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Andrej war die Situation unendlich peinlich. Umständlich ließ er das Sarazenenschwert wieder in die Scheide gleiten. Eine leichte Röte machte sich auf seinem Gesicht breit, was nicht gerade dazu führte, daß er sich besser fühlte.

»Wo kommt Ihr denn her?« fragte er unsicher.

»Das hört sich aber nicht so an, als ob Ihr Euch freuen würdet, mich wiederzusehen«, erwiderte Maria. Mit einer raschen Bewegung zog sie sich die Kapuze vom Kopf, und ihr dunkelbrauner Haarschopf fiel ihr über die Schultern. In ihren Augen funkelte der Schalk. »Heute morgen habt Ihr ja richtig Reißaus vor mir genommen.«

»Das ... das hatte nichts mit Euch zu tun«, stammelte Andrej.

»Soso«, machte Maria. »Ihr habt also Geheimnisse. Laßt mich raten: Es geht um eine Frau, habe ich recht?«

»Nein.« Delãny schüttelte so schnell den Kopf, als ob er sie nachhaltig überzeugen wollte. »Es hatte nichts mit einer Frau zu tun. Jedenfalls nicht in dem Sinne, den Ihr meint.«

»Aha«, spottete Maria und zog die Stirn kraus, was den schalkhaften Ausdruck in ihrem Gesicht verstärkte. »Wie habe ich es denn gemeint?«

»Eh ... ich weiß nicht«, stotterte Andrej unglücklich, während er spürte, daß sein Gesicht langsam die Farbe einer reifen Tomate annahm. »Heute morgen ging es jedenfalls um Frederics Verwandte.«

»Seine Verwandten müßten doch eigentlich auch die Ihren sein, wenn ich mich nicht täusche«, lächelte Maria zuckersüß.

»Äh ... ja. Natürlich.« Andrej spürte, wie ihm immer heißer wurde. »Aber ich habe sie lange nicht mehr gesehen.«

»Soso. Und was seht Ihr jetzt?« Maria trat einen halben Schritt näher heran und stellte sich auf die Zehenspitzen.

»Ich«, krächzte Andrej. Sein Herz schlug ihm bis zum Halse. »Ich sehe...«

»Ja?« forderte ihn Maria mit heiserer Stimme auf. »Was seht Ihr?«

Andrej Gedanken - oder was davon noch übrig war - überschlugen sich. »Seid Ihr«, brachte er schließlich mühsam hervor, »seid Ihr um diese Zeit etwa alleine unterwegs?«

Maria legte den Kopf schief, und ihr erwartungsvolles Lächeln wurde um eine Nuance kühler. »Ihr sprecht wie mein Bruder. Den habe ich aber zu Hause gelassen. Sonst hätte ich mich Euch so nicht nähern und Euch nicht überraschen dürfen. Ich habe mir gedacht, nein, ich wußte, daß ich Euch hier wiedersehen würde. Wo habt Ihr Euren kleinen Neffen gelassen?«

»Der ist in unserer Unterkunft«, antwortete Andrej, während er spürte, wie ihm ein Schweißtropfen die Stirn herunterrann. »Bei unseren Freunden.«

Maria öffnete nun auch noch die Knöpfe ihres Capes und setzte sich auf den Rand des Brunnens. Sie stützte sich rechts und links mit den Armen auf dem Brunnen ab und beugte sich leicht nach vorne, was ihr Dekollete noch mehr betonte. Der Ansatz ihres Busen hob und senkte sich bei jedem Atemzug. Andrej konnte ihr Verhalten nun beim besten Willen nicht mehr als zufällig deuten. Es hatte schon vor Raqi zwei, drei Gelegenheiten gegeben, bei denen er mit einem drallen Bauernmädchen im Heu verschwunden war, nachdem sie ihm schöne Augen gemacht hatten. Aber das hier - das war anders.

Das war der komplette Wahnsinn.

Wie hypnotisiert kam Andrej immer näher und sagte mit leicht belegter Stimme: »Das solltet Ihr lieber nicht machen.«

»Was sollte ich lieber nicht machen, Fremder?« fragte Maria und sah ihm treuherzig entgegen. »Ist es etwa verkehrt, dem tiefsten, innersten Gefühl zu folgen? Ist es etwa verkehrt, dem Schicksal etwas auf die Sprünge zu helfen?«

»Ich ... nein.« Andrej dachte an die Stadtwachen, die hier irgendwo in der Gegend herumlungern mochten. Er dachte an die Gefahr, in der er schwebte, wenn man ihn entdeckte ... ihn, den Hexer, der doch im Moment selbst das Gefühl hatte, geradewegs verhext zu werden.

