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»Du bist gut, Delãny«, sagte Malthus mit leicht zitternder Stimme. Die Wut in seinen Augen war geblieben. »Aber nun ist es genug. Ich habe keine Zeit mehr, weißt du? Mein Schiff läuft gleich aus.«

Es gelang Andrej, den nächsten Schwerthieb zu parieren, aber schon die bloße Wucht des Schlages ließ ihn zurücktaumeln.

Erneut wechselte Malthus seine Taktik. Jetzt griff er weniger ungestüm an und vertraute statt dessen auf eine Kombination aus ausgefeilter Technik und brutaler Kraft. Andrej wehrte seine Attacken zwar mühelos ab, aber jeder Schlag jagte rasch aufeinanderfolgende Wellen fürchterlich vibrierender Schmerzen durch seine Arme und Schultern. Mit jedem Angriff wurde Andrej müder. Schritt für Schritt wich er vor Malthus zurück, aber der Riese trieb ihn mit unerbittlicher Beharrlichkeit weiter in die Enge - und seine Hiebe verloren nichts von ihrer Wucht.

Andrej war der Verzweiflung nahe. Seit Beginn dieses Kampfes war er ausschließlich in der Defensive gewesen - und nach allem, was Michail Nadasdy ihn gelehrt hatte, war dies der sicherste Weg, einen Kampf zu verlieren. Aber Malthus gab ihm einfach keine Gelegenheit, selbst die Initiative zu ergreifen.

Wenn du schwächer bist als dein Gegner, hörte er erneut Michail Nadasdys Stimme in seinem Kopf, dann suche nach seiner Schwäche!

Aber dieser Kerl hatte keine Schwäche! Unerbittlich trieb er Andrej vor sich her, und jeder seiner Hiebe erschütterte diesen noch ein wenig stärker als der vorhergehende. Der Augenblick, in dem einer dieser mit brutaler Gewalt ausgeführten Angriffe seine Deckung durchbrechen und ihn schwer verletzen würde, war absehbar. Ein drittes Mal würde Malthus ihn gewiß nicht verschonen.

Andrej parierte einen weiteren Hieb und verletzte seinen Gegner dabei an der Hand - allerdings eher zufällig; zwar war die Wunde, die er ihm zufügte, nicht gefährlich, trotzdem aber mit Sicherheit schmerzhaft. Malthus grunzte, und erneut flammte mörderische Wut in seinen Augen auf. Seine nächste Attacke kam mit solcher Wucht, daß Andrej Mühe hatte, auf den Beinen zu bleiben.

Aber Andrej spürte: Selbst dieser Mann war besiegbar.

Er war weit davon entfernt zu triumphieren, aber er faßte immerhin wieder ein wenig Hoffnung. Neun Zehntel seiner Aufmerksamkeit waren nach wie vor nötig, um die immer ungestümer werdenden Angriffe des Goldenen abzuwehren - aber das übrige Zehntel seiner Gedanken beschäftigte sich unruhig mit der Frage, wie er diesen möglichen Schwachpunkt seines Gegners zu seinem Vorteil nutzen konnte. Er mußte Malthus wütend machen, denn ein wütender Gegner beging Fehler.

Als Malthus' Schwert das nächste Mal herabsauste, parierte Andrej den Hieb auf eine Art, die ihn fast den letzten Rest seiner noch verbliebenen Kraft kostete; nichtsdestotrotz wirkte diese Parade geradezu spielerisch. Delãny lachte laut. »Vielleicht habt Ihr recht, Malthus«, sagte er. »Es wird allmählich Zeit, mit diesen Albernheiten aufzuhören. Und ... wißt Ihr was? Im Gegensatz zu mir seid Ihr nicht gut. Nur groß und stark und alt. Zu alt. Aber nicht wirklich gut.«

Malthus antwortete nicht, aber seine Lippen verzogen sich zu einem schmalen, blutleeren Strich, und in seinen Augen loderte pure Mordlust auf. Er schlug mit solcher Gewalt zu, daß dieser Hieb Andrej bei einem Treffer vermutlich in zwei Teile gespalten hätte. Doch der Bedrängte wich im letzten Augenblick zur Seite und schraubte sich mit einer tänzelnden Bewegung um seinen Gegner herum. Allerdings verzichtete er darauf, Malthus an der Schulter zu verletzen, was er in dieser Situation gekonnt hätte. Statt dessen trat er ihm mit der ganzen ihm zur Verfügung stehenden Kraft in den Hintern und lachte ihm ins Gesicht, als der Hüne sich mit einem zornigem Knurren wieder zu ihm herumdrehte.

