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Der Aufprall raubte ihm fast das Bewußtsein. Er hätte es ihm geraubt, wäre da nicht der grausame Schmerz gewesen, mit dem sich die Pfeilspitze noch tiefer in seine Hüfte bohrte, bevor das Geschoß abbrach ... und wäre da nicht der Gedanke an Frederic gewesen, den einzigen Menschen auf der Welt, der ihm geblieben war, das einzige, was seinem Leben noch Sinn gab. Wimmernd rappelte er sich auf Hände und Knie hoch, riß die Pfeilspitze aus seinem Bein und kroch durch brennendes Stroh und Flammen davon.

Irgendwoher nahm er die Kraft, sich vollends in die Höhe zu stemmen und weiterzutaumeln. Seine Schulter glitt an der Wand entlang; diese war so heiß, daß sie seine Haut verbrannt hätte, wäre sie nicht schon längst angesengt gewesen. Er konnte kaum noch etwas erkennen. Alles war verschwommen und grell, alles war ... Schmerz. Er taumelte weiter, fiel auf die Knie und kippte zur Seite, als die heiße Wand neben ihm plötzlich nicht mehr da war.

Für einen ganz kurzen Moment verlor er nun wirklich das Bewußtsein, und als er wieder erwachte, war er nicht mehr allein. Vor ihm bewegte sich etwas - jemand. Er hörte Schreie, Geräusche wie von einem Kampf, hektische Bewegung. Das gellende Schreien eines Kindes ... Frederic.

Dieser Gedanke gab ihm noch einmal neue Kraft. Er taumelte in die Höhe, wankte blind auf die schattenhafte Bewegung vor sich zu und erkannte zwei tanzende Schemen, das Schimmern von Metall. Andrej fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen, wischte Tränen, Blut und Hautfetzen fort und konnte nun tatsächlich etwas besser sehen. Er befand sich an der Schmalseite des Hauses, unweit der Tür, durch die der Wirt unglückseligerweise zu entkommen versucht hatte. Nur wenige Schritte von ihm entfernt befanden sich zwei Männer in dunklen Mänteln, unter denen das Metall wuchtiger Schuppenpanzer schimmerte. Einer von ihnen hatte sich auf ein Knie herabgelassen, der zweite stand nur einen Schritt hinter ihm. Beide waren mit Langbögen bewaffnet und hatten eine Anzahl Pfeile griffbereit vor sich in den Boden gesteckt - bereit, auf jeden zu schießen, der versuchte, sich durch die Hintertür aus dem brennenden Gebäude zu retten.

Andrej zog sein Schwert und griff, ohne zu zögern, an ... doch keiner der beiden Männer machte auch nur einen Versuch, sich zu wehren.

Der kniende Mann hatte einen Pfeil auf der Sehne. Er hätte schießen können - Andrej war überzeugt davon, daß er schießen würde, und wappnete sich gegen den Schmerz und den heftigen Schlag -, aber er kniete einfach nur reglos da und starrte den brennenden Dämon an, der brüllend, in einen Mantel aus Flammen gehüllt, auf ihn zustürmte. Für die beiden Bogenschützen mußte Andrej in diesem Moment wirklich wie ein Dämon aussehen, der direkt aus der Hölle emporgestiegen war, um sie zu holen.

Es war das letzte, was sie in ihrem Leben sahen. Andrej tötete sie beide - schnell, gnadenlos und ohne auch nur einen Sekundenbruchteil zu zögern.

Ein Gefühl schrecklicher Kälte breitete sich in ihm aus. Er empfand nichts, während er die beiden Männer umbrachte, weder Triumph noch Erleichterung. Es war nicht so, als hätte er Menschen getötet. Er ... beseitigte ein Hindernis, mehr nicht. Jede Gefühlsregung schien plötzlich von ihm abgefallen zu sein, als hätten Furcht und Schmerzen alles Menschliche aus ihm herausgebrannt. Für einen Moment wurde er zu einem ... Ding, das eine Aufgabe hatte und diese um jeden Preis erfüllen würde.

Sein Blick glitt taxierend über das brennende Haus und den Bereich dahinter, in dem sich Licht und Dunkelheit einen verbissenen Kampf lieferten. Er erkannte drei, vier, vielleicht fünf Gestalten, mindestens eine davon in die Farbe geschmolzenen Goldes gehüllt. Später.