»Es ist nur so«, begann er hilflos, »ich bin doch nur ein einfacher Mann aus einem abgelegenen transsilvanischen Dorf.«

»Und was hat das damit zu tun?« fragte Maria lächelnd, während sie sich noch ein Stück weiter vorbeugte. »Sind transsilvanische Männer keine richtigen Männer - oder was wollt Ihr mir damit sagen?«

»Doch ... natürlich«, antwortete Andrej hilflos - und einen Herzschlag lang war er nahe dran, aufzuspringen und vor dieser jungen, fordernden und verheißungsvollen Frau wegzulaufen wie vor einem überlegenen Feind. Doch dann brach die Wahrheit aus ihm heraus, ohne daß er sie aufzuhalten vermochte: »Es könnte sein ... daß ich im Begriff bin, mich ... mich in Euch zu verlieben.«

»Und was ist dabei, wenn zwei Menschen sich lieben oder im Begriff sind, sich ineinander zu verlieben? Ist das nicht das Normalste der Welt? Du ... Ihr gefallt mir nun einmal besonders gut - als ob Ihr das noch nicht gemerkt hättet.« Maria ließ ihr glockenhelles Lachen erklingen.

Andrejs spürte eine Art der Erregung in sich, die ihm gleichzeitig wie ein Verrat ein Raqi vorkam, auf der anderen Seite aber alles in ihm hinwegschwemmte, was an Verstand, Zurückhaltung und Vorsicht in ihm war. Er wußte, daß es verkehrt war, sich auf das gleichzeitig verführerische und teuflische Spiel Marias einzulassen, er wußte, daß er für sie nicht mehr als Zeitvertreib sein konnte, ein Nervenkitzel, den sie auszukosten gedachte in einem ansonsten wahrscheinlich sehr bequemen, aber ereignislosen Leben.

Aber es war ihm egal.

Mit einem letzten Schritt war er bei ihr. Seine Hände fanden wie eigenständige Wesen ihren Weg, glitten über ihren Rücken, während er sie gleichzeitig an sich zog. Jeden Moment erwartete er, daß sie ihn zurückwies, daß sie um Hilfe schrie, so lange und so laut, bis die Stadtwache kam und ihn als lüsternen Frauenverführer festnahm, nur um kurz darauf zu entdecken, daß ihr Fang noch viel fetter war als erwartet und daß es Vater Domenicus anstehen würde, über ihn zu richten. Während er schon ihren bebenden und gleichermaßen fordernden Körper in den Händen hielt, schoß ihm der Gedanke durch den Kopf, daß sie nur ein hinterhältig böses Spiel mit ihm spielte, das letztlich nur darauf abzielte, ihn in die Falle der goldenen Ritter zu locken.

Aber dem war nicht so.

Wie ausgehungert preßte er sie an sich, überschüttete ihre Wangen mit seinen unbeholfenen und doch fordernden Küssen. Zu seiner Verblüffung erwiderte sie seine Begierde: Sie nahm sein Gesicht in die Hände und zog ihn sanft zu sich, und ihre Lippen trafen sich in einem nicht endenwollenden Kuß. Es ging alles viel schneller, als es eigentlich sollte, es war eine Selbstverständlichkeit in der Art, wie sie sich berührten, die all seine Hemmungen mit sich fortriß und es ihm unmöglich machte, sich gegen diesen plötzlichen Ausbruch der Leidenschaft zu wehren.

Ihre Körper wurden eins, schienen miteinander zu verschmelzen. Seine Hand streichelte ihre Schulter, wanderte langsam, aber sehr zielstrebig zu ihren Brüsten. Zu schnell, zu schnell, zu schnell... Unter seiner Berührung schien ihr gesamter Körper zu beben, und es war diese Resonanz, die es ihm unmöglich machte, mit dem aufzuhören, was er begonnen hatte. Er hatte mittlerweile längst vergessen, wo er sich befand, hatte vergessen, daß jederzeit jemand vorbeikommen konnte, um Zeuge dieses leidenschaftlichen Schauspiels zu werden.

Sein Mund wanderte ihren Hals entlang, während sie und er gleichzeitig den Ausschnitt ihres kostbaren Kleides weiter nach unten schoben, wie in geheimem Einverständnis. Schließlich fanden seine fordernden Lippen wie von selbst zu ihren Brüsten, strichen sanft über die Rundungen, bevor sie zu ihren Brustwarzen vorstießen, die sich jetzt keck aus dem Kleiderausschnitt hervorschoben. Seine Zunge stieß weiter vor und liebkoste die rosafarbenen Spitzen ihrer Brust, die sich ihm steil und hart entgegenreckten. Ihre Hände streichelten ihm sanft über den Kopf, den Hals entlang und ließen sich auf seinem Rücken nieder. In einer innigen Umarmung rutschten sie langsam vom Brunnenrand hinab auf den harten Boden. Die Welt um sie herum geriet vollkommen in Vergessenheit. Was war schon die Welt, im Gegensatz zu dem, was ihnen gerade widerfuhr?