«Hast du den Mörder, Jack?«
«Ja!«
«Wer ist es?«
«Der Name ist jetzt unwichtig.«
«Du scheinst deine eigene Rechtsauffassung zu haben.«
«Hier an Bord. ja! Man wird das unter sich ausmachen.«
«Oder auch nicht. Dafür haben wir einen Psychopathen mehr im eisernen Kasten. Der kleine Herbert Duff dreht durch, seitdem du ihn durch die Mangel gedreht hast. Er liegt im Sanitätsraum vier und weint vor sich hin wie ein wehleidiges Kind. Ich habe ihm eine Injektion gegeben, aber der Bursche ist so aufgeregt, daß sie kaum wirkt.«
«Und die Mädchen?«
«O je!«Dr. Blandy schlug die riesigen Hände zusammen.»Sie attackieren den völlig verwirrten Slingman. Die kleine Dorette hat Sling-man einen tollen Bums versprochen, wenn er heute nacht die Tür öffnet, damit sie zu den anderen Boys können.«
«Paul, lös sofort Slingman von der Wache ab!«
«Und wer soll sie übernehmen? Slingman ist nicht zu übertreffen. Jeder andere an Bord läßt doch sofort die Hose fallen!«
«Danke.«
«Mein Gott, von dir Heiligem redet doch keiner! Willst du etwa die Wache übernehmen?«
«Ja.«
«Verrückt! Der Kommandant der geheimsten Geheimwaffe der USA, ja der ganzen Welt, setzt sich nachts vor eine Tür und bewacht fünf geile Weiber! Das ist filmreif!«
«Was hier gespielt wird, Paul, ist mehr als ein Film. Selbst du weißt nicht, was wir an Bord haben!«
«Nicht?«Dr. Blandys Frage klang gedehnt.»Torpedos mit Atomsprengköpfen und automatischen Zielsuchern, Atomraketen, unter
Wasser abschießbar und elektronisch gelenkt.«
«Das ist alles kalter Kaffee, Paul. «Commander Nicholson setzte sich.»Es gibt im Boot einen Raum, mit der Bezeichnung X 1, den kennen nur ich und Chief McLaren. Der Raum steht auf keinem Plan, du kannst dir den Plan ansehen. «Er deutete zur Wand, wo ein Querschnitt durch das Atom-U-Boot POSEIDON I hing. Die kleinste Ecke oder Nische war eingezeichnet, nur fehlte der Raum X 1. Es gab drei Decks, also drei Etagen, in dem Boot, und irgendwo mußte eine Lücke sein: dort befand sich Raum X 1.
«In X 1 lagert eine Spezialrakete mit einem Atomaufsatz, der die vierzigfache Wirkung der Atombombe von Hiroshima hat. Begreifst du das — das Vierzigfache! Es ist ein neues spaltbares Material, das alles bisherige übertrifft! Lassen wir das los, Paul, dann beginnt unser Erdball zu kochen!«
«Und das Zeug schaukeln wir unter Wasser herum?«sagte Dr. Blandy heiser. Er war plötzlich bleich geworden.»Darauf sitzen wir herum und zerbrechen uns die dämlichen Köpfe über Alltagsprobleme, wer, wie, wo und wann die Rote oder Blonde bumst! Jack, ich habe nie Angst gehabt. aber jetzt sitzt sie mir im Leib. Laß doch an Bord passieren, was will. laß die Weiber reihum wandern und sich durch die Abteilungen vögeln wie die Spatzen. nur: bring das Boot sicher nach Hause! Mein Gott, wenn ich das alles gewußt hätte. vorher.«
«Was dann?«
«Ich wäre nie an Bord gekommen! Ich wäre krank geworden.«
«Du bist gesund wie ein Röntgenapparat!«
«Verdammt, ich hätte mir irgendwo einen gesalzenen Tropentripper geholt, nur um nicht auf dieses Höllenboot zu kommen! Jack, ich flehe dich an: Mach alle Augen zu, laß den Weibern ihren Spaß und denke nur an deine verfluchte Vierzigfachbombe!«
«Nur daran denke ich!«Nicholson blickte auf die Uhr. Auch unter Wasser ging die Zeit plötzlich schnell vorbei. In den verschiedenen Messen wurde das Abendessen serviert, im Boot roch es nach Fleisch und Pommes frites. Die Luftfilter verteilten die angenehmen
Düfte, bevor sie abgesaugt und durch die Reinigung und Sauerstofferneuerung gepreßt wurden.»Ich übernehme die Wache.«
«Nein! Wenn schon ein Idiot das macht, dann ich, Jack!«
«Morgen. Heute bin ich dran. Es war meine Idee!«Nicholson lachte, aber sein Lachen erstarb sofort, als der Funkmaat sich meldete. Über die Bordsprechanlage sagte er:
«Die Basis, Sir. Auf Apparat zwei Admiral Adam.«
«Unser Sonnenuntergang«, sagte Dr. Blandy spöttisch.»Jetzt spricht der Admiral das Abendgebet.«
Nicholson griff zum Hörer zwei und hob ab. Norfolk war deutlich zu hören. die neuen Geräte, auch eine Erprobung an Bord der POSEIDON I, mit denen man unter Wasser um den halben Erdball funken konnte wie mit einem Telefon von Kabel zu Kabel, funktionierten vorzüglich und störungsfrei. Kein Rauschen oder Flattern.
