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Morgens gegen zehn Uhr tauchten sie auf. Nicholson ließ zunächst auf Sehrohrtiefe gehen und sah sich an der Oberfläche des Meeres um. Überall Treibeis und kleinere Eisberge… aber das hatte man schon im Radar gesehen und durch die Sonarpeilungen genau geortet. Sie befanden sich im Grönländischen Becken, östlich von ihnen lag Spitzbergen und vor ihnen, unter dem Ewigen Eis, das Nordpolarmeer, das eurasische Becken und der plötzlich aus dem Meer aufsteigende Lomonossow-Rücken. Ihr Operationsgebiet für die nächsten Wochen: Die Überquerung des Nordpols unter Wasser und die Rückkehr durch die Wassergräben des Queen-Elizabeth-Lands und des Baffin-Islands zur Basis in den USA. Ein Weg durch eine Hölle aus Eis.

Nicholson zog das Sehrohr ein. Er saß mit Curtis und Cornell im Turm und kam sich nach den wenigen Stunden Schlaf erfrischt und stark vor.»Boot fertig zum Auftauchen?«fragte er in die Sprechanlage hinein.

«Aye, aye, Sir. Boot fertig zum Auftauchen. «Die Stimme von Leutnant Hamshore.

«Anblasen!«

«Anblasen, Sir.«

Durch das Boot lief wieder ein Zittern. Aus den Tauchzellen wurde das Wasser gedrückt. Langsam stieg die POSEIDON I höher, durchbrach mit dem Turm die Wasserfläche und tauchte dann wie ein graues Ungeheuer auf. Curtis kurbelte den Verschluß der Turmluke auf und stieß die Stahlplatte weg. Eisige Luft flutete in den Turm und traf die drei Offiziere wie eine Lanzenspitze. Aber auch Licht und Sonne drang hinein, und nur der, der wochenlang im Neonlicht lebt, kann begreifen, wie herrlich der Anblick eines blauen Himmels und das Strahlen der Sonne ist.

Nicholson zog den Pelzkragen seiner lammfellgefütterten Lederjacke hoch, drückte die Mütze fest auf den Kopf und kletterte als erster auf die Plattform des Turmes. Ihm folgten Cornell und Curtis. Sie lehnten sich sofort an die Brüstung und holten tief Luft.

«Das ist gut, Sir«, sagte Cornell wie ein beschenktes Kind.»Das treibt den ganzen Mief aus den Lungen.«

Nicholson sah sich um. Das Meer war flach, kaum bewegt, die Eisschollen trieben träge dahin. Es war ein herrlicher Tag, sonnenklar und kalt, fast windstill — eine große Seltenheit in dieser Gegend. Es tat wirklich gut, kräftig durchzuatmen und die Lungen zu reinigen.

Nicholson blickte sich zu seinen Offizieren um.»Selbst das Meer trauert!«sagte er hart. Vergeßt nicht, warum wir aufgetaucht sind, sollte das heißen. Sie verstanden ihn, und ihre in der Sonne und der schönen Luft plötzlich jungenhaft-fröhlichen Gesichter alterten wieder.»Ist alles bereit, Bernie?«

«Alles, Sir.«

«Das Kommando kann raufkommen!«

«Aye, aye, Sir.«

Cornell kletterte die Turmleiter hinunter. Unten, im Hauptgang von Deck eins wartete das Begräbniskommando. Zwölf Mann in Paradeuniform unter Führung von Leutnant Black. Duffs beste Freunde waren darunter: Jimmy Porter, Dustin Hollyday, Bill Slingman, Tami Tamaroo, die beiden anderen Fähnriche auf dem Boot. Zwischen ihnen lag ein länglicher Gegenstand, mehrfach in eine Leinwand eingerollt und auf eine schmale Trage geschnallt. Am unteren Ende lagen auch die Gewichte, ebenfalls umwickelt und mit Tauen festgezurrt.

Der kleine Herbert Duff, der immer Angst gehabt hatte.

Vor einer halben Stunde, als man Duff auf die Trage legte, hatte Dr. Blandy gefragt:»Soll er nicht in eine Fahne gewickelt werden?«

«Nein!«hatte Nicholson geantwortet. Er wußte, daß ihn seine Offiziere jetzt fassungslos anstarrten. Und Dr. Blandy sprach es sogar aus.