»Warum gebt Ihr nicht endlich auf, Malthus?« fragte Andrej provozierend, während er das Schwert spielerisch ein paarmal von der rechten in die linke Hand und wieder zurück wandern ließ. »Wer weiß, vielleicht lasse ich Euch ja sogar am Leben ... Es macht keinen besonderen Spaß, einen so ungeschickten Gegner wie Euch zu töten.«

Malthus brüllte wie ein verwundeter Stier, riß sein Schwert in die Höhe und stürmte mit der Unaufhaltsamkeit einer Naturgewalt auf ihn ein.

Andrej versuchte gar nicht erst, ihn aufzuhalten, sondern ließ sich auf die Knie fallen, packte das Sarazenenschwert mit beiden Händen und riß die Klinge im letzten Augenblick schräg nach oben, während er sich gleichzeitig zur Seite wegdrehte. Der rasiermesserscharfe Stahl drang beinahe ohne spürbaren Widerstand durch Malthus' Körper, durchtrennte seine Wirbelsäule und trat auf halber Höhe des Rückens wieder heraus.

Der Ritter erstarrte. Über seine Lippen kam einzig ein seufzender Laut, in dem Andrejs Empfinden nach vielleicht sogar ein Hauch von Erleichterung mitschwang. Seine Finger öffneten sich, das Schwert klirrte zu Boden, und der riesige Mann sank ganz langsam vor Andrej in die Knie.

Andrej hielt den Griff seiner Waffe noch immer mit beiden Händen fest umklammert. Er spürte, wie sich die Klinge weiter bewegte und unvorstellbare Verheerungen in Malthus Körper anrichtete. Blut lief über die Lippen des Riesen, er keuchte vor Schmerz, seine Augen waren trüb, und er zitterte am ganzen Leib. Andrej wollte diesem Mann keinen Schmerz zufügen. Er wollte niemandem Schmerz zufügen. Aber er hatte keine Wahl - und so bewegte er das Schwert weiter. Malthus stieß ein wimmerndes Keuchen aus, und ein weiterer Schwall tiefdunklen Blutes quoll über seine Lippen. Andrej verabscheute sich in diesem Moment selbst für das, was er tat, aber wenn er diesem Giganten auch nur die Spur einer Chance gab, würde er das mit seinem eigenen Leben bezahlen.

Obwohl er die Antwort im vorhinein wußte, fragte er dennoch: »Wenn ich dich leben lasse, wirst du dann gehen?«

»Keine ... Chance ... Delãny«, würgte Malthus hervor. »Wenn du ... mich verschonst... töte ich ... dich.«

»Dann läßt du mir keine Wahl.« In Andrejs Worten schwang ehrliches Bedauern mit.

»Töte ... mich«, hauchte Malthus. »Aber zuvor beantworte mir ... noch eine Frage.«

»Welche?«

»War ich ... wirklich ... dein erster?«

Andrej nickte.

»Dann wirst du ... gleich eine Überraschung erleben«, stöhnte Malthus. »Wir sehen uns, Delãny. Vielleicht schneller, als du ... denkst. Und jetzt tu es endlich!«

Die letzten Worte hatte er mit äußerster Kraftanstrengung aus sich herausgeschrien. Andrej starrte ihm noch einmal fest in die Augen, dann sprang er auf, riß das Schwert mit einem Ruck aus Malthus' Körper und ließ die Klinge aus der gleichen Bewegung durch die Luft pfeifen und das Herz des Ritters durchstoßen.

Malthus blieb noch für die Dauer eines einzelnen, trotzigen Herzschlages reglos und aufrecht auf den Knien hocken, dann fiel er langsam nach vorne und schlug mit einem dumpfen Geräusch auf den schmutzigen Holzbrettern auf.

Andrej trat einen Schritt zurück, schüttelte mit einem unbewußten, harten Ruck das Blut von der Klinge des Sarazenenschwertes und steckte die Waffe ein.

Er fühlte sich ... leer. Was immer er erwartet hatte, es kam nicht. Er empfand weder Triumph noch Befriedigung, ja, er fühlte nicht einmal Erleichterung darüber, daß es vorbei war. Er war einfach nur erschöpft. Was immer Malthus gemeint hatte, als er von der Überraschung sprach, die Andrej bei seiner ersten Transformation erwartete - es geschah nicht. Er hatte den ersten seiner Art getötet, aber er kam sich in diesen Sekunden nur wie ein Mörder vor, obwohl er zu dieser Tat gezwungen worden war. Er hatte diesen Mann nicht töten wollen.

Dann geschah etwas, was ihn im höchsten Maße entsetzte. Er ging mit langsamen Schritten auf den Toten zu. Im ersten Augenblick fürchtete er, die gebrochenen Augen würden sich wieder schließen, blinzeln, um sich dann mit einem eiskalten Blick auf ihn zu richten. Er glaubte in der Schwerthand des Toten ein leises Zittern zu sehen, eine kaum wahrnehmbare Bewegung, die sich über seinen Körper fortpflanzte, bis er sich schließlich aufrichten und auf ihn zukommen würde ...