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Der Ritter lachte, trat einen Schritt zurück und ließ kurz sein Schwert sinken. Er war nicht einmal außer Atem, während Andrej schon Mühe hatte, sich auf die Ellbogen zu stützen und seinen Körper einer Musterung zu unterziehen. Die Wunde in seiner Brust war nicht tief genug, um ihn nachhaltig zu schwächen. Aber Malthus hätte ihm bei dieser letzten Attacke leicht auch die Kehle durchtrennen oder ihn gleich enthaupten können.

Wahrscheinlich hatte er das nur deshalb nicht getan, weil ihm ein solch leichter Sieg keinen Spaß bereitete.

Andrej stemmte sich mühsam hoch, ergriff das Schwert fester und nickte seinem Gegner auffordernd zu. Malthus hob seine Waffe, salutierte spöttisch und deckte Andrej im nächsten Augenblick mit einem solchen Hagel von Hieben, Stichen und Finten ein, daß diesem Hören und Sehen verging. Diesmal hatte der Hüne seine Taktik geändert. Statt mit brutaler Gewalt auf ihn einzustürmen, überzog er ihn mit unglaublich schnellen, dabei aber äußerst präzise geführten Hieben; dabei verzichtete er bewußt darauf, das Gewicht seiner Waffe einzusetzen, sondern verließ sich einzig auf seine Schnelligkeit und seine perfekte Technik.

Und diese Technik war der seinen überlegen.

Andrej begriff dies nur allmählich - aber als er es begriff, war es wie ein Schock. Er mußte die unglaubliche Tatsache hinnehmen, daß er der Körperkraft seines Gegners genausowenig entgegenzusetzen hatte wie seiner Erfahrung. Andrej hatte von Michail Nadasdy sämtliche Techniken und Kunstgriffe gelernt, mit denen sein Lehrer im Laufe vieler Jahre die alte Fechtkunst der Sarazenen weiter und weiter verfeinert hatte. Und er hatte Andrej weismachen wollen, damit jedem nur denkbaren Gegner gewachsen zu sein. Daß das pure Übertreibung gewesen war, mußte er jetzt schmerzhaft erfahren.

Was nichts anderes hieß, als daß Andrej am Ende Malthus unterliegen würde. Und Malthus wußte das.

Auf seinem Gesicht erschien ein siegessicheres Lächeln, doch seine Aufmerksamkeit ließ deshalb keinen Sekundenbruchteil nach. Er trieb Andrej erbarmungslos vor sich her, und diesem blieb keine andere Wahl, als sich mit verzweifelten Paraden und Ausweichbewegungen zur Wehr zu setzen.

Trotzdem wurde er erneut getroffen.

Diesmal fegte Malthus Andrejs Sarazenenschwert mit einem kurzen, ansatzlosen Hieb zur Seite und trieb seinem Gegner die Klinge mit der nächsten Attacke in einer Abwärtsbewegung eine Handbreit tief in den Leib. Ein grausamer Schmerz explodierte in Andrejs Magen und breitete sich in Wellen in seinem ganzen Körper aus. Er krümmte sich, ließ das Sarazenenschwert fallen und sank auf die Knie. Andrej wartete auf den tödlichen Hieb - doch der blieb aus.

Statt den schon Bezwungenen zu enthaupten, wich Malthus zwei Schritte zurück, senkte seine Waffe und wartete, bis das Leben aufhörte in einem pulsierenden, dunkelroten Strom aus Andrejs Leib herauszuquellen.

Andrej griff mit seiner blutverschmierten Hand nach dem Sarazenenschwert und stemmte sich, auf die Klinge gestützt, schwerfällig wieder auf die Beine. Er wankte von einer Seite auf die andere, und seine Knie vermochten kaum das Gewicht seines Körpers zu tragen. Zum ersten Mal begriff er, daß das Erlernen einer überlegenen Kampfkunst allein nicht Unbesiegbarkeit bedeuten mußte. Sein Körper war noch nicht zerstörerisch getroffen worden; aber der Blutverlust schwächte ihn. Und diese Schwäche verflog weniger schnell als der Schmerz.

»Du bist gut, Delãny«, sagte Malthus ernst. »Anscheinend hattest du einen hervorragenden Lehrer. Aber eines hat er dir wohl nicht beigebracht: Versuche nie, deine robuste Natur als Waffe einzusetzen! Sie ist ein unzuverlässiger Verbündeter.«

Und ohne Vorwarnung griff er erneut an.

Und diesmal machte er ernst.

