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Krusha schüttete sich eine weitere Ladung Wasser ins Gesicht, stand auf und strich sich mit beiden Händen das nasse Haar aus der Stirn, ehe er sich wieder zu ihnen herumdrehte.

»Es war eine gute Idee, nicht nach Constãntã zu gehen«, begann er. »Die Stadt ist in Aufruhr wegen des Brandes. Sie suchen uns.«

»Uns?« fragte Frederic erschrocken.

»Wieso uns?« fügte Sergé verwirrt hinzu.

»Nicht direkt uns«, antwortete sein Bruder. »Nicht dich oder mich oder die beiden da. Ich meine: Sie wissen nicht, wer wir sind, aber sie suchen nach ein paar Männern, die nach dem Brand aus dem Gebäude gelaufen und im Wald verschwunden sind. Einer von ihnen sah aus wie ein transsilvanischer Dörfler und hatte langes Haar.«

»Aber wieso denn?« fragte Sergé.

Sein Bruder lächelte humorlos. »Acht Tote sind kein Pappenstiel«, erklärte er. »Selbst wenn es sich nur um ein paar dumme Bauern und einen fetten Schankwirt handelt. Die Menschen zahlen Steuern. Sie verlangen dafür eine Gegenleistung.«

»Einen Moment«, sagte Sergé. »Du willst damit sagen, daß sie ... uns für den Brand verantwortlich machen?«

Krusha hob die Schultern. »Auf jeden Fall hat der Herzog seine persönliche Leibwache ausgeschickt, um nach den Männern zu suchen, die man ihm beschrieben hat.«

»Aber wir haben den Brand nicht gelegt!« protestierte sein Bruder.

»Warum reitest du dann nicht in die Stadt und gehst zum Herzog, um ihm genau das zu sagen?« fragte Andrej spöttisch.

Sergé wollte auffahren, aber Krusha brachte ihn mit einer harschen Geste zum Schweigen. »Wir sind nicht in Gefahr«, sagte er. »Jedenfalls glaube ich das nicht. Immerhin sind wir fast zehn Meilen von der Stadt entfernt.« Er wandte sich an Andrej. »Ich habe die Männer gefunden, nach denen ihr sucht.«

»Wo sind sie?« fragte Andrej.

»Nicht so schnell, Delãny. Ich habe sie gefunden, und ich glaube, ich weiß auch, wo eure Leute sind. Aber bevor ich es dir sage, müssen wir noch etwas klären.«

Andrej bemerkte aus den Augenwinkeln, daß Frederic auffahren wollte, und versuchte ihn mit einer Geste zu beruhigen. »Wir haben eine Abmachung«, sagte er. »Ich wüßte nicht, was es noch zu klären gibt.«

»Abmachungen sind dazu da, gegebenenfalls geändert zu werden«, entgegnete Krusha ungerührt. »Du hast uns nicht die Wahrheit gesagt, Delãny.«

»Inwiefern?« fragte Andrej. Natürlich hatte er Krusha und Sergé nicht die ganze Wahrheit gesagt, als er von den Geschehnissen in Borsã und dem Wehrturm seiner Vorväter berichtet hatte. Aber er hatte auch nur wenig weggelassen und sich der Wahrheit so weit angenähert, wie es gerade noch ging.

»Du hast uns nicht gesagt, daß wir es mit der Inquisition zu tun haben«, erklärte Krusha und behielt sein Gegenüber bei diesen Worten scharf im Auge, als warte er auf eine ganz bestimmte Reaktion - oder vielleicht auch auf ihr Ausbleiben.

»Die ... römische Inquisition?« murmelte Sergé. »Hier? Am Schwarzen Meer? Das kann nicht sein.«

Sein Bruder starrte weiter unverwandt Delãny an. »Aber es ist so«, fuhr er fort. »Und ich habe mich umgehört. Den richtigen Leuten ein Bier ausgegeben, eine Kleinigkeit für eine Information bezahlt ...« Er zuckte mit den Schultern. »Es war nicht besonders schwer. Vater Domenicus ist kein Raubritter, der sich als Geistlicher tarnt. Er ist im Auftrag der Kirche hier. Es heißt, sie seien eigens nach Transsilvanien gekommen, um einen Hexer zu suchen, der in der Abgeschiedenheit des Borsã-Tal sein Unwesen treibt.«

»Und jetzt glaubst du, ich sei dieser Hexer«, meinte Andrej lachend. Auch Krusha verzog kurz das Gesicht, aber sein Lächeln hielt nur eine Sekunde, und seine Augen blieben kalt.

