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Rings um ihn herum gellten Schreie auf. Die Arena, in deren Zentrum sie sich befanden, explodierte förmlich, und aus unbeteiligten Zuschauern wurden Menschen, die sich unvermittelt mit einer ganz konkreten Gefahr für ihr eigenes Leben konfrontiert sahen.

Irgendwo am Rande von Andrejs Gesichtsfeld blitzte es goldfarben auf. Er hörte Frederic schreien. Nichts davon war wichtig. Andrej verschmolz mit seinem Schwert; er bemühte sich nicht, seinen Körper zu bewegen, sondern wurde selbst zu einer einzigen rasend schnellen, fließenden Bewegung, die ihn vor den Augen der entsetzten Zuschauer zu einem huschenden Schatten machte - so schnell, daß er kaum noch zu erkennen war. Das Sarazenenschwert zerteilte die Luft mit dem Geräusch von zerreißender Seide.

Auch Domenicus Beschützer reagierte. Andrej registrierte mit leiser Verblüffung, daß der Mann tatsächlich bereit war, sein Leben für den Inquisitor zu geben - und er war schnell; erstaunlich schnell für einen Mann, der nicht von einem Michail Nadasdy jahrelang in geheimen Kampfkünsten trainiert worden war.

Doch im Vergleich zu Andrej war seine Reaktion geradezu lächerlich langsam; und vollkommen sinnlos dazu. Das Sarazenenschwert war scharf genug, den Mann zu enthaupten und selbst den hinter ihm stehenden Inquisitor noch tödlich zu treffen.

Andrej hatte jedoch nicht vor, Vater Domenicus zu töten. Sein Tod hätte unweigerlich auch Frederics Tod zur Folge gehabt - und vermutlich auch den der gefangenen Menschen aus Borsã.

11

Der Hieb war sanft im Vergleich zu dem, was er hätte anrichten können, aber trotzdem wuchtig genug, um dem Soldaten auf der Stelle das Bewußtsein zu rauben und ihn gegen den Geistlichen zu schleudern.

Andrej gönnte sich keine Atempause. Das Sarazenenschwert eilte wie von selbst seiner Bewegung voraus; die Waffe vollführte eine tänzelnde Welle und zischte plötzlich von unten nach oben durch die Luft. Doch plötzlich traf sie auf Widerstand.

Der Soldat, der auf Domenicus Wink hin Maria gepackt hatte, starrte verständnislos an sich herab und sank langsam in die Knie. Noch bevor er vollends am Boden lag, war Andrej schon bei der Schwester des Inquisitors, hatte sie an sich gerissen und ihr den Arm auf den Rücken gedreht. Das Sarazenenschwert verharrte reglos einen halben Zoll vor ihrer Kehle. Seit er seine Waffe gezogen hatte, waren weniger als drei Herzschläge vergangen.

»Nicht bewegen«, sagte Andrej. Er sprach schnell und sehr leise. Die Worte waren nur für Maria bestimmt.

»Ich tue dir nichts. Keine Angst.« Dann schrie er laut: »Niemand rührt sich, oder sie stirbt!«

Die junge Frau erstarrte in seinen Armen, und die beiden Soldaten, die sich langsam und unbeholfen - wie Marionetten in der Hand eines ungeschickten Spielers - herumgedreht hatten, um sich auf ihn zu stürzen, verharrten unschlüssig mitten in der Bewegung. Einzig der goldene Ritter reagierte schnell genug. Mit einem raschen Schritt in Andrej s Richtung eilte er heran und riß Frederic an sich; in seiner linken Hand blitzte ein Dolch.

»Malthus! Nein

Domenicus erhob hastig mit einer abwehrenden Geste den linken Arm in Richtung des Ritters, den anderen richtete er mit einer fast identischen, zugleich aber auch flehenden Bewegung auf Andrej. Er blutete aus einer kleinen Platzwunde an der Stirn, die er sich zugezogen haben mußte, als der Soldat ihn mit zu Boden gerissen hatte.

Malthus ging einen weiteren Schritt auf Andrej zu und bog Frederics Kopf in den Nacken zurück. Delãny sah, daß der Junge schreien wollte, aber nicht genug Luft bekam. In den Augen des goldenen Ritters erschien ein kaltes, boshaftes Glitzern. Er schenkte weder Domenicus' Geste noch seinen Worten auch nur die geringste Beachtung.

»Malthus, bleibt stehen!« sagte der Inquisitor scharf. »Ich befehle es Euch!«

Der Ritter machte noch einen Schritt, ehe er endlich innehielt und auch Frederics Kopf wenigstens so weit freigab, daß der Junge wieder richtig atmen konnte.

