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»Wir sind kein Gesindel«, lallte Sergé. Er spielte den Betrunkenen wirklich überzeugend. »Wir sind Künstler!«

»Künstler ..., soso.« Der goldene Ritter zog eine Augenbraue hoch. »Mir kommt ihr eher vor wie fahrende Diebe, die von einem Markt zum anderen reisen und nach Dummköpfen Ausschau halten, die sie um ihr Geld erleichtern können.«

Während er sprach, glitt sein Blick von einem Gesicht zum anderen. Zu Andrejs Überraschung musterte er ihn selbst kaum länger als die anderen, sah Frederic dafür aber um so aufmerksamer an.

»Verzeiht meinem Bruder, edler Herr«, sagte Ansbert. »Er ist betrunken und weiß nicht, was er tut. Sergé - entschuldige dich!«

»Was ist mit dem Jungen?« Der Ritter machte eine Kopfbewegung in Frederics Richtung. »Ist er krank?«

Frederic senkte den Blick und griff mit einer zitternden Hand nach seinem Löffel. Er hustete.

»Eigentlich nicht«, antwortete Ansbert. »Aber die Leute sind großzügiger, wenn sie glauben, ein krankes Kind zu sehen.«

»Er sieht nicht aus wie euer Bruder«, faßte der Goldene mißtrauisch nach. »Eigentlich seht ihr alle nicht aus wie Brüder.«

Ansbert lachte leise. »Das kommt vielleicht daher, daß wir alle verschiedene Väter haben.«

»Die noch dazu aus verschiedenen Teilen der Welt zu stammen scheinen ...«, ergänzte der Blonde argwöhnisch. »Woher kommt ihr? Aus dem Norden?«

»Dort ist nichts zu holen«, antwortete Ansbert kopfschüttelnd. »Wir haben den Sommer bei dem Türkenpack verbracht und wollten nun hinauf nach Transsilvanien, doch ich glaube, der Weg lohnt nicht.«

»Hör auf, deine Zeit mit diesem Gesindel zu vertrödeln«, rief einer der Männer von der Theke her. »Wir müssen weiter. Malthus erwartet uns in einer Stunde.«

Der Ritter antwortete nicht sofort auf diese Bemerkung. Wieder sah er Frederic an, und ein sehr nachdenklicher Ausdruck machte sich auf seinem Gesicht breit, fast so, als wäre er überrascht, hier auf ihn zu treffen. Aber das war natürlich undenkbar. Der Mann und Frederic konnten sich überhaupt nicht kennen - jedenfalls nicht, wenn der Junge ihm den Ablauf des Überfalls auf Borsã korrekt wiedergegeben hatte. Aber was dann hatte die Reaktion des Ritters zu bedeuten? Spielte er ein Spiel mit ihnen?

»Überlegt Euch unser Angebot, edler Herr«, sagte Sergé mit schwerer Zunge. »Wenn Ihr uns mit in die Stadt nehmt, dann wäre uns das sicher ein hübsches Sümmchen wert.«

»Hört nicht auf ihn«, sagte Ansbert. »Wir haben gerade genug, um unser Bier zu bezahlen.« Er wandte sich in scharfem Ton an seinen Bruder. »Halt endlich den Mund! Ich habe keine Lust auf Ärger!«

Der Ritter starrte die beiden noch einen Moment lang abwechselnd an, dann aber zuckte er mit den Schultern und ging. Nur wenige Augenblicke später konnten sie hören, wie ein paar Münzen auf der Theke klimperten, und kurz darauf verließen die Männer den Schankraum.

Andrej atmete innerlich auf und löste endlich die Hand vom Schwert, wenn auch nur zögernd und beinahe widerwillig. Die Fremden waren gegangen, und mit ihnen verschwand auch das Gefühl ihrer mächtigen, feindseligen Gegenwart. Aber dennoch war er zutiefst verwirrt und nicht annähernd so erleichtert, wie er hätte sein sollten.

Er warf Sergé einen zornigen Blick zu, wandte sich aber zuerst an Frederic. Der Junge zitterte noch immer am ganzen Leib - wenn auch nicht mehr ganz so stark wie eben noch - und war so blaß, daß er nun tatsächlich krank wirkte. Auf seiner Stirn und seiner Oberlippe perlte kalter Schweiß.

»So, ihr kennt diese Männer also nicht ...«, bemerkte Sergé spöttisch.

Andrej ignorierte ihn. »Das war einer von denen, die du in der Burg gesehen hast«, vermutete er.

Frederic nickte abgehackt. Praktisch in der gleichen Bewegung schüttelte er den Kopf. »Zwei«, sagte er.