«Er ist im Dienst gestorben, Commander«, sagte er steif.»Ob im Krieg getötet oder… oder so gestorben. Er war an Bord. Im Einsatz.«

«Das ist es nicht!«hatte Nicholson geantwortet.»Aber Duff könnte, wenn die Gewichte nicht halten, auftauchen. Dann fischt ihn einer auf, eingewickelt in die amerikanische Flagge! Was heißt das? Hier hat die amerikanische Navy heimlich operiert! Im Sinne der völligen Geheimhaltung müssen wir Duff als einen Unbekannten begraben.«

«Kommando an Deck!«sagte Cornell heiser, als er den wartenden Trupp sah. Dann warf er sich herum und rannte zum Turm zurück. Porter, Slingman, Hollyday und Tamaroo ergriffen die Holme und hoben die Trage an. Stumm, mit dem feierlichen Schreiten einer Trauerparade trugen sie Herbert Duff den Gang entlang zum Ausstieg. Alle Maschinen schwiegen. Das Boot dümpelte kaum in der Dünung. Überall, in allen Stationen, standen jetzt die Männer der POSEIDON I in Paradeuniformen an ihren Plätzen und warteten. Auf der Turmplattform die Offiziere. Slingman und Porter, die beiden bulligen Riesen, zogen die Trage an die Sonne und blinzelten in das strahlende Licht. Auch sie atmeten tief auf. Dann erschien einer nach dem anderen, zuletzt Leutnant Black. Sie stiegen die Treppe des Turms hinunter an Deck und formierten sich dort wieder. Vier Mann vorneweg, dann die vier, die Duff trugen, am Schluß noch einmal vier. Im Trauerschritt marschierten sie über die Stahlplatten bis zur Mitte des Oberdecks.

Nicholson sah Curtis und Cornell an. Wenn es einer von euch war, dann sagt es jetzt, dachte er. Ich gebe ihm meine Pistole. Soviel Zeit habe ich noch, zwei Tote dem Meer zu übergeben. Aber Curtis und Cornell schwiegen. Es schien sogar, als seien seine Augen plötzlich naß.

Nicholson zog den Kopf tiefer in die Schultern und stieg vom Turm. Langsam, die Hände in den Taschen der Lederjacke, ging er über das Oberdeck und blieb neben dem verschnürten Duff stehen. Slingman, der schwarze Riese mit den Muskelpaketen, Boxmeister der Navy und >Der schwarze Klotz< genannt, weinte. Tamaroos Lippen bewegten sich. Er betete still zu den uralten Göttern seiner Heimat. Sie alle, diese zwölf harten Männer, standen stramm und unbeweglich, und doch war es ihnen, als blute ihr Herz.

Nicholson grüßte zum Toten hinunter. Dann sagte er:»Herbert, es hat wenig Sinn, jetzt zu sagen: Wir werden dich nie vergessen! Ich werde dafür sorgen, daß man dich nicht vergißt, daß dein Mörder vor seinen Richter kommt. Mehr kann ich dir nicht versprechen. Alles, was man sagen müßte von Soldatenehre, von Treue und von Kameradschaft hat hier keinen Sinn. Auf diesem Boot gibt es keine Kameradschaft mehr!«

«Mein Gott, das sitzt!«flüsterte Cornell auf dem Turm.»Der Alte zieht uns die Haut über die Ohren.«

«Du bist auf ein Boot gekommen, welches der Stolz Amerikas sein sollte!«Nicholsons Stimme schallte über das Deck, zum Turm und weit über das Meer. Die Eisschollen trieben träge an ihnen vorüber, ein paarmal bumste es, wenn sie gegen den stählernen Leib der POSEIDON I stießen, aber sie waren gefahrlos.»Geblieben ist ein Stahlzylinder mit dreihundert Verrückten! Das hast du erkannt, und darum mußtest du sterben! Gott sei bei dir, Herbert Duff. «Nicholson hob den Kopf.»Wir wollen beten!«

«Du lieber Himmel!«sagte Dr. Blandy. Er war unbemerkt von den Offizieren auf der Turmplattform erschienen, Curtis und Cornell fuhren bei diesen Worten erschrocken herum, als hätte man sie in den Nacken geschlagen.»Er betet! Und dabei glaubt er gar nicht an Gott!«

Vom Oberdeck klang Nicholsons harte Stimme:»Vater unser, der Du bist im Himmel. «Es war wie in einer riesigen Kirche, und das Firmament selbst war ihr Gewölbe.

Nach dem Amen lag tiefes Schweigen über dem Boot. Die eisige Kälte fraß sich durch die Uniformen, die Sonne glitzerte über die Eisschollen und ließ sie bläulich schimmern.

«Herbert, ich weiß, du hast das Meer gehaßt«, sagte Nicholson heiser.»Und nun wird es deine Ewigkeit. Ich kann's nicht ändern.«

Nicholson winkte. Porter, Slingman, Hollyday und Tamaroo traten an den Rand des Oberdecks und kippten die Trage ein wenig. Dann ließen sie den Toten über die glatte gewölbte Wand ins Meer rutschen. Fast senkrecht tauchte Duff weg, hinuntergezogen von den schweren Gewichten an seinen Füßen. Im gleichen Augenblick drückte Cornell mit der linken Hand — mit der rechten grüßte er — auf einen Knopf in der Turmverkleidung. Unten, bei McLaren, flammte eine rote Lampe auf. Ganz kurz nur ertönte ein helles Klingeln. Auf den Stationen standen die Männer stramm und legten die Hand an die Mützen.