Выбрать главу

Commander Nicholson betrat die Gangway. Vom Turm trillerte die Pfeife los. Die Offiziere und die Maate neben den Luken und dem versenkbaren Raketenwerfer grüßten stramm. Der Pfiff durchzog das ganze Boot, vom Maschinenraum bis zum Torpedoleitstand. Er fuhr in die Knochen. Die Männer warfen alles, was sie gerade in der Hand hielten, von sich und standen in Achtungstellung.

Der >Alte< kommt an Bord. Das große Abenteuer beginnt. Amerikas größtes Geheimnis gehört jetzt uns! Das ist es wert, eine Sekunde den Atem anzuhalten und glücklich zu sein.

Commander Nicholson bestieg den Turm und grüßte. Bernie Cornell setzte die Trillerpfeife ab. Neben ihm stand Leutnant Henry Curtis, mittelgroß und schlaksig, trotz Uniform. Mit seinem Blondschopf sah er wie ein gestutztes Mädchen aus. Er grinste. Nicholson warf ihm einen Blick zu.

«Sie freuen sich, Curtis?«

«Ja, Sir. Ich könnte vor Freude singen.«

«Ich weiß. Sie singen zur Entspannung am liebsten Opernarien. Lyrischer Tenor? Sie werden neue Arien einstudieren können.«

Der fröhliche Curtis wurde rot wie ein Schuljunge und kaute an seiner Unterlippe. Dr. Blandy grinste breit, Bernie Cornell wußte nicht, wie man sich jetzt verhalten sollte. Sein Problem löste das Summen und das Flackern der Lampe an der Sprechanlage im Turm. Aus dem Maschinenraum, neben dem Atomreaktor, meldete sich Chief Engineer McLaren.

«Ist der Alte endlich an Bord?«rief er von unten.

«Der Alte ist da!«antwortete Nicholson ruhig und ohne eine Miene zu verziehen.»Alles klar, Chief?«

«Alles klar, Sir!«

«Wann können wir auslaufen?«

«Genau nach Plan. Die Mannschaft braucht eine halbe Stunde, um sich einzurichten und ihre Posten zu besetzen. Ich habe gerade alle

Kontrollinstrumente überprüft. Das Boot ist hundertprozentig klar, Sir. Ein Kahn. zum Verlieben.«

«Bei Ihnen kann ich's verstehen, Chief. Sie haben das Ding praktisch ja gezeugt, und welcher Vater liebt sein Kind nicht?«Nicholson stellte die Sprechanlage ab und schob seine Mütze in den Nacken. Auf der Plattform stand plötzlich der Admiral und sah hinüber zur POSEIDON I. Er wollte das Ablegen miterleben… ein historischer Moment, den man gar nicht historisch aufzäumen wollte. Aber für Adam war es eine Herzenssache. Er fühlte sich als Vater dieser dreihundert Männer, die so geringe Chancen hatten, wieder zurückzukommen. Es war eine Testfahrt mit Hunderten von Unbekannten. Ein neues Atom-U-Boot mit völlig neuen Aggregaten, neuen Luftaufbereitungsanlagen, mit unbekannten Tauchtiefen und unerprobten Stahllegierungen. Es war ein Himmelfahrtskommando. Commander Nicholson allein wußte die volle Wahrheit.

Admiral Adam stand unbeweglich auf der Betonplattform des Seebunkers und starrte hinüber zum Boot.

Welcher Vater verliert gern dreihundert Kinder.

Das war vor dreiundneunzig Tagen gewesen.

Jetzt schwamm die POSEIDON I in einer Tiefe von einhundertfünfzig Fuß in der Nordsee und glitt zwischen Norwegen und Island dem Ewigen Eis entgegen.

Ein Boot, in dem es gärte wie in einem Hefeteig.

Jeder hat eine besondere Methode, mit seinen Problemen fertig zu werden. Das ist in erster Linie Temperamentssache, und es bedeutet vor allem ein Aktivieren der Selbstdisziplin.

Nach dreiundneunzig Tagen Fahrt, davon einundachtzig unter Wasser, wußte man an Bord, was es bedeutete, die Ehre zu haben, die besten Soldaten der Welt zu sein. Und man wußte jetzt auch, wer Commander Nicholson war. Was er in diesen Tagen an Übungen angesetzt hatte, wie tief er die Grenze des Erreichbaren schraubte, wie oft einem dann die Nackenhaare wie Stachel abstanden und wie nahe man daran war, trotz allen Härtetests in die Hosen zu scheißen, das hatte man auf der POSEIDON I oft genug in atemloser Spannung erlebt.