»Laßt meine Schwester los!« sagte Dominicus im Befehlston zu Andrej. Er war ein Mann, der mit Macht umzugehen wußte, das war deutlich zu spüren. Und wenngleich auch der gequälte Ausdruck in seinem Blick seine Worte Lügen zu strafen schien, klang seine Stimme doch hart und unnachgiebig.

»Ich fürchte, das kann ich nicht tun, ehrwürdiger Vater«, entgegnete Andrej spöttisch. »Das wäre nämlich äußerst dumm. Und ich hasse es, etwas Dummes zu tun.«

»Laß sie los, oder der Junge stirbt!« rief Malthus.

»Und wenn ich sie freigebe, laßt Ihr uns gehen?«

Malthus wollte antworten, aber Domenicus unterbrach ihn mit einer herrischen Geste.

»Ihr wißt, daß wir das nicht tun werden, Delãny«, sagte er. »Macht es nicht noch schlimmer. Ich gebe Euch mein Wort, daß wir diesen Zwischenfall hier vergessen werden, wenn Ihr Maria freigebt. Er wird keinerlei Einfluß auf Euren Prozeß haben.«

Es war beinahe grotesk - aber Andrej glaubte ihm. Er hatte gerade vor Domenicus Augen zwei seiner Männer getötet, und trotzdem war der Inquisitor bereit, diesen Zwischenfall einfach zu vergessen. Entweder liebte er seine Schwester abgöttisch, oder ein Menschenleben war ihm so gleichgültig wie der Schmutz unter seinen Schuhsohlen. Vielleicht beides.

Andrej s Gedanken rasten wie wild. Die Situation entsprach dem, was Michail Nadasdy ein klassisches Patt genannt hätte - aber das würde nicht mehr lange so bleiben. Das Kräfteverhältnis verschob sich mit jedem Moment weiter zu seinen Ungunsten. Die meisten Zuschauer waren mittlerweile verstummt. Sie sahen dem Geschehen mit morbider Neugier zu; die Nervosität setzte sich wie die Wellen eines ins Wasser geworfenen Steines in der Menschenmenge fort. Wie lange würde es noch dauern, bis die Soldaten des Herzogs auftauchten, denen das Wohl Marias vermutlich weniger am Herzen lag als ihrem Bruder?

»Ich meine es ernst, Domenicus«, sagte Andrej. »Gebt den Jungen frei und laßt uns gehen, dann passiert Eurer Schwester nichts. Ich habe nichts mehr zu verlieren.«

Er haßte sich selbst für das, was er jetzt tat, aber um seinen Worten den gehörigen Nachdruck zu verleihen, ritzte er mit einer winzigen Bewegung des Sarazenenschwerts Marias Haut. Wahrscheinlich spürte sie den Kratzer kaum; trotzdem sog sie scharf die Luft ein und versteifte sich in seinen Armen. Ein einzelner roter Blutstropfen lief an ihrem Hals herab.

Domenicus Augen weiteten sich, und seine Linke schloß sich impulsiv um das schwere Goldkreuz vor seiner Brust.

Andrej bemerkte aus den Augenwinkeln heraus, daß nun genau das geschah, was er befürchtet hatte: Auf dem Marktplatz war eine Art stiller Panik ausgebrochen; die Menschen versuchten, schnell vom Ort des Geschehens zu flüchten - wenn auch nur die wenigsten wissen konnten, was überhaupt vorgefallen war. Doch aus der Richtung des Schlosses näherte sich ein halbes Dutzend Lanzenspitzen, die über den Köpfen der Flüchtenden zu pendeln schienen; und unter diesen Spitzen schimmerte es orangerot und weiß. Frederic und ihm würde eine Minute bleiben, schätzte Andrej; im besten Fall zwei, wenn die Menge die Soldaten lange genug aufhielt.

Auch Domenicus hatte die Soldaten bemerkt, aber Andrej las in seinen Augen, daß er keineswegs triumphierte. Vielmehr schien er sich der Gefahr, die das Erscheinen der Uniformierten für seine Schwester bedeutete, bewußt zu sein. Hinter seiner Stirn arbeitete es. Er ballte die rechte Hand zur Faust, schloß für einen Moment die Augen und nickte dann.

»Laßt den Jungen los!« befahl er.

Malthus schnaubte vor Wut. Statt Frederic freizugeben, zog er seinen Dolch langsam über die Kehle des Jungen. Der Schnitt war kaum tiefer als der, den Andrej Maria zugefügt hatte, aber viel länger. Ein schneller und abrupt wieder endender Schwall Blutes schoß aus Frederics Hals und versickerte in seiner Kleidung.