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Maria gab jedoch nicht so leicht auf. »Wo kommt Ihr her, Andrej ?« fragte sie. »Aus dem Westen?«

»Sieht man das so deutlich?« fragte Andrej, während ihm bewußt wurde, wie viel sie voneinander trennte.

»Ich weiß es nicht. Ich selbst bin noch nie durch Transsilvanien gereist - so etwas überlasse ich meinem Bruder -, aber man hat mir erzählt, daß in den Bergen noch barbarische Stämme leben sollen, die heidnische Götter anbeten.« Sie stutzte, und plötzlich huschte ein betroffener Ausdruck über ihr Gesicht.

»Das ... das war jetzt nicht so gemeint«, sagte sie stokkend. »Ich wollte damit nicht sagen, daß Ihr ausseht wie ein heidnischer Barbar, sondern nur, daß ...« Sie verhaspelte sich, brach endgültig ab und rettete sich in ein Kopfschütteln und ein verlegenes Lachen. »Mein Bruder hat recht«, schloß sie. »Ich rede manchmal einen ziemlichen Unsinn, fürchte ich.«

»Nur gibst du es normalerweise nicht zu«, ließ sich plötzlich eine Stimme hinter Delãny vernehmen. »Jedenfalls nicht, wenn ich in der Nähe bin.«

Andrej wollte sich umdrehen, um Marias Bruder zu begrüßen, stockte aber, als er Frederics Reaktion bemerkte. Aus dem Gesicht des Jungen war jegliche Farbe gewichen. Seine Augen waren so groß, daß sie fast aus den Höhlen zu quellen schienen ... und schwarz vor Furcht. Er zitterte am ganzen Leib.

Andrej drehte sich mit einem Ruck herum - und hatte plötzlich selbst Mühe, einen überraschten Schrei zu unterdrücken. Hinter ihm stand ein sehr großer, breitschultriger Mann mit dunklen Augen und kurzgeschnittenem, schwarzen Haar. Der rote Umhang wirkte jetzt, da er nicht mehr im Sattel saß, eher protzig als ehrfurchtgebietend, und den merkwürdigen Hut mit dem breiten Rand hatte er abgesetzt und hielt ihn in der linken Hand. Vor seiner Brust hing ein goldenes Kreuz, das mindestens ein Pfund wiegen mußte und mit kostbaren Juwelen besetzt war.

Vater Domenicus streifte Andrej mit einem raschen, aber sehr aufmerksamen Blick, bevor er sich mit einem übertriebenen Kopfschütteln wieder an Maria wandte. »Es ist schon so, wie ich immer sage«, seufzte er. »Man kann dich keinen Moment aus den Augen lassen. Ich hoffe, meine Schwester hat Euch nicht belästigt. Sie ist manchmal ziemlich keck, müßt Ihr wissen.«

Andrej entgegnete nichts auf diese Bemerkung, und er war sich ziemlich sicher, daß Domenicus eine Antwort nicht einmal zur Kenntnis genommen hätte. Der Inquisitor war kein Geistlicher von der Art, wie Andrej sie kannte - kein Mann des Volkes, sondern einer, der über dem Volk stand und das Wissen darum wie einen unsichtbaren Schild vor sich her trug.

Und er war vor allem der Mörder seines Sohnes, Baraks und der anderen aus dem Borsã-Tal.

Diese Erkenntnis traf Andrej mit einigen Sekunden Verzögerung, dafür aber mit um so heftigerer Wucht. Plötzlich begannen auch seine Hände zu zittern, und für einen Moment verschwamm die Gestalt des Geistlichen vor seinen Augen. Sein Herz raste, er mußte sich mit aller Macht beherrschen, nicht sein Schwert zu ziehen und den Mann auf der Stelle zu töten. Hätte Domenicus ihn in diesem Moment angeblickt, hätte er in Andrejs Augen zweifellos dessen Gedanken gelesen.

Der Inquisitor sah aber nicht ihn, sondern Frederic an, und er tat dies auf eine sehr sonderbare Art; nicht einmal unfreundlich, aber doch in gewisser Weise mißtrauisch und zugleich auch verwirrt.

»Warum bist du so erschrocken, Kleiner?« fragte er. »Kennen wir uns?«

»Ihr ... Ihr seid ...«, stammelte Frederic.

Domenicus seufzte. »Ich verstehe«, sagte er. »Ja, du hast recht, mein Junge. Ich bin Vater Domenicus, und bevor du fragst: Ja, ich bin der Inquisitor, der zu Gast im Schloß ist. Aber was immer man dir auch erzählt haben mag, du hast keinen Grund, mich zu fürchten.«

»Aber Ihr...«

»Sei still, Frederic«, sagte Andrej. Auch seine Stimme zitterte. Er räusperte sich, zwang sich, einen möglichst gleichmütigen Gesichtsausdruck aufzusetzen, und wandte sich mit einer steifen Bewegung wieder Domenicus zu.

