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Heinz G. Konsalik

Alarm! — Das Weiberschiff

Kapitel 1

Sie waren dreiundneunzig Tage auf See, davon einundachtzig Tage und Nächte unter Wasser, das heißt in der Unterwelt, das heißt eingepfercht in einen grauen stählernen Sarg, der — voll mit elektronischen Instrumenten bis obenhin — von einem Atomreaktor angetrieben wurde und ausgerüstet war mit Atomwaffen und Torpedos. Es war ein glattwandiges, langgestrecktes Ungeheuer, das über Wasser eher einer Riesenschlange mit einem höckerigen Auswuchs denn einem U-Boot glich. Admiral Lewis Adam behauptete stolz, er habe sich im Leben nur zweimal richtig verliebt: in seine Frau Mabel und in dieses Gebilde aus Stahl.

Dreiundneunzig Tage auf See, einundachtzig Tage unter Wasser. Und nur das Klatschen des Meeres gegen die Bordwand hören — oder das Summen der Maschinen, das Brummen der Entlüftungsventilatoren, dieses ewig rollende Stampfen mit dem ewigen Beben unter den Füßen, und immerzu denken: Wird alles gut gehen, wird irgend so ein Ding streiken, ein Relais versagen? Wird die Computersteuerung verrückt spielen, oder sacken wir eines schönen Tages allesamt ab in die Tiefe des Meeres, in jene Tiefen, wo auch der härteste Stahlpanzer zerdrückt wird wie Luftpostpapier in der Faust? Ist dieser verdammte Kasten tatsächlich das vollkommenste Boot, das je durch die Meere glitt? Oder geht's uns am Ende wie dem erbärmlichen Hund, den die Experten betäuben, vivisezieren, um zu sehen, wie sich das eingeimpfte Karzinom entwickelt hat?

Einundachtzig Tage unter Wasser. Keine Sonne, kein Wind, keine frische Luft, kein Himmel über dir und kein bißchen Sommerwärme auf deiner Haut. Kein Guckloch hinaus ins Weite, Freie… dafür diese unsägliche Enge die Stahltreppen, die Gänge und Schotts, das ganze Kabelgewirr, die Instrumente mit ihren zitternden Zeigern, und überall Kontrollknöpfe, Lichtsignale: eine künstliche Welt aus künstlichem Licht, aus tausend Hebeln und tausend Rädern; und immerfort dieses eintönig schmatzende Geräusch glitschiger Ventile und Antriebswellen. In den Kammern drei Betten übereinander, eingebaute Spinde, deren Türen innen mit Fotos nackter Pin-up-girls ausgeschmückt sind — als einzige Erinnerung daran, daß es so etwas da droben über Wasser tatsächlich gibt: ein Wesen, das sich Frau nennt und aus lauter Zärtlichkeit besteht; du kannst sie spüren, fühlen, genießen — es ist etwas unbeschreiblich Schönes, diese Zärtlichkeit, diese Lust tief drinnen, die bis zur Grenze des Unerträglichen, Unstillbaren reichen kann.

Eine Frau. Wißt ihr's noch, Jungs, was das ist? Habt ihr denn noch eine Ahnung von einem weiblichen Wesen? Das Haar einer Frau? Ihr Mund. Ihre Arme, die euch liebend empfangen, ihr heißer Körper, ihre Hände, die euch umklammern, fast so, daß es schmerzt, und ihre Liebe, die allen Schmerz betäubt? Und das Beisammensein danach, die Leiber dampfend vor Lust, das Ermatten und jene süße Schwermut… Jungs, ja wißt ihr denn das alles überhaupt noch — nach einundachtzig Tagen?

Damals in Norfolk, in der U-Boot-Basis der US-Navy, standen sie alle in Paradeuniform auf der Plattform des ins Meer hineingebauten Bunkers, dreihundert Mann, und sie schielten auf das Boot, das lang und flach auf dem Wasser lag, mit Blumengirlanden um den Turm, der einzigen Farbe auf all dem dumpfen Grau. Admiral Adam kam aus der Stahltür auf die Plattform, und zum erstenmal sahen sie ihren Commander, den >Alten< — groß, hager, mit graugrünen harten Augen und einem Mund, den ein Messer in dieses kantige Gesicht geschnitten haben mußte.

Oberleutnant Bernie Cornell meldete die Besatzung. Alle liebten Bernie, woher sie auch kommen mochten, diese Leute von der Navy, herausgesucht aus allen U-Booten, die auf den Meeren schwammen, um an den Simulatoren im Ausbildungszentrum zu lernen, was auf sie wartete: Das größte, modernste, beste und teuerste U-Boot, das je auf den Wellen des Ozeans schaukelte.