Andrej kam seinem Angriff einen Sekundenbruchteil zuvor, indem er sich nach hinten fallen ließ und nach Malthus' Knien trat, noch bevor seine Schultern den Boden berührten. Er traf, aber der Tritt reichte nicht aus, einen so großen und schweren Mann zu stoppen oder auch nur nennenswert aus dem Rhythmus zu bringen.

Immerhin brachte Delãny den Angreifer so weit aus dem Gleichgewicht, daß dessen nachgesetzter Schwerthieb Andrejs Hals verfehlte und statt dessen nur eine tiefe Scharte in den Boden der Lagerhalle riß.

Andrej sprang auf, stieß mit dem Schwert blind nach hinten und spürte, daß er irgend etwas getroffen hatte. Er vernahm ein schmerzerfülltes Grunzen, wendete sich mit einer instinktiven Bewegung um - und sah Malthus wie einen wütenden Stier auf sich losstürmen; es hatte den Anschein, als würde die tiefe Stichwunde in seiner Brust für Malthus gar nicht existieren.

Andrej versuchte erst gar nicht, diesen Angriff zu parieren ... Jeder Versuch, diesen tobenden Riesen aufhalten zu wollen, wäre einem Selbstmordversuch gleichgekommen. Statt dessen ließ sich Andrej abermals nach hinten fallen, verwandelte diesen Sturz aber mit größter Behendigkeit in einen Sprung, so daß er wieder auf den Beinen stand, als der Wütende auf ihn einhieb, ihn aber um Haaresbreite verfehlte. Im selben Atemzug holte Andrej aus, und die Klinge des Sarazenenschwertes fuhr tief in Malthus' Oberschenkel, gerade in der Sekunde, als dieser an ihm vorüberstürmte; der Ritter fiel mit einem gellenden Schmerzensschrei zu Boden.

Trotz der tiefen und heftig blutenden Wunde in seinem Schenkel war Malthus sofort wieder auf den Füßen. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, und es fiel ihm schwer, sich auf den Beinen zu halten. Doch als Andrej versuchte, diesen vermeintlichen Vorteil zu nutzen und den Angeschlagenen zu attackieren, empfing dieser ihn mit einer wütenden, dabei aber so gekonnten Schlagkombination, daß er größte Mühe hatte, den Hieben auszuweichen.

Andrej glaubte dennoch, daß sich der Ritter nicht mehr lange würde halten können. Schon nach ein paar Sekunden mußte er begreifen, daß das ein verhängnisvoller Irrtum war. Vollkommen gegen alle Regeln der Natur versiegte der Blutstrom aus Malthus' Bein von einem Moment auf den ändern. Obwohl Andrej wußte, was kommen würde, sah er ungläubig und vollkommen fassungslos zu, wie der Ausdruck von Schmerz von seinem Gesicht verschwand und sich der Goldene wieder zu seiner vollen Größe aufrichtete.

Das war unmöglich! Selbst nach Malthus' ausführlichen Erklärungen hatte Delãny immer noch nicht richtig begriffen, was seine Worte eigentlich bedeuteten; sein Gefühl hatte sich gegen den dahinterliegenden Sinn gesperrt. Andrej konnte nicht die Augen davor verschließen, daß auch bei ihm selbst Wunden schneller heilten als bei anderen Menschen - aber das hier war völlig anders. Kein Mensch konnte sich nach einer solchen Verletzung so schnell wieder fangen! Bei keinem Menschen konnte sich eine klaffende blutende Wunde so schnell wieder schließen!

Aber andererseits - es paßte zu seinen eigenen, unleugbaren und doch nie hartnäckig hinterfragten Erfahrungen. Es paßte dazu, daß ihm selbst Verletzungen viel weniger anhaben konnten als jedem anderen Menschen, den er kannte - von Frederic und Barak einmal abgesehen. Es paßte dazu, daß Bruder Toros ihn aus dem Borsã-Tal vertrieben hatte, als sei er der Leibhaftige. Es paßte dazu, daß die Kirche Vater Domenicus geschickt hatte, um die Delãnys für immer und alle Zeiten auszulöschen. Es paßte zu ihm und den goldenen Rittern, wie die linke zur rechten Hand paßte ...

Es war ein Augenblick, in dem alles in Andrej zusammenstürzte, sein ganzes Weltbild, sein Verständnis der Zusammenhänge, die sein Leben trieben, der Glaube, der ihn am Leben erhielt und ihm die Zuversicht gab, trotz allen erlittenen Schmerzes immer weiter und weiter zu machen. Für diesen ganz winzigen Augenblick nur begriff er die ganze und vollständige Wahrheit - dann entglitt sie ihm wieder und stieß ihn wieder hinaus in eine nicht minder bedrohliche Wirklichkeit.