Andrej wandte seine Aufmerksamkeit wieder ausschließlich dem Haus zu. Die linke Seite des Gebäudes stand mittlerweile vollständig in Flammen, an allen Ekken und Enden brodelte schwarzer, fettiger Qualm heraus. Aus den Fenstern, deren Läden unter der enormen Hitze längst zu Asche zerfallen waren, schössen brüllende Feuerzungen wie aus den Klappen offenstehender Brennöfen. Die Hitze dort drinnen mußte mittlerweile groß genug sein, um Eisen zu schmelzen; eigentlich konnte keiner der Gäste mehr am Leben sein. Trotzdem glaubte er unter dem Getöse der Flammen Schreie zu vernehmen, und plötzlich taumelte eine brennende Gestalt aus der Tür, stürzte und wälzte sich schreiend über den Boden.

Andrej schob das Schwert in den Gürtel, setzte über den sterbenden Mann hinweg und riß die Arme vor das Gesicht, während er in das brennende Haus hineinstürmte. Gleißendes Licht und unerträgliche Hitze schlugen ihm entgegen. Er konnte nicht mehr atmen. Seine bereits angesengte Haut riß weiter auf. Aber er hörte jetzt wirklich Schreie, und wenn er auch nicht sagen konnte, ob es Frederic war, gab ihm allein der Klang einer menschlichen Stimme in dieser Flammenhölle neuen Mut.

Er durchquerte die winzige, lichterloh brennende Küche, stürmte in den Schankraum und stolperte über die Leiche des Wirtes. Er fiel nicht, taumelte aber ein paar Schritte weit hilflos in den Raum hinein und verlor die Orientierung. Um ihn herum war nichts als Hitze, gleißendes Licht, Flammen und zuckende Bewegung. Unmöglich, irgend etwas zu sehen oder auch nur zu sagen, wo inmitten des brennenden Hauses er sich befand.

Aber plötzlich ... spürte er, wo Frederic war. Für einen kurzen Moment war es, als hätte sich ihm ein neuer, nie gekannter Sinn eröffnet: Frederic lebte. Er befand sich unmittelbar vor ihm, und er litt unsägliche Furcht und unerträgliche Schmerzen. Andrej sprang vor, spürte brennenden Stoff und griff zu. Er war mittlerweile vollkommen blind und nahm nur noch die flirrende Hitze wahr. Die Schmerzen hatten bereits die Grenze des Vorstellbaren überschritten und peinigten ihn dennoch immer weiter - und doch war es gerade diese unerträgliche Qual, die ihm die Kraft gab, Frederic an sich zu pressen und in die Richtung zu schleppen, in der er die Tür vermutete. Der Schmerz würde nicht aufhören. Die Barmherzigkeit des Todes, die der Qual ein Ende setzte, blieb ihm versagt. Er prallte gegen die Theke, streifte mit dem Fuß ein weiches, regloses Hindernis und wußte, daß er auf dem richtigen Weg war. Blind vor Schmerzen und Atemnot taumelte er weiter, stieß gegen den Türrahmen und wankte mit letzter Kraft durch die brennende Küche hindurch aus dem Haus.

Zwei Schritte jenseits der Tür versagten seine Kräfte endgültig. Er fiel auf die Knie, ließ Frederic fallen und versuchte, ihn über den Boden zu wälzen, um die Flammen zu ersticken, die aus seinen Kleidern züngelten; aber er war nicht sicher, ob ihm das gelingen würde. Hilflos kippte er auf die Seite, löschte mit bloßen Händen den Schwelbrand in seinem Haar und kämpfte mit einem winzigen Rest verbliebener Kraft darum, nicht das Bewußtsein zu verlieren. Er wußte nicht, was geschehen würde. Er war niemals zuvor so schwer verletzt worden. Vielleicht würde es Stunden dauern, bis er wieder erwachte, vielleicht sogar Tage, vielleicht würde er aber auch schon in ein paar Minuten tot sein. Aber die Männer in den goldenen Rüstungen würde das nicht davon abbringen, Frederic zu töten. Er mußte durchhalten - schon um den Jungen von hier fortzubringen.

Irgendwie schaffte es Andrej, die Augen zu öffnen und sich auf Hände und Knie hochzustemmen. Er konnte immer noch nicht richtig sehen, nahm aber immerhin wahr, daß Frederic unmittelbar neben ihm lag und offensichtlich bei Bewußtsein war. Der Junge krümmte sich vor Qual und stieß abgehackte, wimmernde Schmerzenslaute aus. Andrej war fast froh, daß er sein Gesicht in diesem Moment nicht richtig erkennen konnte.

Er kroch auf Frederic zu und streckte die Hand aus, um ihn herumzudrehen, doch da traf ihn ein brutaler Fußtritt in die Rippen und schleuderte ihn auf die Seite.