»Zwei?« Andrej s Gesicht blieb unbewegt, aber er konnte nicht verhindern, daß seine Stimme erschrockener klang, als vielleicht gut war.

»Der an ... an der Theke«, antwortete Frederic stokkend. »Er war auch dabei. Es waren die beiden in den goldenen Rüstungen.«

»Das war kein Gold, Junge«, sagte Krusha. Er schüttelte heftig den Kopf. »Jedes Kind könnte mit einem rostigen Nagel diesen Brustharnisch aus Messing oder Kupfer durchdringen. Nur ein Dummkopf trägt einen solchen Panzer.«

Oder jemand, dem es gleich ist, fügte Delãny in Gedanken hinzu, weil er keine Waffe fürchtet.

»Zwei?« fragte er. »Es waren diese zwei?«

»Diese zwei und der eine, gegen den du gekämpft hast«, sagte Frederic. »Ich vergesse ihre Gesichter nie.«

Ein Gefühl dumpfen Entsetzens machte sich in Andrej breit. Wenn diese Männer auch nur im entferntesten geahnt hätten, wer er und Frederic waren, hätten sie kaum mehr als noch ein, zwei Minuten zu leben gehabt.

Trotzdem war er einen Moment lang der Verzweiflung nahe. Er hatte den Kampf vor ein paar Tagen mit Mühe und Not überstanden; und wenn er ganz ehrlich war, verdankte er dies mehr dem Glück als seiner Geschicklichkeit im Kampf. Wie aber sollte er gegen gleich drei nahezu unverwundbare Feinde bestehen?

Einer der Männer am Nebentisch stand auf und schlurfte zur Theke, um seine Zeche zu zahlen; offensichtlich wollte er aufbrechen. Andrej wandte sich mit einem zornigen Schnauben an Sergé. »Bist du wirklich betrunken, oder hast du nur einen sehr sonderbaren Humor?« fragte er.

Sergé hielt seinem Blick gelassen stand. »Ich weiß nur gerne, mit wem ich es zu tun habe«, sagte er ruhig. »Ihr seid nicht auf dem Weg nach Constãntã, um eure Schwester zu besuchen. Was sind das für Kerle?«

»Keine, mit denen ihr euch abgeben solltet«, antwortete Andrej. Er warf Frederic einen auffordernden Blick zu und wollte aufstehen, aber Sergé streckte rasch die Hand über den Tisch und hielt seinen Arm fest. Andrej sah stirnrunzelnd an sich hinab, und der Schausteller zog die Hand nach einer Sekunde fast trotzig wieder zurück, fuhr aber dennoch in ruhigem Ton und mit einem breiten Lächeln fort: »Nicht so schnell, mein Freund. Vielleicht kommen wir ja doch noch ins Geschäft.«

»Das glaube ich kaum«, antwortete Andrej. »Wir sollten jetzt besser gehen.«

Sergés Blick wurde auf einmal hart, entspannte sich aber sofort wieder. Andrej spürte, daß sein Gegenüber alles andere als ein Feigling war, doch Sergé schien instinktiv zu wissen, daß er mit diesem sonderbaren Fremden besser keinen Streit anfing. Er hob nur die Schultern und setzte wieder sein gespielt-betrunkenes Lächeln auf. Andrej trat nun endgültig vom Tisch zurück und machte eine Geste in Frederics Richtung, ihm zu folgen.

Mittlerweile hatte der Mann, der vor ihnen aufgestanden war, die Tür erreicht und versuchte sie zu öffnen.

Es gelang ihm nicht.

Andrej verfolgte auch diese Bewegung nur aus den Augenwinkeln, aber irgend etwas daran alarmierte ihn über die Maßen, ohne daß er selbst genau sagen konnte, was es war. Er richtete sich angespannt auf, schlug mit der linken Hand die zum Mantel umfunktionierte Decke zurück und legte die andere auf den geschnitzten Elfenbeingriff des Sarazenenschwertes. Sergés Augen wurden groß, als er die kostbare Waffe in Andrejs Gürtel gewahrte, doch dann folgte er dessen Blick - und auf einmal wirkte auch er sehr besorgt.

Der Gast - er war nicht mehr ganz nüchtern, aber auch nicht völlig betrunken - zerrte noch einmal vergeblich am Türgriff und wandte sich dann leicht schwankend zu dem Wirt hinter der Theke um. »Die Tür ... geht nicht auf.«

»Du bist besoffen, Kerl«, antwortete der Wirt grinsend. »Ich habe gar kein Schloß an der Tür.«

»Aber ich will... raus«, lallte der Gast.