»Bitte, verzeiht meinem Neffen, Hochwürden. Er ist ein dummes Kind, das jeden Unsinn glaubt, den es aufschnappt.«

»Welchen Unsinn hat er denn aufgeschnappt?« fragte Domenicus kühl. Er lächelte, aber es war das kälteste Lächeln, das Andrej jemals auf den Lippen eines Menschen gesehen hatte. Seine linke Hand spielte gedankenverloren mit dem goldenen Kreuz, das vor seiner Brust hing.

»Ich weiß es nicht«, antwortete Andrej. »Bitte, verzeiht noch einmal, daß wir Euch belästigt haben. Wir müssen nun wirklich gehen. Frederic - Komm!«

Frederic schien seine Worte gar nicht wahrzunehmen, sondern starrte weiterhin den Inquisitor an. Schließlich packte Andrej ihn an der Schulter und zog ihn zu sich heran. Mit einem kurzen Nicken in Marias Richtung drehte er sich um und wollte gehen, doch da sagte Vater Domenicus völlig unerwartet: »Aber warum habt Ihr es denn so eilig? Ich würde gerne noch ein wenig mit Euch plaudern, Andrej Delãny.«

Andrej erstarrte mitten in der Bewegung. Seine Hände schlössen sich fest um Frederics Schulter, und sein Herzschlag verlangsamte sich und wurde so schwer, daß er ihn bis in die Fingerspitzen fühlen konnte.

Nach und nach löste er die Hand von Frederics Schulter, schob den Jungen unauffällig ein Stück von sich fort und drehte sich wieder zu Domenicus herum. Seine rechte Hand schlug den zerrissenen Mantel zurück und legte sich auf den Griff des Sarazenenschwertes.

Der Inquisitor war nicht mehr allein. Hinter ihm standen zwei Männer in schwarzen Lederrüstungen und knöchellangen, schweren Wollmänteln; Andrej mußte sich nicht umschauen, um zu wissen, daß auch hinter ihm Bewaffnete aufgetaucht waren. Von den goldenen Rittern war nichts zu sehen, aber er konnte sich gut vorstellen, daß sie sich hier in der Nähe aufhielten.

Sein Blick suchte den Marias. Die junge Frau sah vollkommen verwirrt von ihrem Bruder zu ihm und wieder zurück. Entweder verstand sie nicht, was vor sich ging, oder sie war die beste Schauspielerin, die er je kennengelernt hatte.

»Domenicus, was ...«

»Du solltest jetzt besser gehen, Maria«, sagte der Geistliche. »Es könnte gefährlich werden.«

»Was soll das heißen?!« Marias Stimme klang scharf, fast aggressiv. »Ich verlange eine Erklärung! Du kennst diesen Mann?«

»Das soll heißen, daß Ihr mich in eine Falle gelockt habt«, sagte Andrej. »Wie ich vermute, hat Euch Euer Bruder gestern auf uns aufmerksam gemacht - auch wenn er es vermutlich sehr geschickt angestellt hat.«

Maria erbleichte. »Ist das wahr?« fragte sie. »Domenicus?!«

Ihr Bruder sah sie kurz an, zog die linke Augenbraue hoch und wandte sich wieder an Andrej, ohne ihre Frage zu beantworten. »Gebt auf, Delãny!« sagte er. »Ihr habt keine Chance.«

»Wir werden sehen«, entgegnete Andrej.

Er wirkte äußerlich vollkommen gefaßt, in seinem Innersten jedoch tobte das reinste Chaos. Die beiden Soldaten rechts und links des Geistlichen hatten die Hände auf ihre Schwerter gesenkt, die Waffen aber noch nicht gezogen. Trotzdem war die Anspannung, unter der sie standen, deutlich zu spüren. Die Männer hatten Angst, was sie unberechenbar und damit um so bedrohlicher wirken ließ.

»Ich weiß, wie gefährlich Ihr seid, Andrej Delãny«, antwortete Domenicus ernst. »Zweifellos könntet Ihr einen oder zwei meiner Männer töten, bevor wir Euch überwältigen. Aber ich bitte Euch zu bedenken, wo wir sind. Es könnten Unschuldige zu Schaden kommen. Wollt Ihr das wirklich?«

Andrej spürte förmlich, daß sich ihm auch von hinten mindestens zwei Männer näherten, vermutlich mehr, und höchstwahrscheinlich war auch mindestens einer der goldenen Ritter in der Nähe.

»Ergebt Euch ohne Widerstand, und ich sichere Euch einen fairen Prozeß zu«, fuhr Domenicus fort, als Andrej immer noch nicht reagierte. Er lächelte, wirkte zugleich aber auch ein wenig nervös.