Das Essen war vorzüglich. Bei Überwasserfahrt gab es in den verschiedenen Messen Farbfernsehabende, man konnte aus der Bordbibliothek Bücher leihen, Transistorradios oder Tonbandgeräte spielten flotte Musik, es gab Schachzirkel und Skatrunden, in der Maatmesse stand sogar ein Lochbillard, das jeder benutzen konnte, auch wenn immer häufiger die Bemerkung fiel, man solle das Ding zusammenschlagen, denn allein das Wort Loch weckte Assoziationen und gab zu Erinnerungen Anlaß, gegen die auch Dr. Blandys Tabletten machtlos waren. Es fehlte überhaupt nichts an Bord, was zum Wohle einer Männergesellschaft nötig war, bis auf das eine, das der Doktor bereits erwähnt hatte.»Und wenn Sie die Boys so fertig machen mit Ihrem Drill, Jack, daß sie umfallen wie gespaltene Holzklötze, sobald sie liegen… träumen sie von Sex!«

«Ich hab's Ihnen ja gesagt, Doc. «Nicholson saß im Kommandantenraum und las die neuesten Meldungen von NAVDAC, der Computernavigation, durch.

«Sie sollten das Mastessen reduzieren, Jack! Ich gebe den Kerlen Pillen, und die Küche serviert ein Menü, an dem sich drei Playboys sattfressen könnten. Das ist doch Schizophrenie!«

«Es ist der befohlene Verpflegungssatz, ich kann ihn nicht ändern, Doc.«

«Am grünen Tisch entworfen! Von den Theoretikern hat noch keiner zehn Fuß unter Wasser getaucht.«

«Darum sind es ja Theoretiker, Doc. «Nicholson lächelte, und das war das höchste der Gefühle, das man bisher bei ihm zu sehen bekam.»Wir werden alle nur von Theoretikern regiert, von Dilettanten oder Ignoranten. Schicksal des kleinen Mannes!«

«Ich will nicht philosophieren, ich will etwas verhindern, Jack. «Dr. Blandy beugte sich über den Tisch.»Funken Sie die Basis an, ob wir vor dem Wegtauchen unter das Ewige Eis nicht einen Hafen anlaufen sollen. Die Boys brauchen ein wenig Luft.«

«Ich habe meine Befehle, Doc, und die sind klar. «Commander Nicholson lehnte sich zurück. Die POSEIDON I glitt fast unhörbar durch das Meer. Neue Abschirmgeräte verhinderten, daß man sowohl auf Island als auch in Norwegen ihren Schatten auf dem Radarschirm erkannte. Höchstens die Sonarpeilung hätte das Boot — mit einigem Glück — verraten können, aber auch dann hätte man nicht gewußt, von welcher Nation das U-Boot war. Im elektronischen Tentakel der Unterwasserortungsgeräte der POSEIDON I tauchten oft solche fremden Boote auf, und Chief Engineer McLaren war ein solcher Experte, daß er anhand der Sonarechozähler bestimmen konnte, ob es ein sowjetisches, ein britisches oder ein US-U-Boot war, das sie >an den Ohren< hatten.

«In fünf Tagen tauchen wir unter das Eis«, sagte Nicholson gelassen.»Beruhigen Sie sich, Doc. Die Stimmung an Bord ist unter den gegebenen Umständen gut. Auf meine Boys kann ich mich verlassen!«

Die Boys waren darin allerdings anderer Ansicht.

Das fantastische Essen, zunächst sogar beklatscht wie eine Striptease-Nummer, wurde mit der Zeit zur Qual. Doc Blandys Tabletten mit den weiblichen Hormonen nahmen nur wenige. Der bullige Porter brüllte sofort, wenn er die unscheinbaren weißen Pillen neben seinem Teller liegen sah.»Glaubt ihr denn, ich gehe nach einem Jahr an Land und habe 'ne Brust wie meine Susi?«schrie er.»Dann schon lieber meine Methode!«

Die Methode bestand darin, sich eiskaltes Wasser dreimal täglich oder immer dann, wenn es kritisch wurde, über die Gegend seines Körpers zu schütten, die immer widerspenstiger wurde.

Bill Slingman flüchtete in den Sportraum des U-Bootes und bearbeitete Punchingball und Sandsack mit seinen riesigen Fäusten bis er alle Sehnsucht nach Frauen aus sich herausgepumpt hatte. Paolo Belucci, der kleine zarte Italiener, saß stundenlang an der elektrischen Orgel in der Mannschaftsmesse und übte seine sizilianischen Schmachtgesänge. Er bekam dabei Rehaugen, starrte wie abwesend ins Nichts und legte sich schließlich schlafen wie in Trance. Tami Tamaroo aus Hawaii, sonst ein überaus höflicher und freundlicher

Mensch, der an Land höllisch scharfe Gerichte kocht und im Ausbildungslager seine Kameraden die wunden Knochen vergessen ließ, indem er wie ein Mädchen Hula-Hula tanzte, flocht Girlanden aus verschiedenfarbigem Klosettpapier und drapierte damit seine Kajüte. Ob ihn das von dem Gedanken an Frauen ablenkte, wußte keiner. Es fragte ihn auch niemand, denn jeder hatte sein eigenes Problem, mit dem er fertig werden mußte.