»Ich könnte mich schon fragen, wie es kommt, daß du vor unseren Augen in ein brennendes Haus gerannt und wieder herausgekommen bist, ohne größeren Schaden genommen zu haben«, sagte er. »Aber das wäre ziemlich undankbar von mir, nicht wahr? Immerhin hast du Sergé und mir das Leben gerettet. Hättest du die beiden Bogenschützen nicht erschlagen, hätten sie uns getötet.«

»Und es wäre auch nicht besonders klug«, fügte Frederic hinzu. »Wenn wir wirklich Hexer wären, wäre es sogar ziemlich dumm, uns herauszufordern.«

»Nein, das wäre wirklich nicht klug«, gab Krusha zu. Aber er betonte diese Worte auf eine Weise, die Delãny nicht zu deuten vermochte.

»Was willst du, Krusha?« fragte er. »Uns erklären, daß dir die Sache zu gefährlich wird? Erzähl mir nicht, daß du Angst vor der Kirche hast.«

»Nein«, antwortete Krusha. »Ich frage mich nur, was du uns noch alles verschwiegen hast.«

»Ich habe nichts von der Inquisition gewußt; es hätte ohnehin nichts geändert!«

»Für uns einiges«, sagte Krusha. »Du verstehst anscheinend immer noch nicht, Delãny. Es ist nicht damit getan, deine Leute zu finden und zu befreien. Vater Domenicus und seine Männer sind in offizieller Mission hier. Sie sind Gäste auf dem Schloß.«

»Jetzt verstehe ich«, murmelte Sergé. »Deshalb fragt auch niemand, wer das Feuer im Gasthaus wirklich gelegt hat.«

»Und unsere Leute?« fragte Andrej.

Krusha machte eine schwer zu deutende Handbewegung. »Ich weiß es nicht genau. Aber ich nehme an, daß sie im Kerker des Schlosses sitzen. Ich habe mich für heute abend mit einem Mann verabredet, der mir Nachrichten darüber verkaufen will.«

»Und was willst du nun von mir?« fragte Andrej. Er ahnte die Antwort auf seine Frage, und Krusha enttäuschte ihn nicht.

»Es ist eine Sache, es mit einer Bande von Straßenräubern aufzunehmen«, sagte er. »Aber jetzt haben wir es mit dem Herzog zu tun. Und seiner ganzen Armee.«

»Es wird ihnen nichts nutzen«, grollte Sergé. »Ich werde sie töten, und wenn sie sich im Vatikan selbst verstecken sollten!«

»Sei kein Narr, Sergé«, versuchte Andrej den Aufbrausenden zu beruhigen. »Dein Bruder hat recht. So lange sich die Männer im Schloß aufhalten ...«

»... sind sie auch nicht sicherer als anderswo«, fiel ihm Krusha ins Wort. »Sie werden die Nacht nicht überleben. Aber ich fürchte, wir können nichts für eure Leute tun.«

»Ihr seid Feiglinge!« begehrte Frederic auf.

»Es hat nichts mit Mut zu tun, in ein Verlies einzudringen, das von zwanzig Soldaten bewacht wird, mein Junge«, entgegnete Krusha ruhig. »Sondern allerhöchstem mit Dummheit.«

»Ihr seid feige!« beharrte Frederic. Er setzte ein grimmiges Gesicht auf. »Aber geht ruhig! Andrej und ich werden sie allein befreien!«

»Natürlich«, sagte Krusha. »Und dann bringt ihr sie aus der Stadt, besorgt Lebensmittel und Wasser für fünfzig Personen und marschiert in aller Ruhe in euer Dorf zurück, und der Herzog steht wahrscheinlich am Straßenrand und winkt euch wohlgefällig zu.« Er lachte abfällig. »Vielleicht weiß ich ja einen anderen Weg.«

»Und welchen?« fragte Andrej.

Krusha lächelte dünn. »Das kommt ganz darauf an, was dir meine Ratschläge wert sind, Delãny.«

8

Constãntã war die mit Abstand größte Stadt, die Delãny jemals gesehen hatte. Michail Nadasdy hatte ihm von Städten erzählt, die hundertmal größer und tausendmal prachtvoller seien, deren Straßen angeblich mit Gold gepflastert seien und deren Türme so hoch seien, daß ihre Spitzen den Himmel zu berühren schienen. Aber er hatte niemals eine Stadt gesehen, die nennenswert größer als Rotthurn gewesen wäre, und die größte Menschenmenge, in der er sich jemals aufgehalten hatte, mochte gerade einmal fünfhundert Köpfe gezählt haben.

Constãntã erschlug ihn regelrecht. Die Stadtmauer erschien ihm höher als die himmelstürmenden Pyramiden, die er ebenfalls aus Michail Nadasdys Erzählungen kannte, und der Marktplatz, auf den sie gelangten, nachdem sie das gigantische Tor passiert hatten, war tatsächlich groß genug, um ganz Borsã und auch noch einen Teil des Schlosses aufzunehmen.