«Commander Nicholson hier, Sir!«sagte Nicholson mit geradezu infernalischer Ruhe.»Sind auf befohlener Position.«
«Ich weiß, Jack. Habe mit Ihrem Navigations-Chief bereits gesprochen. An Bord alles klar?«
«Alles klar, Sir.«
«Über Ihnen scheinbar nicht, Jack.«
«Wie soll ich das verstehen, Sir?«Nicholson verstand seinen Admiral nur zu gut. Dr. Blandy hob den Blick zur Decke und seufzte.
«Sie haben die fünf Damen doch wieder mit ihrem Gummifloß ausgesetzt und die ARSENA verständigt?«
«So ist es, Sir.«
«Die ARSENA hat keinen Funkspruch von Ihnen aufgenommen.«
«Das ist merkwürdig, Sir. Der Funker hat geantwortet, daß alles verstanden worden sei.«
«Haben Sie das im Bordbuch eingetragen?«
«Natürlich. Außerdem liegt bei den Funkakten die elektronische Aufzeichnung des ganzen Gespräches.«
«Die Mädchen sind bis jetzt nicht gefunden worden, Jack!«
«Verdammt!«sagte Nicholson laut, völlig unmilitärisch und bewußt grob. Dabei grinste er Dr. Blandy an, der die Augen verdrehte.
«Das sage ich auch!«antwortete der Admiral.»Wir wissen außerdem jetzt, nach einer Vermißtenmeldung aus Norwegen, wer die fünf jungen Damen sind. Alles Töchter amerikanischer Bürger, die eine verflucht große Rolle in Politik und Wirtschaft spielen. Die Väter werden einen Krach machen, der bis ins Weiße Haus donnert!«
«Warum?«
«Das fragen Sie, Jack!«
«Es war Ihr Befehl, Sir, die Mädchen wieder von Bord zu schaffen. Ich habe nur den Befehl ausgeführt.«
«Das brauchen Sie nicht so zu betonen. Was wir getan haben, war notwendig. Aber das kann man fünfVätern nicht beibringen, nicht das! Es muß also die Version bleiben, daß die fünf Mädchen von Anbeginn beim Schiffbruch verschollen sind. Sie waren nie bei Ihnen an Bord!«
«Natürlich nicht, Sir. «Nicholson lächelte bei dieser Bemerkung.»Aber das läßt sich nur behaupten, solange wir auf See sind. Was passiert, wenn wir wieder an der Basis landen? Man kann dreihundert Männer nicht zu Lügnern erziehen. Einer redet immer, und wenn's bei der eigenen Frau im Bett ist. Das allein genügt schon.«
«Uns darüber den Kopf zu zerbrechen, haben wir noch Zeit, Jack. «Der Admiral hüstelte. Er schien sehr erregt zu sein.»Die Hauptsache ist: Die Mädchen sind von Bord!«
«Das ist die Hauptsache, Sir!«meinte Nicholson auch. Dr. Blan-dy spuckte seinen naßgekauten Zigarillo aus und schnaufte vernehmbar. Admiral Adam vernahm den Schnaufer. so deutlich war die Verständigung.
«Wer ist bei Ihnen, Jack?«fragte der Admiral.»Wer hört da mit?«
«Nur Doc Blandy, Sir.«
«Geben Sie mir den Doktor.«
«Hier Blandy!«meldete sich der Arzt, als Nicholson ihm den Hörer gab.»Sir, ich hatte mich dafür eingesetzt, daß die Mädchen an Bord bleiben. Gut, jetzt sind sie wirklich verschollen, aber ich habe wenigstens ein reines Gewissen!«»Paul!«Adams Stimme bekam einen feierlichen Klang.»Sie haben als Arzt, selbst bei der Navy und bei unserem Sonderauftrag, eine gewisse Narrenfreiheit. Ich nehme alles auf meine Kappe, später, wenn es herauskommen sollte. Genügt Ihnen das für das Aufpolieren Ihres hippokratischen Eides?«
«Ja, Sir.«
«Dann ist alles gut. Geben Sie mir Jack wieder, Doc.«
«Hier Kommandant!«sagte Nicholson, als er den Hörer wieder hatte.
«Wann sind Sie am Nordpol, Jack?«