lieblingsduft meines Mannes. Ich benutzte ihn, als wir uns kennenlernten.«

Rick stellte Barbara vor, und alle Geister schwebten heran, um zu erfahren, was beschlossen worden war. »Ein guter Plan«, meinte der Schwebende Kilt, wobei er zustimmend das Schwert in seiner Brust um drehte. »Man muß es ganz oben versuchen, wenn man etwas erreichen will. Wann brechen wir auf?«

»Wir dachten, morgen bei Tagesanbruch. Dann fährt nämlich der Milchwagen in die Stadt.«

»Bei Tages- Tages- Tagesanbruch«, schrie Humphrey und sprang wie ein Jojo auf und nieder.

Keiner von ihnen nahm Notiz von einer kleinen schwarzen Fledermaus, die im Dachgebälk geschlafen hatte. Sie verließ jetzt mit ihnen die Turnhalle und entschwand. Und selbst wenn sie sie gesehen hätten-niemand hätte gewußt, daß diese Fledermaus der Enkel von Susi der Saugerin war. Susi war eine der berühmtesten Vampirfledermäuse von ganz England. Sie wußten nicht, daß sich, bevor es Nacht wurde, die Nachricht von Ricks Reise wie ein Lauffeuer verbreitet haben würde; durch die Wälder von Saughbeck und weiter und weiter bis zu den fernsten Küsten.

Rick genoß die Fahrt auf Onkel Teds Milchwagen nicht gerade.

Die Geister auf die Reise vorzubereiten war anstrengend gewesen. Die Gespensterpferde waren nach der Ruhepause gut ausgeruht und wollten sich kein Zaumzeug anlegen lassen. Tante Hortensia taten ihre entzündeten Fußballen weh, und sie zog dem Schack eins über, weil er auf ihren Kopf gepinkelt hatte. Humphrey war darüber so wütend, daß er sich weigerte, in der Kutsche mitzufahren, und statt dessen neben Rick im Milchwagen reisen wollte.

»Ich verspreche, daß ich unsichtbar bleibe«, sagte er. »Ich verspreche es.«

»Und dein Ellbogen?« »Auch mein Ellbogen.«

Und dann stellte sich heraus, daß Onkel Ted dichtete.

»Schmetterling und Bienensummen lieb ich wirklich sehr.

Aber Wurst und braune Bohnen mag ich noch viel mehr!«

Mit seiner Stimme übertönte er sogar den Motor seines Wagens. »Gefällt es dir?« wollte er wissen.

»Sehr«, erwiderte Rick höflich und sah beunruhigt zum Himmel auf.

Später lernte er, herauszufinden, wo die Geister sich aufhielten, auch wenn sie nicht zu sehen waren. Es ist eine besondere Begabung, Gespenster sehen zu können. Aber jetzt konnte er nur hoffen, daß die Geisterkutsche mit dem Milchwagen mitkam und daß es allen dort gutging.

»Wie findest du das?« fragte Onkel Ted, der offensichtlich sehr stolz auf seine Dichtkunst war:

»Wasser dunkel,

Wasser tief,

ein Fischlein dort am Grunde schlief. «

»Fische schlafen nicht«, flüsterte Humphrey Rick ins Ohr. »Nicht richtig jedenfalls. Weil sie keine Augenlider haben. Oder Wimpern. Ich weiß das, weil Onkel Leonard der Widerwärtige uns mit runtergenommen hat...«

»Pssst!« sagte Rick. Er wandte sich wieder Onkel Ted zu.

»Hast du viele Gedichte gemacht?«

»Na, so zwei- bis dreihundert. He, was ist das für ein Geräusch?«

»George schreit ... Ich meine, deine Reifen quietschen. Was ist passiert?«

»Merkwürdig. Wir sind doch gar nicht um eine Kurve gefahren«, meinte Onkel Ted.

Rick war ziemlich erleichtert, als Onkel Ted den Wagen anhielt und ihn vor einer der großen Brücken über den Trant River absetzte. »Der Bus fährt hier vorbei, du kannst ihn nicht verpassen. Und grüß deine Großmutter. Hoffentlich geht es ihr bald besser.«

Rick kam sich einen Augenblick lang richtig gemein vor. Leute zu belügen, die nett zu einem sind, ist nicht gerade angenehm.