«Was Sie hier sehen, Commander, ist die Elite der US-Navy«, hat-te Admiral Adam gesagt, und er hatte seine Stimme dabei nicht gedämpft. Alle dreihundert Mann konnten es hören, und diese Auszeichnung erfüllte sie mit Stolz.»Das sind Kerle, mit denen Sie alles machen können. Sie kennen Ihr Boot. Ich brauche Ihnen nichts mehr zu sagen. Ihre weiteren Instruktionen erhalten Sie auf Fahrt. Ich wünsche Ihnen viel Glück, Commander!«

Ein Händedruck, ein Blick auf die Mannschaft, dann machte Adam kehrt und verließ den Bunker. Es war typisch für ihn.»Viele Worte sind wie zuviel Wasser im Whisky«, sagte er einmal.»Es wird in der Welt überhaupt zuviel geredet.«

Damals standen die dreihundert unbeweglich auf der Betonplattform und sahen erwartungsvoll ihren >Alten< an. Er heißt Jack Nicholson, das wußten sie bereits. Ein knallharter Kerl. Er soll der härteste Commander sein, den die Navy in den letzten fünfzig Jahren auf die Menschheit losgelassen hat. Wenn der einmal lacht, kann man das als ein Wunder dem Papst melden. Doch die Männer störte das nicht. Sie waren durch die verdammteste Schule gegangen, die bisher ein Seemann durchlaufen hatte, und man hatte sie mit einem System aus Gewalt und Unnachgiebigkeit, ganz gleich, wer dabei vor die Hunde ging, zu dem gemacht, was sie heute waren: Dreihundert Soldaten, die einstimmig sagten, so schlimm wie im Ausbildungslager kann das Leben draußen im Einsatz niemals sein.

«Morgen, Boys!«hatte Commander Nicholson gesagt. Seine Stimme war kräftig und sonor. Und sie hatten zurückgebrüllt:»Morgen, Sir!«

«Ich heiße Nicholson. Wenn wir gleich über die Gangway unser Boot betreten, haben wir zwar einen Namen und einen eigenen Körper, aber in Wahrheit sind wir nur noch eins: Das Boot! Wir werden ein Jahr unterwegs sein. Ein Jahr fast nur unter Wasser! Das kann auch gar nicht anders sein, denn unser Boot heißt POSEIDON, nach dem ollen Meergott der Griechen. Der hat sogar seine Tochter, die Aphrodite, im Wasser gezeugt.«

Sie hatten gelacht, lauthals, völlig unmilitärisch, und Nicholson hatte es zugelassen, ohne selbst eine Miene zu verziehen. Sieh an, so einer ist er, dachten sie. Ein Eisenfresser. Ein Sarkast. Das wird eine Fahrt werden, Boys. Ein Jahr lang rund um die Welt. Wie sagte doch der Chief Engineer auf der Schule? Das neue Boot kann mit seinem Atomreaktor fünf Jahre ohne Nachfüllung fahren. Es ist das Geheimste, was die USA zur Zeit besitzen. Wer die Schnauze aufmacht, muß sich nicht wundern, wenn er dann überhaupt nichts mehr sagen kann. Ihr habt ein wichtiges Stück des Weltfriedens unterm Arsch. Merkt euch das.

«Sie sind alle unterrichtet, was für ein Boot wir jetzt übernehmen«, sagte Nicholson später.»Und gleich vorweg, es gibt bei uns keine Pannen! Wenn irgend etwas mit dem Boot passiert, das wir nicht selbst an Bord beheben können und das uns unmöglich macht, ein Reparaturschiff der Navy zu rufen, befinden wir uns intern im Kriegszustand und.«

Er hatte gestockt und seine Männer angeblickt. Seine kühlen graugrünen Augen streiften die Front — eine Dreierreihe von Köpfen, das Kinn angezogen, und Mann für Mann wie versteinert. Sie verstanden das Ende des Satzes. Dann sind siebenundsiebzig Millionen Dollar im Eimer, dachten sie. Und es gibt dreihundert Boys weniger auf unserer schönen Welt. Niemand darf das Boot sehen. Es wird wie ein Phantom sein, das bis zu fünfhundert Fuß tief durch die Meere gleitet.

Commander Nicholson beendete die Musterung seiner Männer und blickte hinüber zum Boot.»Unser erster Auftrag ist«, sagte er mit fester Stimme,»die Überquerung des Nordpols unter Wasser. Wir werden das Ewige Eis unterfahren und erst vor Alaska wieder auftauchen. Oberleutnant, lassen Sie die Mannschaft an Bord!«

«Aye, aye, Sir!«

Bernie Cornell hatte zackig gegrüßt, sich dann vor seine Leute gestellt und ein >Rührt euch< befohlen. Die Männer gingen alsbald zu ihrem seitwärts gestapelten Gepäck und hievten es auf ihre Schultern.

Zuerst betrat Chief Engineer Victor McLaren das Boot, ihm folgte Chief Navigator Frank Collins, dann der Maschinenmaat Dustin