In Schloß Norton klopfte Barbara gerade an die Tür des Arbeitszimmers von Mr. und Mrs. Crawler. Mr. Crawler, der Schulleiter, war klein, blaß und klapprig. Von Tag zu Tag schien er noch kleiner, blasser und klappriger zu werden. Mrs. Crawler dagegen wurde immer fetter, lauter und rosiger. Die Jungen fragten sich, ob sie ihren Mann anknabberte, wenn er schlief, so daß er immer weniger wurde.

»Herein«, rief sie.

Barbara überquerte den pflaumenfarbenen Teppich und näherte sich dem großen Doppelschreibtisch, hinter dem die Crawlers saßen. Über Mrs. Crawler hing ein Alligator mit freundlichem Lächeln. Mr. Crawler saß unter einem Büffel mit traurigem Blick. Barbara konnte einfach nicht begreifen, warum man Tiere einfach schießen und ausstopfen durfte, während sich bei Menschen, selbst wenn sie nur halb so nett wären, alle fürchterlich aufregen würden.

»Ja?« Mrs. Crawlers Stimme klang scharf, als sie Barbara sah. Sie hatte wenig Lust, ihre Zeit mit der Tochter ihrer Köchin zu vergeuden.

Barbara stand vor einer schwierigen Aufgabe. Sie mußte sich einen Grund ausdenken, warum Rick verschwunden war. Gleichzeitig mußte sie verhindern, daß die Crawlers Ricks Mutter anriefen. Ricks Mutter war kein bißchen härter geworden, seit sie es nicht geschafft hatte, Ricks Ohren mit Heftpflaster festzukleben. Rick machte sich oft Sorgen um sie.

Also sagte Barbara, daß überraschend Ricks Patentante zu Besuch gekommen sei. » In einem großen silbergrauen Wagen mit den Buchstaben RR auf der Motorhaube. « Barbara wußte, was für Snobs die Crawlers waren.

»Ein Rolls-Royce«, stellte Mrs. Crawler beeindruckt fest.

Ricks Patentante sei Amerikanerin, fuhr Barbara fort, und nur für ein paar Tage in England. Sie wolle Rick mit nach London nehmen, um ihn kennenzul einen. »Steht alles in dem Brief da«, fügte Barbara hinzu und hielt den Crawlers einen Bogen Papier hin.

»Gut, das scheint in Ordnung zu sein«, sagte Mrs. Crawler, nachdem sie den Brief gelesen hatte. »Sie möchte, daß wir ein Geschenk für die Schule aussuchen. Alles, was wir wollen.«

»Einen Kricketpavillon«, sagte Mr. Crawler, der nicht gerade bescheiden war.

»Unsinn, mein Lieber. Einen neuen Eßraum brauchen wir viel nötiger.«

Sie stritten weiter, ihr Tonfall wurde immer wütender, und Barbara verließ auf Zehenspitzen den Raum. Sie fälschte nicht gerne Briefe, es verursachte ihr Magenschmerzen. Aber bei Leuten wie den Crawlers mußte man nicht zu viele Bedenken haben. Und ein Geisterasyl war ja wirklich etwas ungeheuer Wichtiges.

6. Kapitel

Währenddessen standen Rick und die Geister auf einer großen Eisenbrücke. Unter ihnen floß der Fluß Trant breit, grau und gemächlich. Fabriken mit rauchenden Schornsteinen und Lagerschuppen standen am Ufer. Auf dem schaumigen, übelriechenden Wasser sah man Schlepper, die Kohle geladen hatten.

»Ah, riecht es hier gut.« Die Hexe zog die Luft mit ihrer langen gekrümmten Nase ein.

Rick fand, der Fluß roch einfach widerwärtig - schmutzig, verpestet, wie eine große Kloake. Er seufzte und wandte sich der Stelle zu, wo sich, wie er hoffte, die Geister befinden mußten.

»Also, wir planen jetzt den nächsten Schritt«, begann er und hielt verwundert inne.

Im Fluß passierte etwas. Genau unter der Brücke wurde die ruhige Oberfläche von Strudeln durchbrochen. Es sah aus, als wäre ein Whirlpool aus dem Nichts entstanden. Er erhob sich aus dem Fluß und wurde höher und höher...

Die Geisterpferde scharrten mit den Hufen und wieherten. Der Schack winselte erschrocken.